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Gut gedüngte Forschung?

Der Baseler Agrarkonzern Syngenta, der Düngemittel und Pestizide herstellt und mit gentechnisch veränderten Nutzpflanzen experimentiert, will eine Professur für nachhaltige Agrarökosysteme finanzieren. Eingerichtet werden soll sie an der renommierten Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Kritiker fürchten um die Unabhängigkeit der Forschung zu neuen Agrartechniken.

Von Thomas Wagner | 16.03.2012
    Francois Meienberg, "Erklärung von Bern", eine Schweizer Organisation für Ökologie und Nachhaltigkeit:

    " Die Syngenta als größter Pestizidproduzent weltweit vertritt natürlich eine ganz spezifische Meinung in diesem Feld. Sie wollen weiter Pestizide verkaufen." "

    Dagegen sagt Achim Walter, Professor am Institut für Agrarwissenschaften der ETH Zürich.

    "Aus meiner Sicht ist diese Professur eine völlig freie Forschungsprofessur, die ihre Ziele selbst definiert. Und die Syngenta hat hier in keiner Weise versucht, inhaltlich darauf Einfluss zu nehmen, "

    Walter, Experte für Kulturpflanzenwissenschaften, soll demnächst einen Kollegen bekommen - und genau das entwickelt sich zum Streitpunkt: Denn die geplante Professur für nachhaltige Agrar-Ökosysteme wird vom Basler Agrarkonzern Syngenta mit zwölf Millionen Franken finanziert. Während Achim Walter seine Hand für die Unabhängigkeit der neuen Professur ins Feuer legt, befürchtet Francois Meienberg von der "Erklärung von Bern" eine Forcierung jener Agrarforschung, die in der Tradition der "Grünen Revolution" steht. Der Begriff stammt aus den 60er-Jahren. Damals versuchten Agrarexperten, mit einem maximalen Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln ein Maximum an Agrarerträgen zu erzielen. Und dies sei längst nicht mehr zeitgemäß, glaubt Meienberg.

    ""Das heißt: Wir dürfen die Böden nicht länger auslaugen. Wir brauchen eine Landwirtschaft, die auch noch in 100 Jahren so weiter gehen kann."

    Francois Meienberg von der "Erklärung von Bern" zweifelt, ob Biotechnologie und biologischer Landbau gleichrangig beurteilt werden können, wenn hinter der Professur mit Syngenta ein großer Agrarkonzern steht:

    "Die ganze Entwicklung von Gentechnik ist bis heute privatwirtschaftlich betrieben, von Unternehmen wie Syngenta oder Monsanto. Und deshalb ist es in diesem Bereich besonders wichtig, dass wir eine unabhängige Forschung haben, die die Auswirkungen untersuchen kann."

    Eine solche Einflussnahme auf ihre Agrarforschung weist die ETH allerdings zurück. Gerade die an der ETH forcierte ‚Effizienz-Produktion' verfolge Ziele, von denen kaum ein Agrarkonzern profitiere. So müsse man in den so genannten "Dürreländern" auf dem afrikanischen Kontinent über eine Änderung der Anbaukulturen nachdenken, fordert Agrarforscher Achim Walter:

    "Vielleicht ist es keine gute Idee, Weizen und Mais, die von ihren natürlichen Voraussetzungen her für Klimasituationen wie den unsrigen geschaffen sind, in Gegenden anzubauen, in denen es einfach weniger regnet, in denen Böden anders strukturiert sind. Vielleicht sollte man dort eher darauf schauen, was sich dort im Laufe der Evolution herausgebildet hat und diese Systeme weiterentwickeln: Kassava, Maniok könnte da ein Beispiel sein, auch intelligente Agro-Forst-Systeme, bei dem einjährige landwirtschaftliche Nutzpflanzen mit Bäumen vergesellschaftet werden, die Schatten spenden, die für eine gleichmäßige Wasserzufuhr sorgen könnten."

    Mehr Interesse könnten Agrarkonzerne aber an der so genannten "pfluglosen Landwirtschaft" haben, auch bekannt unter dem Fachbegriff "Conversation Agriculture". Dabei werden die Böden nicht mit einem Pflug aufgebrochen und umgegraben. Vorteil: Das im Boden enthaltene Wasser bleibt länger erhalten; die Gefahr der Bodenerosion verringert sich. Aber, so Francois Meienberg von der "Erklärung von Bern":

    "Es kann gut sein, dass man das mit einem Großeinsatz von Herbiziden, von Unkrautvertilgungsmitteln macht. Und das wäre wieder im Sinne von Syngenta, das solche Mittel herstellt und verkauft. Aber man kann auch biologischen Landbau pfluglos betreiben."

    Das genau stellt Agrarforscher Achim Walter aber infrage: Denn alleine durch den Prozess des Pflügens würden Unkräuter und Pflanzenschädlinge vertilgt. Fällt das Pflügen weg, entfällt auch diese Schutzwirkung.

    "Deswegen geht dieses Conservation-Agriculture-Verfahren, das den Boden konserviert, weil es den Boden eben nicht wendet, nicht Hand in Hand mit den Prinzipien der organischen Landwirtschaft. Deshalb ist es schwierig, diese eigentliche sehr bodenschonende Arbeitsweise im organischen Landbau zu verwirklichen. Doch auch daran wird geforscht."

    Wie auch an Projekten, die Bauern den Verkauf von CO2-Zertifikaten ermöglichen. Im Gegenzug müssten sie Kulturen anpflanzen, die CO2 an sich binden und so die Klimaerwärmung bekämpfen. Die Weltbank hat ein entsprechendes Projekt in Kenia auf den Weg gebracht. Doch Francois Meienberg sieht das kritisch:

    "Meiner Meinung ist das wichtigste Ziel der Landwirtschaft, die Menschheit zu ernähren. Und das kann nicht mehr gewährleistet werden durch die Herstellung von Treibstoffen oder das Pflanzen von Bäumen, um CO2 zu binden. Und deshalb würde ich zurückhaltend sein mit Forschung, um diese anderen Nutzen der Landwirtschaft, sei es Agrotreibstoff , sei es CO2-Bindung, weiter zu fördern."

    Und auch hier widerspricht der Agrarwissenschaftler Walter:

    "Man verlagert Kohlenstoff von der Atmosphäre wieder in den Boden hinein. Über diesen Zertifikatehandel möchte man einen Anreiz schaffen, um solche Anbaumaßnahmen zu fördern, die letztlich den Treibhauseffekt minimieren."