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"Grundsätzlich sind auch wir für Transparenz der Abgeordneten"

Die FDP zeigt sich offen für eine Neuregelung der Nebeneinkünfte bei Bundestagsabgeordneten, die bislang Honorare zwischen mindestens 1000 und pauschal über 7000 Euro angeben müssen. Eine Anhebung der höchsten zu deklarierenden Einkommensstufe sei vorstellbar, sagt Stephan Thomae (FDP).

Das Gespräch führte Bettina Klein | 09.10.2012
    Bettina Klein: Die CDU also zeigt sich offen für eine schnelle Neuregelung der Transparenz von Nebeneinkünften bei Bundestagsabgeordneten. So hat sich jedenfalls gestern CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe geäußert und ähnlich klingt der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Große-Brömer, heute Morgen. Die Debatte, angestoßen im Zuge der Kritik an Peer Steinbrücks Einkünften, mündet nun also möglicherweise in einer Verschärfung der Regeln.
    Am Telefon ist Stephan Thomae, FDP-Bundestagsabgeordneter, Mitglied im Rechtsausschuss. Schönen guten Morgen, Herr Thomae!

    Stephan Thomae: Guten Morgen, Frau Klein!

    Klein: Herr Thomae, Ihre Partei hat vor einigen Jahren noch komplett gegen die bestehende Regelung von Nebeneinkünften gestimmt. Jetzt sollen die Regeln sogar noch verschärft werden. Ist mit einem Sinneswandel bei den Liberalen zu rechnen, oder bleibt es bei der Gesamtablehnung?

    Thomae: Wenn man vor einigen Jahren gegen die bestehende Regelung gestimmt hat, heißt das nicht, dass man insgesamt gegen Transparenzregeln wäre. Das hing damit zusammen, dass damals einige Punkte, die auf der Tagesordnung standen, nicht auf das Gefallen der FDP gestoßen sind. Zum Beispiel gibt es immer wieder Fragen der Rechtssicherheit bei unbestimmten Rechtsbegriffen, was ist eine angemessene Vergütung für eine bestimmte Tätigkeit. Das sind schwierige Fragen. Also wenn es ins Detail geht, sieht die Welt manchmal etwas anders aus. Grundsätzlich sind auch wir für Transparenz der Abgeordneten in einem gewissen Maße und sind hier konstruktiv bei der Diskussion.

    Klein: Nun geht es ja sozusagen an die Details in den Beratungen, die in den kommenden Tagen und Wochen bevorstehen, und eine Idee, die ja auch aus der Union favorisiert wird, ist, es sollen mehr Stufen eingeführt werden. Das heißt, die höchste Stufe soll nicht bei 7000 Euro enden, sondern weit darüber hinausgehen. Ist das eine Idee, die mit der FDP zu machen wäre?

    Thomae: Das ist eine Idee, die mit uns zu machen ist. Darüber diskutieren wir in der Fraktion ebenfalls. Wir müssen überlegen, was sind eigentlich die berechtigten Interessen der Öffentlichkeit an der Kenntnis über die Einkünfte der Abgeordneten, aber wo beginnt auch das durchaus berechtigte Interesse eines Abgeordneten, der natürlich auch eine Privatperson ist, der Familie hat, dass nicht alles über sein Privatleben, wozu der Beruf zählen kann, in die Öffentlichkeit dringt. Ich denke zum Beispiel auch daran, dass etwa ein Arzt ja eine Verschwiegenheitsverpflichtung gegenüber seinen Patienten hat, denken Sie an einen Psychiater. Da ist es völlig einsichtig, dass die Öffentlichkeit nicht zu erfahren braucht, welche Personen und Patienten beim Psychiater sind.

    Klein: Es geht ja nun zunächst mal um die Frage der Höhe von Stufen, die neu eingeführt werden sollen, und ich frage noch mal: Haben Sie konkretere Vorstellungen, welche Arten von Stufen da kommen sollen?

    Thomae: Bei uns wird derzeit diskutiert, die momentane Dreistufigkeit auf eine Siebenstufigkeit auszuweiten. Das ist in der Diskussion. Ich kann hier aber dem Ergebnis in der Rechtsstellungskommission des Ältestenrates nicht vorgreifen. Aber das können wir uns zum Beispiel gut vorstellen, auch eine Anhebung der höchsten Einkommensstufe. Es soll also mehr Transparenz einkehren, das ist für uns durchaus vorstellbar.

    Klein: Eine höchste Stufe, die etwa wo liegen könnte?

    Thomae: Momentan werden diskutiert 150.000 Euro, aber Zahlen sind manchmal Schall und Rauch. Also sich da jetzt festzulegen, wäre verfrüht, aber jedenfalls deutlich höher als bei den jetzigen 7000.

    Klein: Und ist das geknüpft an die Bedingung, dass dafür die Untergrenze angehoben wird? Das heißt, dass quasi dann meinetwegen bis 5000 Euro gar nichts mehr gemeldet werden muss?

    Thomae: Wir diskutieren das offen. Es gibt momentan für uns keine Bedingungen für den Eintritt in eine offene Diskussion. Man kann über eine Anhebung der untersten Stufe reden, das muss aber nicht sein. Eine stärkere Ausdifferenzierung ist, denke ich, angebracht, wird auch öffentlich gewünscht, aber das muss nicht verbunden werden mit einer Bedingung an eine Heraufsetzung der untersten Stufe.

    Klein: Herr Thomae, nach der doch sehr strikten Ablehnung der Regelungen durch Ihre Partei in den Jahren 2005 und 2006 klingt das jetzt doch nach einem deutlichen Sinneswandel.

    Thomae: Wie gesagt, wir diskutieren das Thema offen und konstruktiv. Es hat sich bei uns ja auch eine erhebliche Diskussion ergeben. Es gibt auch jüngere Abgeordnete, die das zurzeit anders sehen, als das noch vor einigen Jahren der Fall gewesen ist. Grundsätzlich müssen wir uns aber überlegen, was für einen Politikertypus wollen wir eigentlich haben, wollen wir einen Politiker, der ganz von der Politik abhängt, oder einen, der auch noch geerdet ist, der noch weiß, wie die berufliche Wirklichkeit spielt, der noch einen Fuß in der Wirklichkeit hat und weiß, wie schwer das Geld verdient ist. Es sollte auch nicht dazu führen, dass jemand abgeschreckt wird, ein Mandat anzunehmen. Das kann nicht unser Ziel sein. Deswegen diskutieren wir es offen, aber wir sehen auch die berechtigten Interessen der Abgeordneten.

    Klein: Transparenzregeln müssen ja nicht unbedingt der Berufstätigkeit eines Abgeordneten im Wege stehen. Transparency International verweist etwa darauf, dass in Staaten wie Großbritannien und den Niederlanden das längst viel, viel strikter und transparenter geregelt ist als heute, und diese Beispiele würden eben nicht darauf hindeuten, dass nicht mehr Abgeordnete aus freien Berufen etwa sich für den Bundestag bewerben würden.

    Thomae: Das ist richtig. Aber wenn Sie die Tabellen von Transparency International lesen, dann sehen Sie auch, dass Deutschland dort den Platz sechs einnimmt, ohne übrigens die UN-Konvention von 2003 bereits voll umgesetzt zu haben, während andere Länder, die sie umgesetzt haben, nehmen wir mal Russland als abschreckendes Beispiel, Platz 147 einnimmt. Also wir sind schon bei den Top Ten, sodass ich sagen würde, es wäre ein Zerrbild, wenn man es so darstellen würde, dass bei uns eine besondere Intransparenz herrscht. Nein, wir sind durchaus ein Land, in dem eine gewisse Transparenz vorhanden ist. Deswegen diskutieren wir jetzt offen, weil wir auch glauben, dass wir da wenig zu fürchten haben.

