Freitag, 19. April 2024

Archiv

Gunther von Hagens
Plastinarium konserviert weltweit erstes Blauwalherz

In Gunther von Hagens umstrittenen Plastinarium in Guben findet derzeit eine Weltpremiere statt: Die Mitarbeiter konservieren erstmals das Herz eines Blauwales. Von Hagens Labor ist das einzige weltweit, das derart große Präparate bearbeiten kann. Auftraggeber ist das Royal Ontario Museum im kanadischen Toronto.

Von Vanja Budde | 04.04.2017
    Gunther von Hagens (M) sitzt mit seiner Ehefrau Angelina Whalley und seinem Sohn Rurik von Hagens am 17.11.2016 vor einem plastinierten Löwen der gerade ein Oryx reißt in einer Ausstellung des Gubener Plastinariums in Guben (Brandenburg). Am selben Tag wurde das 10-jährige Bestehen des Gubener Plastinariums gefeiert.
    Das Gubener Plastinarium von Gunther von Hagens besteht inzwischen mehr als zehn Jahre. (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Der Weg zum Herz des größten Säugetieres, das jemals auf der Erde gelebt hat, führt durch die Ausstellung "Plastinarium", die die Geschichte von Anatomie und Plastination zeigt. Seit 2006 werden in dieser ehemaligen Tuchfabrik Schädel gesprengt und Wirbelsäulen frei gelegt. Und das nicht etwa hinter verschlossenen Türen, erzählt Gunther von Hagens Sohn Rurik, der seit 2011 die Firma leitet, weil sein Vater an Parkinson erkrankt ist.
    Die Präparatoren arbeiten mit Skalpellen, Messerchen und Schabern hinter Glaswänden. Wer möchte, kann ihnen beim Präparieren der Leichen, die das Plastinarium als Körperspenden bekommt, über die Schulter schauen.
    Ein paar Meter weiter montiert Isabelle Bergmann einen bereits fertig präparierten Jaguar in eine aufrechte Kampf-Position. Zahllose Nadeln halten das plastinierte Tier auf den Hinterbeinen. Isabelle Bergmann hat auch an dem Blauwalherz mitgearbeitet. Dieses Aufrichten sei bei dem Riesenorgan die größte Herausforderung gewesen.
    "Die Herzwände sind nur zehn Zentimeter dick und da ist es natürlich relativ schwierig, da die Stabilität reinzukriegen."
    Das Herz des Blauwals sei das größte Herz überhaupt, sagt Bergmann. Die Arbeit daran habe ihr die Ausmaße des Tieres vor Augen geführt: Ein Blauwal, zumal eine Kuh, kann mehr als 30 Meter lang und 200 Tonnen schwer werden.
    "Wenn man das vergleicht: Die Aorta ist bei uns ungefähr daumendick. Bei dem Walherz hat sie ungefähr 30, 40 Zentimeter Durchmesser. Wenn man das im Verhältnis sieht, ist das schon enorm."
    Die Walkuh, deren 200 Kilo schweres Herz hier im Plastinarium präpariert wird, war etwa 30 Jahre alt, als sie vor der Küste Kanadas vom Eis zerdrückt wurde. Sie war 24 Meter lang und 90 Tonnen schwer.
    Erschreckende Postsendung
    Draußen im Hof stehen große Vakuum-Kammern und Tanks, in denen das Plastinarium auch schon ganze Elefanten, Kamele und Löwen konserviert hat. Beim Auspacken der Sendung aus Kanada erschraken die Mitarbeiter, sagt Rurik von Hagens: Das in Formalin eingelegte Walherz war zusammen gefallen und platt wie ein Pfannkuchen.
    "Das ist der Vakuum-Tank, in dem das Blauwalherz war. Und deswegen auch das Ganze Gerüst drum herum, damit man die entsprechende Zugänglichkeit hatte."
    In dem Tank wurde das Herz in einem monatelangen Prozess mit Azeton entwässert, entfettet und später in einem Silikonbad imprägniert. Denn das Prinzip der Plastination ist, Wasser und das lösliche Fett in den Zellen mit Kunststoffen zu ersetzen.
    "Die Entwässerung und Entfettung hat extrem lange gedauert. Und jetzt kommen wir zur Härtung, und genau gestern ist das Präparat aus der Härtung herausgekommen. Hier ist es.
    Und ja, wenn man das mit einem menschlichen Herz vergleicht, was ungefähr so faustgroß ist – es ist ungefähr so groß, wie ich bin. Und ich bin 1,90. Ja, hier haben wir es."
    Faszinierende Einblicke
    Blass beige ruht das Herz der Blauwalin auf einer Holzpalette, in die Venen und Arterien wurde blaue und rote Farbe injiziert, das wollte das kanadische Museum so, sagt Rurik von Hagens und klopft mit den Fingerknöcheln an das Präparat, in dem bequem zwei Menschen stehen könnten.
    Die Öffnung der Hauptschlagader ist groß wie eine Autoreifenfelge. Durch sie kann man ins Innere der Herzkammern schauen.
    "Die haben wir einmal geöffnet, dass man hier auch tatsächlich die Muskeln sehen kann, also hier sind die Herzklappen, wie die dann zusammengezogen sind, kann man von der anderen Seite auch sehr schön sehen, wie hier die Muskeln sich zusammenziehen, um zu pumpen."
    Und wie sie gepumpt haben: Das Herz eines Blauwals schlägt zwar nur zwei bis sechs Mal pro Minute, dafür werden mit jedem Herzschlag bis zu 350 Liter Blut in die Herzkammern gepumpt.
    Danilo Reich steht mit hellblauen Gummihandschuhen vor dem Plastinat und kratzt vorsichtig mit einem Skalpell daran herum.
    "Also das Herz ist bereits fertig gehärtet und jetzt beginnt die Nacharbeit. Diese Laufnasen von dem Silikon, das muss komplett runter, auch die Stellen, die jetzt stärker glänzen, und dann sieht es im Prinzip aus, als wenn gar kein Silikon drin wäre.
    Die Schnittkanten werden alle noch mal nachgeschnitten, dass sie schön sauber aussehen, und dann ist das Präparat so weit fertig."
    Plastinieren für den Artenschutz
    Ende April soll es auf die Reise nach Toronto gehen, um künftig im Zentrum der neuen Wal-Ausstellung des Royal Ontario Museum zu stehen. Danilo Reich ist von Haus aus Zahntechniker. Er hofft, dass der faszinierende Anblick hilft, die majestätischen Blauwale vor dem Aussterben zu schützen.
    "So was hat es bis jetzt auf der Welt noch nicht gegeben, dass ein Blauwalherz plastiniert wurde. Von daher ist die Arbeit an dem Präparat einzigartig."