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Grundsatzentscheidung

Patentrecht. - Das oberste US-Gericht hat gestern Abend die Patente auf zwei brustkrebsauslösende Gene für ungültig erklärt, die sich das Pharma-Unternehmen Myriad Genetics 1998 gesichert hatte. In der Begründung heißt es, menschliches Erbgut sei ein Produkt der Natur und könne deshalb nicht patentiert werden. Der Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth erläutert das Urteil und seine Konsequenzen im Gespräch mit Ralf Krauter.

Volkart Wildermuth im Gespräch mit Ralf Krauter | 14.06.2013
    Krauter: Herr Wildermuth, die Kläger werten dieses Grundsatzurteil des Supreme Courts (PDF)als wichtigen Schritt hin zu mehr Forschungsfreiheit und zu bezahlbaren Innovationen. Jubilieren die zurecht?

    Wildermuth: Ja, Sie haben sicher erst einmal Grund zu jubilieren. Denn auf der ganz grundsätzlichen Ebene, da haben sie tatsächlich Recht bekommen, der Supreme Court hat die Patentierung von Gensequenzen so, wie sie in der Natur vorkommen, verboten. Das Unternehmen Myriad hat zwar argumentiert, wir haben zwar das Gen in der Natur gefunden und patentiert, aber erst durch unsere Forschungsarbeit wurde ja klar, dass das mit Brustkrebs zu tun hat. Und da hat der Supreme Court einstimmig gesagt: Egal wie viel Geld, Fleiß und wissenschaftliche Innovation ein Unternehmen in solche Forschung auch reinsteckt, das Gene selbst können Sie auf die Art nicht patentieren.

    Krauter: Es geht, sagen wir das noch einmal ganz kurz, um die zwei Brustkrebsgene, die auch im Fall der Schauspielerin Angelina Jolie Schlagzeilen machten, vor ein paar Wochen erst. Das Urteil unterscheidet jetzt zwischen natürlichem und künstlich verändertem genetischen Material. Künstlich hergestelltes Erbgut, sagen die Richter darf weiter patentiert werden. Wie groß ist denn die Hintertür, die dadurch jetzt offen bleibt?

    Wildermuth: Riesig, das sagen auch Gentechnikkritiker aus Deutschland. Es ist ja so, Myriad hat verschiedene Patente auf diese Gene, die haben ganz unterschiedliche Punkte. Und dieser Punkt mit der natürlichen Gensequenz, der ist also vom Tisch. Aber meistens wird in den Labor ja nicht mit der Gensequenz an sich gearbeitet, sondern mit Bruchstücken daraus, mit veränderten Frequenzen. Und die kann man alle nach wie vor patentieren. Und Myriad hat in einer Presseerklärung auch gleich gesagt: Wir haben also 500 weitere Ansprüche rund um diesen Test, da geht es um technische Details. Die halten sie weiterhin aufrecht. Insofern ist das schon so, dass der Großteil der Arbeit wahrscheinlich nicht eingeschränkt wird durch diese Art Patente.

    Krauter: Das spannende ist ja, nach der Urteilsverkündung gestern Abend, da stieg der Kurs der Aktie erst, dann fiel er wieder. Die Börsenanalysten tun sich also offenbar schwer, die Folgen dieses Urteils einzuschätzen. Mit welchen Auswirkungen auf die Pharmaforschung ist denn zu rechnen?

    Wildermuth: Ja, das wird wirklich spannend. Also erst einmal, dass Urteil kommt ja wirklich spät. Die Patente laufen sowieso 2015 aus, Myriad hatte also schon Zeit, den Großteil des Gewinns abzuschöpfen. Die haben dank dieses Patents praktisch ein Monopol in den USA. Jetzt wollen verschiedene Unternehmen und auch Universitäten diesen Brustkrebs-Gentest auch anbieten. Aber mal sehen, ob die das wirklich schaffen, in der gleich Qualität und zu einem billigeren Preis anzubieten. Das haben die immer behauptet. Da wird man sehen. In Deutschland gilt dieses Patent in der Form nicht, wurde in der Form nicht durchgesetzt. Da gab es also Konkurrenz, die Preise sind trotzdem nicht billiger. Das ist also erst einmal die Situation, was das Brustkrebsgen betrifft. Man muss aber auch sehen, dass es ein Grundsatzurteil ist, andere medizinische Anwendungen werden wahrscheinlich nicht wirklich betroffen sein, da gibt es einfach nicht so viele konkrete patentierte Gene, wo die Sequenz selber das wichtige ist. Bei Gentherapie zum Beispiel geht es um veränderte Sequenzen, auch in der grünen Gentechnik. Ein interessantes Feld ist die so genannte Weiße Biotechnologie. Da werden also Gene in Bakterien genutzt, um zum Beispiel Waschmittelenzyme herzustellen. Das sind meistens ganz normale Gene. Hier könnten die Patente fallen. Da muss man aber sehr genau das Kleingedruckte lesen.

    Krauter: Sie haben schon gesagt, die Lage in Deutschland und in Europa ist ein bisschen anders. Was wird sich hierzulande ändern durch dieses Urteil jetzt in den USA?

    Wildermuth: Gar nichts, denn der Supreme Court hat in Europa natürlich nicht zu entscheiden. Hier gilt die Biopatent-Richtlinie von 1989. Und da ist es so, dass die Sequenz patentiert werden können, wenn ein konkreter Nutzen dafür da ist. Das ist nach wie vor so, Myriad hat hier Patente, sie haben auch ein Labor in München aufgemacht. Aber die sagen, sie wollen über Qualität und Preis konkurrieren und nicht über Patente.