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Guttenbergs Comeback
Nur Gerüchte?

"Glänzend, talentiert, international erfahren": So sieht CSU-Chef Horst Seehofer seinen Parteifreund Karl-Theodor zu Guttenberg - und könnte sich eine politische Zukunft für den Ex-Verteidigungsminister vorstellen. Der spielt mögliche Ambitionen herunter, engagiert sich aber medienwirksam im Wahlkampf.

Von Michael Watzke | 25.07.2017
    Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und der CSU-Parteivorsitzende Horst Seehofer unterhalten sich am Mittwoch (05.01.2011) zu Beginn der CSU-Klausurtagung in Wildbad Kreuth am Tegernsee (Oberbayern).
    Schon damals stimmte die Chemie zwischen Karl-Theodor zu Guttenberg und Horst Seehofer - wie hier bei einer CSU-Klausurtagung 2011 in Wildbad Kreuth am Tegernsee (Oberbayern). (dpa / Peter Kneffel)
    Wenn CSU-Chef Horst Seehofer in Bayern unterwegs ist, dann spielt die Wahlkampfregie neuerdings dröhnende Fanfaren ein. Das erinnert eher an die Ankunft eines mittelalterlichen Fürsten und passt so gar nicht zu den leisen Tönen, die Seehofer derzeit anschlägt. In seinen Wahlkampfreden lässt der CSU-Chef zum Beispiel das Reizwort "Obergrenze" weg und fordert stattdessen ...
    "... dass wir die Zuwanderung begrenzen. Ohne Begrenzung der Zuwanderung ist die Integration nicht zu schaffen."
    Wahlhelfer mit politischer Zukunft?
    Da würde selbst die Kanzlerin nicht widersprechen. Seehofer ist derzeit auf Samtpfoten unterwegs. Nur für einen trommelt er mit voller Lautstärke: Karl-Theodor zu Guttenberg:
    "Ich bin dem Karl-Theodor sehr dankbar, dass er ein Teil unserer Mannschaft ist. Ein glänzender, talentierter, guter, international erfahrener Politiker. Der wird uns jetzt im Bundestagswahlkampf bei Veranstaltungen unterstützen. Und dann wird man zu entscheiden haben - mit ihm! - wie es mit ihm politisch weitergeht."
    Im Publikum sehen viele CSU-Wähler die politische Zukunft des Herrn Baron rosig:
    "Ich fänd‘ das nicht schlecht. Guttenberg war eine starke Figur. Mit dem Plagiat, das verjährt irgendwann. Er wäre sicherlich eine Bereicherung!" / "Er war ja damals ein guter Mann. Wenn er zurückkäme, wäre das kein schlechter Entschluss. Weil er bewiesen hat, dass er mit der bayerischen Bevölkerung gut umgehen kann." / "Allerdings glaube ich nicht, dass Herr Seehofer mit Guttenberg noch den Söder als Nachfolger um den Ministerpräsidentenposten verhindern kann."
    Womit wir schon bei jenem Kontrahenten wären, der genervt mit den Augen rollt, wenn man ihn auf den fränkischen Freiherrn anspricht. Bayerns Finanzminister Markus Söder sagt:
    "Aus meiner Sicht spielt er für die aktuellen Herausforderungen ... äh ..."
    ... keine große Rolle - hätte Söder fast gesagt. Um dann gerade noch die Kurve zu kriegen:
    "Er will mithelfen? Ich finde das okay, das soll man weder geringschätzen noch überschätzen. Ich habe damit kein Problem. Wenn jemand mithelfen will, uns zu stärken, ist das jederzeit willkommen."
    Viel mediale Aufmerksamkeit
    Aber dass dieser "Jemand" am Wochenende in fast allen großen Zeitungen mit riesigen Geschichten über die Rückkehr des verlorenen Sohns gewürdigt wurde - das hat Söder schon gewurmt. Spiegel, Welt am Sonntag, Münchner Merkur - die Süddeutsche widmete zu Guttenberg gar eine ganze Seite-3-Reportage, ohne wirklich etwas substanziell Neues zu berichten. Außer, dass Guttenberg in den nächsten zwei Monaten sieben Wahlkampf-Auftritte in Bayern absolvieren wird. Und dass er seine politischen Ambitionen immer gerade so dementiere, dass ein Türchen offenbleibt. Und Seehofer öffnet den Türspalt jedes Mal ein wenig mehr. Er würde Guttenberg gerne in Berlin sehen, sagte der CSU-Chef der "Welt am Sonntag". Und dass KT im Wahlkampf hilft ...
    "... das halte ich für ein sehr nobles Angebot. Er strebt ja keine Position an, sondern will seiner Familie helfen. Seiner CSU."
    Mandat für den verlorenen Sohn?
    Seiner CSU-Familie. Viel mehr Liebe geht bei Seehofer nicht. Guttenberg solle sich "Schritt für Schritt wieder bei uns einfädeln". Aus der CSU-Landesleitung heißt es, das könne zum Beispiel ein Staatssekretärposten sein. Vorausgesetzt, die Union gewinnt die Wahl. CSU-Chef Seehofer soll nicht mal ausschließen, dem früheren Verteidigungsminister mittelfristig wieder ein eigenes Ressort anzuvertrauen. In der CSU hält sich die Begeisterung darüber allerdings in Grenzen. Der Landtags-Abgeordnete Alexander König beispielsweise, dessen oberfränkischer Wahlkreis an die Kulmbacher Heimatregion Guttenbergs grenzt, schüttelt den Kopf. König findet, dass eine Bundestagswahl von Bundestagskandidaten gewonnen oder verloren wird.
    "Mir ist nicht bekannt, dass der Karl-Theodor Interesse hätte oder bereit wäre, für ein Mandat zu kandidieren. Außerdem werden Wahlen geprägt von Programmen. Und am Ende, wenn wir ehrlich sind: Welche Wirkung hat das, wenn Nicht-Kandidaten zu Dingen sprechen? Eigentlich nur geringe."
    In der CSU glauben viele zu wissen, warum Seehofer Guttenberg wie einen verlorenen Sohn zurückholt. Immer wenn die Nachfolgediskussion zu laut wird, zieht der Parteichef einen neuen Liebling aus dem Hut. