Dienstag, 19. März 2024

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Gunther Latsch (Der Spiegel) zur WM-Affäre
"Man hat halt einfach nichts anbrennen lassen"

In der Affäre um die Fußball-WM 2006 in Deutschland soll es einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" zufolge eine weitere fragwürdige Zahlung gegeben haben. Im Mittelpunkt: das Medienunternehmen Kirch, das damals die TV-Rechte für die WM hatte. Es hatte ein großes Interesse, dass das Turnier in Deutschland stattfindet.

Gunther Latsch im Gespräch mit Bastian Rudde | 24.03.2017
    Fedor Radmann neben dem ehemaligen DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach
    Der Beckenbauer-Vertraute Fedor Radmann (links) warb für die Weltmeisterschaft in Deutschland. (Imago Sportfoto)
    Bastian Rudde: Normalerweise gehört zum Wesen einer Affäre, dass sie irgendwann aufhört. Die Affäre rund um die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland, die geht allerdings immer weiter. Aufgedeckt hatte sie vor etwa anderthalb Jahren das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Der legt jetzt nach und schreibt von einem weiteren Millionenbetrag, der mutmaßlich geflossen sei, um Stimmen für die deutsche Bewerbung zu kaufen. Am Telefon dazu: Gunther Latsch aus dem Investigativ-Team des Spiegel. Guten Abend!
    Gunther Latsch: Guten Abend!
    Bastian Rudde: Herr Latsch, es geht um eine Million Euro, die ihrem Bericht zufolge aus dem Konzern des damaligen deutschen Medienunternehmers Leo Kirch an einen Libanesen namens Elias Zaccour fließen sollte. Was macht sie sicher, dass dieser Betrag mit Stimmenkauf in Zusammenhang steht?
    Gunther Latsch: Also es waren zunächst mal zwei Millionen Euro und der Kontext, in dem diese Überweisung stattfand, ist mehr als verdächtigt. Zaccour hat einen Vertrag bekommen für diese zwei Millionen Euro über Beratungen im Filmgeschäft. Der Mann hatte aber überhaupt keine Ahnung vom Film und war auch im Filmbusiness nie unterwegs. Er war aber ein enger Vertrauter des brasilianischen Fußball- und Fifa-Funktionärs Texeira und ein guter Freund und Bekannter und auch - wie gesagt - ein enger Vertrauter von Mohamed bin Hammam und Jack Warner. Beide mittlerweile wegen Korruption lebenslang von der Fifa gesperrt.

    "Folgende Leute brauchen einen Vertrag"

    Bastian Rudde: Ist das ein Beleg für Stimmenkauf Ihrer Einschätzung nach?
    Gunther Latsch: Wenn Sie diesen Zeitpunkt ansehen, in dem dieser Vertrag gemacht wurde – wir sind im Juni 2000. Also ganz kurz vor der Abstimmung über die Vergabe der WM, bei der dann Deutschland den Zuschlag bekam. Und am 23. Juni geht jetzt dieser Vertrag von Kirch raus an Herrn Zaccour. Eingefädelt, und das ist ein weiteres Indiz dafür, dass es um Stimmenkauf ging, von Fedor Radmann, dem Beckenbauer-Freund und der rechten Hand von Beckenbauer im WM-Organisationskomitee. Und es gab einen Begleitbrief aus dem Kirch-Imperium, in dem ein Manager, ein für Kirch arbeitender Anwalt anwies, in dem stand: Fedor Radmann hat angerufen, folgende Leute brauchen einen Vertrag. Und dann wird eine Reihe von Leuten gelistet. Allesamt Wahlmänner der Fifa. Und unter anderem eben auch Zaccour, der kein Wahlmann der Fifa war, aber zu Wahlmännern der Fifa beste Kontakte hatte. Und das ist schon vom Kontext her mehr als verdächtigt.
    Bastian Rudde: Aber nachweisen, dass dieses Geld geflossen ist, kann man nicht.
    Gunther Latsch: Doch. Das Geld ist geflossen. Ich meine, wir haben ja den Kirchmanager und Radman konfrontiert mit den ganzen Geschichten. Und da haben beide sehr, sehr ausweichend geantwortet. Nicht dementiert. Herr Hahn, das ist der Kirchmanager, hat gesagt: ein 17 Jahre zurückliegender Vorgang sei ihm nicht mehr erinnerlich. Und Radman hat gesagt: zu dem Vorgang äußere er sich überhaupt nicht. Er hat den Vorgang weder bestritten, noch irgendwie Anmerkungen dazu gemacht. Das ist schon mehr als ein Geständnis, wie ich finde. Es gab zwei Verträge. Neu ist der zweite, den wir jetzt aufgedeckt haben. Es gab 2003 schon einen Bericht, in dem dieser erste Vertrag, in dem eine Million nachweislich auch geflossen ist, schon eine Rolle spielte. Und auf diese Zahlung wird auch angespielt in dem neuen Vertrag, weil man sagt: eine Million ist schon gezahlt worden, die zweite Million ist zahlbar innerhalb von zehn Arbeitstagen nach Abschluss des Vertrages und soll auf dasselbe Konto in Luxemburg gezahlt werden. Was ebenfalls verdächtigt ist: der früheste Termin, an dem dieses Geld gezahlt werden konnte, war der 7. Juli. Der Tag nach der Wahl Deutschlands als Austragungsort der WM.
    Bastian Rudde: Also beide Millionen, die dann zusammen zwei Millionen ausmachen, sind tatsächlich auch geflossen und sind nicht nur vereinbart worden.
    Gunther Latsch: Wir wissen, dass die zweite vereinbart war. Die erste ist geflossen. Das ist definitiv. Aber wie gesagt: wir haben, was die Zahlung angeht, sowohl Kirch (Anmerkung der Redaktion: den Kirch-Manager) als auch Radmann konfrontiert und die haben beide nicht dementiert, sondern nur gesagt: sie äußern sich nicht dazu.
    Bastian Rudde: Jetzt gibt es die 6,7 Millionen Euro-Zahlung. Das war die Zahlung, um die es vorwiegend in Ihrer ersten Geschichte im Oktober 2015 geht. Dann gab es den Vertrag mit Jack Warner. Und jetzt diese neue Entwicklung. Was ist denn Ihrer Meinung nach die stärkste Spur, von diesen drei Spuren, die es gibt?
    Gunther Latsch: Ich glaube, die Spuren zusammen sind das stärkste Bild. Es gab verschiedene Wege. Man musste verschiedene Leute absichern, beziehungsweise mit Geld versorgen. Und da hat man halt einfach nichts anbrennen lassen. Es gab auch verschiedene Interessengruppen. Kirch’s Interesse, der ja die Fernsehrechte für 2006 hatte, war eine WM in Deutschland. Man hatte im Konzern ausgerechnet, dass die ungefähr eine halbe Milliarde Euro mehr in die Kassen des Kirch-Konzerns bringen würde als eine WM in Südafrika. Weil man mehr Werbung verkaufen kann, weil das in Deutschland attraktiver ist und man einfach mehr Geld damit machen kann. Deshalb hatte Kirch ein großes Interesse am Zuschlag dieser WM als Company. Fedor Radmann war mit Beckenbauer unterwegs und hat natürlich auch für den DFB diese WM an Land ziehen wollen. Er hatte aber zu dieser Zeit auch, was damals noch nicht bekannt war, einen Beratervertrag mit Kirch. Der trug also auf zwei Schultern und hat das dann auch sehr schön kombiniert, wie es jetzt aussieht. Und der DFB ist dann seinerseits wieder über Beckenbauer und diese 6,7 Millionen Euro den Weg gegangen und die flossen, wie man mittlerweile weiß, zu Mohamed bin Hammam.
    "Der ganze Freshfields-Bericht ist voller merkwürdiger Handlungen"

    Bastian Rudde: Nachdem Ihre Recherche Ende 2015 bekannt wurde, hat der DFB die Kanzlei Freshfields mit einer Untersuchung beauftragt. Da war ein zentrales Ergebnis: kein Beleg für Stimmenkauf zu finden. Jetzt stellen Sie in Ihrer aktuellen Ausgabe die Frage: hat Freshfields ein Gefälligkeitsgutachten geliefert? Wie lautet denn Ihre Antwort?
    Gunther Latsch: Da muss man ein bisschen auf das Wording achten. "Beleg" ist ja so ein Begriff, der gerne vom DFB dann auch als "Beweis" so ähnlich wie eine DNA-Spur bei einem Mordfall verwandt wird. Der ganze Freshfields-Bericht ist voller merkwürdiger und korruptiver Handlungen. Es gibt hunderte von Indizien, dass im Vorfeld der WM jeder bedient werden soll: der afrikanische Fußballfunktionär, Jack Warner im Besonderen. Und all diese Beweise sind dann nachher angeblich kein Beleg. Es gibt ja auch Prozesse vor Gericht, in denen sind Indizienketten entscheidend. Und hier haben wir eine so dichte Indizienkette, dass selbst ohne einen letzten "DNA-Beweis" wirklich wenig Zweifel möglich sind. Zumal auch niemand vor dem Freshfields-Bericht – und das ist der Verdienst dieses Berichts – geglaubt hätte, dass es beweisbar wäre, dass das Geld tatsächlich bei Mohammed Bin Hammam landet. Einem der korruptesten Funktionäre, die die Fifa je hatte.
    Bastian Rudde: Gunther Latsch, war das, vom Spiegel, zu den neuen Entwicklungen. Es geht um eine Millionenzahlung von Elias Zaccour über den damaligen Medienunternehmer Leo Kirch. Vielen Dank für das Gespräch.
    Gunther Latsch: Gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.