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Günstige Baukredite
Tickende Zeitbomben?

Baukredite sind ein gut laufendes Geschäft. Die niedrigen Zinsen sind verlockend - doch sie bergen auch Risiken: Viele Kreditnehmer schultern sich etwas auf, das sie in ein paar Jahren vielleicht nicht mehr finanzieren können, warnen Verbraucherschützer.

Von Sina Fröhndrich | 12.11.2015
    Symbolbild Hausbau
    Symbolbild Hausbau (imago/Gerhard Leber)
    Eine Dreizimmerwohnung in Berlin, Prenzlauer Berg. 80 Quadratmeter, gut 900 Euro kalt. Wer diese Wohnung mietet, wirft sein Geld gewissermaßen zum Fenster raus. Wer langfristig etwas von seinem Geld haben will, der kauft. Die Zinsen für Baukredite sind günstig wie lange nicht. Im Durchschnitt liegen sie bei 2 Prozent. Und die Banken geben ihr Kapital freimütig. Die Sparkassen haben im ersten Halbjahr 2015 35 Prozent mehr Immobilienkredite vergeben. Auch die Commerzbank meldete ein Rekordgeschäft für das Frühjahr.
    Aber davon sollte man sich nicht täuschen lassen, sagt Annabel Oelmann von der Verbraucherzentrale NRW. Auch wenn zurzeit gefühlt fast jeder einen Kredit bekommt, nicht jeder könne sich diesen auch leisten.
    "Das Schlimmste, was ich regelmäßig sehe, sind 100-Prozentfinanzierungen. Also die Person hat weder Eigenkapital für die Immobilie, noch kann sie sich tatsächlich den Umzug in die Immobilie oder vielleicht auch die doppelte Miete leisten. Das ist tatsächlich gefährlich. Gerade wenn hier noch eine kurze Zinsbindung hinzukommt, also im schlimmsten Falle, dass man sich die Zinsen nur für fünf Jahre gesichert hat, dann wird spätestens bei der Anschlussfinanzierung meistens die Luft wirklich dünn."
    Auch wenn die niedrigen Zinsen verlockend sind und einige Banken eine 100-Prozent-Finanzierung anbieten: Wer kein Eigenkapital hat, sollte erst einmal sparen, sagt Finanzexpertin Oelmann von der Verbraucherzentrale. 20 bis 30 Prozent Kapital sollte man mitbringen.
    "In aller Regel muss ich diesen Weg erst einmal gehen. Das Problem ist ja, wenn ich vorher keine Möglichkeit hatte anzusparen, dass ich mich erst mal finden muss, wenn ich im ersten Job stehe, ein gutes Gehalt kriege, ich gewöhne mich an diesen Standard sehr schnell. Das heißt für mich, ich muss erst mal austarieren, wie viel kann ich wirklich beiseitelegen, und das sollte ich lieber damit ausprobieren – dass ich mal zwei bis drei Jahre versuche Geld beiseitezulegen als gleich eine Baufinanzierung, wo ich gar nicht sicher bin, ob ich mir diese Rate wirklich leisten kann."
    Von alternativen Finanzierungsmodellen wird abgeraten
    Allerdings: Die Deutschen sind konservativ, nur wenige nehmen einen Kredit ohne Eigenkapital auf. Und auch Banken bestehen oft darauf l oder lassen sich die 100-Prozentfinanzierung einiges kosten, sagt Dirk Eilinghoff vom Onlineverbraucherdienst finanztip. Er sieht eine andere Gefahr: die Zinsbindung.
    "Nicht, dass es einen Unterschied zwischen der Laufzeit des Darlehens und der Zinsbindungsfrist gibt, nach zehn, fünfzehn Jahren muss ich den Zins neu verhandeln, und wenn die insgesamt gestiegen sind, dann steigt auch meine Rate, das ist eine der Gefahren, die mit dem Immobilienboom auf uns zukommen."
    Es ist das Spiel mit der Zeit. Noch sind die Zinsen niedrig, aber das wird sich vermutlich ändern und niemand weiß, wie viel er in 15 Jahren verdient, ob er erbt, ob er Teilzeit arbeitet. Wird die Tilgungsrate irgendwann höher, kann der Kredit zur tickenden Zeitbombe werden. Verbraucherschützer empfehlen deswegen eine lange Zinsbindung, doch die lassen sich die Banken auch etwas kosten.
    Von alternativen Finanzierungsmodellen – etwa mithilfe einer Lebensversicherung wie es früher üblich war, davon raten Verbraucherschützer ab. Das komme auch nur noch selten vor. Es gebe aber einige Altfälle. Bei denen wird in den nächsten Jahren die Schlussrate für ihre Immobilie fällig. Die Lebensversicherung, dafür gedacht, reicht vermutlich kaum aus.
    Wer sich überschätzt, sitzt schnell in der Kreditfalle
    Wer heute ein Haus baut, entscheidet sich meist für einen Kredit – und wer den möchte, der sollte vergleichen. Mehrere Banken ansprechen, vielleicht auch einen Vermittler, rät Finanzexperte Dirk Eilinghoff. Und man sollte sich fragen:
    "Wie viel Wohnung ich letztlich haben möchte, bei den durchschnittlichen Anschaffungskosten von 3000 bis 3500 Euro pro Quadratmeter macht das schon mal viel aus, ob ich zehn Quadratmeter mehr oder weniger hab, da hab ich schon die ersten 30.000 Euro. Dann nicht nur die Kaltmiete mit der Rate vergleichen, sondern schauen, wie lange habe ich Zeit, den Kredit abzuzahlen. Wenn ich 35, 40 bin, hab ich bis 65, 67 nur 25 Jahre Zeit etwa, dann muss ich die gesamte Finanzierung darauf abstimmen, das unterbleibt sehr oft."
    Verbraucherschützer weisen darauf hin: Nur wer seine finanzielle Situation genau überblickt, weiß auch, ob er sich einen Baukredit wirklich leisten kann.
    Wer sich überschätzt, sitzt schnell in der Kreditfalle. Und muss den Vertrag schließlich, gegen eine Gebühr, kündigen. Das ist in etwa 5 bis 20 Prozent der Fall, so der Bundesverband der Verbraucherzentralen. Gründe sind Scheidung, Insolvenz oder ein Todesfall.
    Beim Kredit also lieber auf Nummer sicher gehen – sonst wird aus dem Traum Immobilie schnell ein Albtraum.