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Grundbesitzer in Steiermark klagen wegen EU-Projekt "Natura 2000"

In der österreichischen Steiermark klagen 180 Grundbesitzer gemeinsam gegen das Land. Sie verlangen Entschädigung in Millionenhöhe dafür, dass ihr Grund und Boden als "Natura 2000"-EU-Schutzgebiet ausgewiesen wurde. Die Kläger argumentieren: Unser Land ist seitdem weniger wert.

Von Alexander Musik | 20.02.2009
    Beißende Kälte herrscht an diesem Wintertag in der Gemeinde Fohnsdorf. Der Himmel ist grau. Die umliegenden Wälder sind schneebedeckt. In der Luft hängen die Ausdünstungen der Zellstoff Pöls AG, des größten Arbeitgebers dieser von Abwanderung gebeutelten Region der Steiermark. Vor 30 Jahren wurde der Braunkohlebergbau eingestellt. Dann geriet die Forstwirtschaft in Gefahr, weil die Konkurrenz viel billiger produzierte. Und jetzt auch noch "Natura 2000". 137.000 Hektar Land soll das Schutzgebiet umfassen, mehr als etwa der Naturpark Lüneburger Heide. Und 35.000 Hektar mehr als ursprünglich ausgemacht.

    Den Grundbesitzern platzt nun der Kragen. Martin Kaltenegger, Forstwirt, und Johann Resch, Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Steiermark, haben ihrem Unmut persönlich in Brüssel Luft gemacht.

    Weil in Brüssel aber niemand an der Verordnung rütteln wollte, klagten die Grundbesitzer gegen das Bundesland Steiermark. Sie wollen 55 Millionen Euro pro Jahr für die vermutete Wertminderung ihres Besitzes. Der Prozess ist seit über einem Jahr anhängig. Kammer-Vizepräsident Johann Resch:

    "Ich lass mir nicht übern Verordnungswege irgendwas aufdrücken, wo man dann Bewirtschaftungserschwernisse und letztlich auch Einkommenseinbußen, gravierende, hinnehmen muss. Das kann's nicht sein!"

    Die Forstwirte behaupten, auch ohne Schutzgebiet, Wald und Flur zu schützen, seit Generationen schon. Um das zu illustrieren, steuert der 38-jährige Kaltenegger seinen Geländewagen von Fohnsdorf aus immer höher in den Wald hinauf, von der Landstraße auf einen Forstweg, bis der Jeep gegenüber einem kahlen, schneebedeckten Bergrücken hält. Die kahle Fläche wird in fünf bis zehn Jahren wieder bewachsen sein, sagt Kaltenegger. Für ihn das beste Beispiel für nachhaltige Forstwirtschaft, die er – und seine Vorfahren – seit Generationen betreiben.

    "Gerade für die Vögel ist das ideal. So eine Fläche, die müssen ja hinaus starten, das sind ja Jäger, die freie Flächen brauchen! Der Greif, der kann im dunklen Wald nicht leben, und auf den kahlen Flächen, die Lärche ist ein Lichtbaumart, die kann wieder nur wachsen, wo eine Kahlfläche ist! Also, man darf nicht das Vorurteil haben: Jede Kahlfläche ist was Schlechtes!"

    Kammerpräsidentsvize Resch sekundiert aus dem Fonds: Österreich habe ohnehin das strengste Forstgesetz weltweit! Nur ein Hektar Wald dürfe in einem Stück geschlagen werden. Was er nicht sagt: Nutzwälder sind häufig Monokulturen, das heißt, artenarm und anfällig für Krankheiten. Mit der Ausweisung als "Natura-2000"-Fläche will man europaweit naturnahe Lebensräume schaffen, um gefährdeten Arten eine Chance zu geben. Deswegen stehen sich Naturschutz und Forstwirtschaft nicht gerade versöhnlich gegenüber.

    "Was noch dazu kommt: Wir haben ja auch in der Forstwirtschaft bei der Preissituation Hochs und Tiefs. Da kann genau passieren, dass, weil jetzt der Preis passt, die Nachfrage nach Frischholz vorhanden ist - und er muss erst ansuchen um Bewilligung eines Forstweges!"
    Holz ernten ohne Forstweg ist nämlich in den Niederen Tauern ein Zuschussgeschäft, sagt Resch. Weil das Holz dann per Hubschrauber abtransportiert werden muss.

    "Das ist auch im Gebirge viel teurer, weil man da Seilkräne braucht, also teure Spezialmaschinen. Also, diese ganzen Kosten haben unsere Mitbewerber in der Ebene nicht! Wenn wir dann noch zusätzlich Auflagen durch Natura 2000 kriegen ..."

    Bei der Landesregierung in Graz sieht man die Angelegenheit anders: Peter Frank, zuständig für "Natura 2000" und EU-Naturschutzrecht, ist sich "100-prozentig sicher", dass die Klage Kalteneggers abgewiesen wird. Weil sie "keine Grundlage" habe. Und wer auf seinem Grundstück etwa einen Forstweg anlegen wolle, müsse sich das genehmigen lassen, unabhängig davon, ob der Weg durch "Natura 2000"-Gebiet führt oder nicht. Frank sieht "irrationale Ängste" am Werk. Es sieht tatsächlich so aus, als seien es die gleichen Ängste, die die europaskeptischen Österreicher ohnehin umtreiben.