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Guter Rat ist doch nicht teuer

Hochschulräte bilden die neue Aufsichtsetage an den Hochschulen und sind mittlerweile bis auf Brandenburg und Bremen bundesweit eingeführt worden. Nicht ohne Kritik. Eine neue Studie der Ruhr-Universität Bochum hat in Kooperation mit IG Metall und der Hans-Böckler-Stiftung Struktur und Arbeitsweisen der neuen Gremien im deutschsprachigen Raum untersucht und weist die Bedenken zurück.

Von Grit Thümmel | 12.02.2008
    "Dahinter steckte die These, wer Geld hat, kauft sich Entscheidungskompetenz, das haben wir getestet und das bestätigt sich nicht"

    Professor Jörg Bogumil ist Politikwissenschafter an der Ruhr-Universität Bochum und hat die neue Studie gemeinsam mit Soziologie-Professor Rolf Heinze durchgeführt. Sie sehen keinen direkten Zusammenhang zwischen Fördermitteln und der Besetzung von Hochschulräten, obwohl die Manager mit rund einem Drittel die zweitgrößte Gruppe der externen Ratsmitglieder darstellen. Wie die Studie zeigt, haben die neuen Gremien mit ausschließlich externer Besetzung tendenziell die wenigsten Kompetenzen. Was ein Hochschulrat aus seinen formalen Kompetenzen macht, hängt laut Jörg Bogumil stark von seiner Arbeitsweise ab.

    "Im Durchschnitt trifft er sich vier Mal im Jahr und tagt dann vier Stunden. Das zeigt, dass das nicht allzu viel Zeit ist, um sich mit Details in der Universität zu beschäftigen. Also offenbar geht es dort wirklich nur um Grundsatzentscheidungen. In der Regel werden diese Sitzungen vom Rektorat vorbereitet, die Hochschulräte haben keine eigenen Stäbe, so dass sie in vorbereitete Sitzungen des Rektorats kommen."

    Für Jörg Bogumil ein Indikator dafür, dass die neue Machtfigur an den Hochschulen nicht der Hochschulrat, sondern das Rektorat ist.

    Wie sehr sich die Mitglieder in der neuen Aufsichtsetage einmischen können, hängt davon ab, was der Gesetzgeber vorgesehen hat. Baden-Württemberg ist das Land, das dem Hochschulrat formal die meisten Kompetenzen einräumt - er darf beispielsweise den Rektor wählen oder über die Mittelverteilung entscheiden.

    Gleichzeitig lässt das Gesetz den Hochschulen Freiheiten bei der Ausgestaltung. So ist es möglich, dass Christin Gumbinger als studentische Vertreterin im Hochschulrat der Universität Tübingen sitzt. Sie ist ein Exot unter den Hochschulratsmitgliedern: In vielen Bundesländern ist es auf Grund der Gesetzeslage gar nicht möglich, studentische Vertretungen im Hochschulrat zu etablieren. Trotz ihrer Stimme im Aufsichtsrat der Universität findet sie es schwierig, studentische Interessen gegenüber Professoren und Managern durchzusetzen.

    "Das haben wir gesehen bei der Vergabe der Studiengebühren. Die dürfen laut Gesetz nur in die Lehre fließen in Baden-Württemberg. Der Hochschulrat in Tübingen hat aber beschlossen, dass zwei Millionen Euro aus den Studiengebühren in Heizkosten fließen sollen und das wurde da in der Sitzung auch explizit so gesagt. Ich hab mich dagegen verwehrt und wurde trotzdem überstimmt und im Protokoll fehlt der Passus natürlich."

    Auch die Gewerkschafter sind mit gerade Mal drei Prozent im neuen Steuerungsinstrument der Hochschulen kaum vertreten. Eine Ausnahme stellt Berlin dar: Im Stadtstaat ist die Beteiligung von Gewerkschaftern im Hochschulgesetz festgeschrieben. Aber nur unter Vorbehalt, denn eine Erprobungsklausel ermöglicht es, dieses Gremium ruhen zu lassen, um neue Modelle auszuprobieren. Michael Martin von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ist Mitglied in solch einem ruhenden Hochschulrat an der Freien Universität Berlin.

    "Das ist aus meiner Sicht eine Alibifunktion. Ich bin da zwar benannt, ich bin da für zwei Jahre drin, dieses Gremium hat noch nie getagt. Ich habe von der Freien Universität noch nie ein Anschreiben bekommen: "Herzlich Willkommen im Kuratorium" oder sonst irgendwas und es ist auch nicht zu erwarten, dass das Kuratorium tagt."

    Michael Martin und seine Gewerkschaftskollegen bemängeln, durch das Erprobungskonzept faktisch aus der aktiven Arbeit des Hochschulrats ausgeschlossen zu sein. Auf die Gründe für die extrem geringe Berufung von Gewerkschaftern will und kann die Bochumer Studie keine Rückschlüsse ziehen. Um Einzelfälle besser bewerten zu können, sollen nun Fallstudien folgen.

    "Gibt es in der Realität und Praxis wirklich Fälle, wo Hochschulräte aktiv eingreifen? Kommt es unter der Beteiligung von Hochschulräten zu mehr Wettbewerb zwischen Universitäten? Wie wirkt der sich aus? Solche Fragen wollen wir beantworten, die sich nicht nur um Hochschulräte kümmern, sondern um das Zusammenspiel zwischen starken Rektoraten, leistungsorientierter Mittelverteilung und Hochschulräten. Wie verändert das die Hochschulen?"

    Die anfängliche Euphorie um die Wirkung der Hochschulräte scheint sich relativiert zu haben. Auf einer Tagung wollen Wissenschaftler und Praktiker heute Nachmittag an der Ruhr-Universität Bochum über die Ergebnisse der neuen Studie diskutieren.