    Klein: Aber Transparency verlangt eben auch eine Offenlegung auf Heller und Pfennig. Das ist das, was diese Organisation unter Transparenz versteht. Das lehnen Sie aber nach wie vor ab?

    Thomae: Ich sehe da das Problem, das ich schon geschildert habe: Was ist, wenn zum Beispiel ein Freiberufler gewisse Verschwiegenheitsverpflichtungen gegenüber seinen Mandanten, Klienten, Patienten oder dergleichen hat? Da muss man aufpassen, dass nicht in Kollision mit anderen Regeln gerät und dass das nicht völlig inkompatibel wird mit dem freien Mandat des Abgeordneten. Man muss also schon ausdifferenzieren, was für eine Art von Tätigkeit ist das, man muss auch ausdifferenzieren, sind es Nebeneinkünfte, die aus dem Mandat erwachsen, also wegen der politischen Tätigkeit, nehmen wir Beraterverträge oder Vortragshonorare, die jemand hat, oder sind es Nebeneinkünfte, die jemand trotz des Mandates hat, also etwa aus seinem früheren Beruf heraus, den er vielleicht auch wieder mal einnehmen will. Das sind ja schon unterschiedliche Sachverhalte und verschiedene Dinge muss man auch verschieden behandeln.

    Klein: Herr Thomae, abschließend: Müssen für einen Kanzlerkandidaten da noch mal andere und strengere Regeln gelten, oder reicht das, was Peer Steinbrück gemacht hat, sich nämlich an die Spielregeln und die geltenden Gesetze für Abgeordnete zu halten?

    Thomae: Ich denke, dass die Öffentlichkeit ein höheres Interesse an den Nebeneinkünften von einer Person hat, die sich um ein höchstes Staatsamt bewirbt. Das ist anders als beim normalen Abgeordneten aus dem Wahlkreis, wo die Wähler ganz viele Möglichkeiten haben, sich ein hautnahes persönliches Bild ihres Abgeordneten zu bilden. Übrigens in meinen Gesprächen spielen ganz viele Dinge auch kritisch eine Rolle in Gesprächen mit den Wählern. Die Nebeneinkünfte spielen da gar keine oder eine untergeordnete Rolle. Also da gibt es auch Abstufungen. Momentan kann ich erkennen, dass Herr Steinbrück sich ja auch verändert, dass er anfangs der Meinung war, das, was er gesagt hat, das reicht schon, dass er dann aber sagt, na gut, er ist durchaus bereit, mehr offenzulegen, jetzt geht es ihm um die durchschnittlichen Einkünfte. Also auch da sieht man, dass Herr Steinbrück erkennt, das Thema ist nicht so einfach, wie es vielleicht auf den ersten Blick aussieht.

    Klein: Aber nachdem Ihre Partei ja damals gegen die geltenden Regelungen gestimmt hat, hätte sie sich eigentlich, hätte sich die FDP ja eigentlich schützend vor Herrn Steinbrück stellen müssen, anstatt ihn anzugreifen?

    Thomae: Es ist ja auch nicht so, dass wir Verständnis oder dergleichen fordern. Man muss nur beobachten, die Diskussion ist im Gange und sie ist ganz schön schwierig. Wir sind, ich sage es noch mal, das gilt auch für mich persönlich übrigens, konstruktiv in dieser Diskussion, die Dinge ändern sich auch, die Öffentlichkeit ist heute an mehr Informationen interessiert, das ist auch berechtigt, und wenn jemand sich um ein höchstes Staatsamt bewirbt – das sage ich noch mal -, dann kann man daran etwas höhere Ansprüche anlegen, vor allem dann, wenn jemand selber die Latte schon hochgelegt hat.

    Klein: Wir werden die konkrete Ausgestaltung in den kommenden Wochen und Monaten abwarten. Das war Stephan Thomae, FDP-Bundestagsabgeordneter, Mitglied im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Thomae.

    Thomae: Danke schön, Frau Klein.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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