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Grünes Fliegen
Airbus und Boeing wollen nachhaltiger werden

Fliegen boomt. Davon profitieren vor allem die Branchenriesen Boeing und Airbus. Was leidet, ist die Umwelt. Der Druck auf Hersteller und Fluggesellschaften wächst deshalb. Wie sich auf der Luftfahrtmesse in Le Bourget zeigt: Ideen gibt es viele - zumindest auf dem Papier.

Von Marcel Wagner | 19.06.2019
Präsentation eines Airbus A350-1000 bei der Luftfahrtmesse in Le Bourget 2019
Präsentation eines Airbus A350-1000 bei der Luftfahrtmesse in Le Bourget 2019 (AFP/ Eric Piermont)
Airbus und Boeing, das bedeutet auf der Pariser Luftfahrtmesse normalerweise knallharten Wettbewerb: Wer kriegt die besten Kunden? Wer die meisten Aufträge? Dass sie diesmal sogar gemeinsam zu einer Erklärung eingeladen hatten, dürfte den Ernst der Lage deutlich machen:
"Wir haben beschlossen, dass einige Probleme, die unsere Industrie betreffen, so groß sind, dass wir sie zusammen angehen müssen."
Verkündete Greg Hyslop, Technikchef von Boeing. Nicht nur seine Kollegin von Airbus, sondern noch fünf weitere Technikchefs führender Luftfahrtunternehmen, darunter Rolls Royce für Turbinen oder Dassault für Privatjets, hatten sich auf der Bühne versammelt.
Ideen gibt es reichlich
In einem gemeinsam unterzeichneten Papier versprechen sie im Namen ihrer Unternehmen, sich für nachhaltiges Fliegen zu engagieren, vor allem Emissionen zu senken. Durch neue Technologien bei den Antrieben, neue, aerodynamische Flugzeugdesigns, Kraftstoffe, die nicht mehr auf Basis von fossilen, sondern erneuerbaren Rohstoffen funktionieren. Die Chancen seien gewaltig, so der Tenor:
"Wir können an unserem Testflugzeug sehen, wie bestimmte Flügel-Profile den Widerstand um 50 Prozent reduzieren können, was insgesamt den Treibstoff-Verbrauch um fünf Prozent reduzieren kann."
Erläuterte Grazia Vittadini, Technikchefin von Airbus.
Die Schattenseite des Erfolgs
Der Druck auf die Branche ist gewaltig. Schließlich hoffen die großen Flugzeugbauer auf eine Verdopplung der weltweiten Flugzeugflotte in den kommenden zwanzig Jahren:
"Aber zweimal so viele Flugzeug heißt auch zweimal so viel Lärm, zweimal so viel Treibstoffverbrauch, CO2-Emissionen, Verkehr. Unsere größte gemeinsame Herausforderung ist daher, die Auswirkungen unseres eigenen Erfolgs in den Griff zu bekommen."
Räumte Vittadini ein. Wirklich konkret sind die Aussichten in der gemeinsamen Erklärung der Branchengrößen nicht formuliert. Und neben den vagen Absichten enthält das Papier auch viele Forderungen. So werden Regierungen weltweit dazu aufgerufen, stärker in Forschung und Infrastruktur zu investieren, etwa was die Entwicklung alternativer Kraftstoffe angeht. Deutschland beteiligt sich daran auch jetzt schon maßgeblich, etwa gemeinsam mit der NASA über das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, DLR. Dessen Luftfahrt-Vorstand Rolf Henke warnt allerdings vor zu hohen Erwartungen bei den alternativen Kraftstoffen, etwa Kerosin aus Wasser, CO2 und Sonnenenergie:
"Das kann schon eine Brückentechnologie für die nächsten Jahre sein. Nichtsdestotrotz, da muss man ehrlich sein, wenn man Kraftstoff verbrennt ist das halt ein Verbrennungsvorgang. Da geht es nicht nur um CO2, da geht es auch um lauter andere Stoffe, die dabei freigesetzt werden."
Langfristig müssten die Lösungen deutlich radikaler sein:
"Wir haben uns der Vision "Zero Emission Aircraft" verschrieben, das heißt, wir wollen dafür sorgen, dass das Flugzeug wirklich komplett umweltverträglich sein wird. Und zwar nicht nur im Betrieb, sondern auch bei der Wartung, sozusagen wenn man das ganze Flugzeugleben in toto betrachtet."
Beim Ticketpreis hört das Engagement auf
Der Knackpunkt dabei sind laut Henke die immensen Investitionen, die dafür nötig sind. Um die aufzubringen müssten die Flugzeugbauer sehr viel Geld verdienen – mit herkömmlicher Technik und entsprechenden Folgen. Auf dem Podium auf der Pariser Flugschau kam noch eine andere, extrem umweltfreundliche Alternative ins Spiel: Was denn die versammelten Technikchefs von höheren Ticketpreisen halten würden, um fliegen weniger attraktiv zu machen oder die Forschung aus den höheren Gewinnen zu finanzieren, wollte ein Journalist wissen. Die Antwort war eindeutig. Betretenes Schweigen. Und freundliches Lachen.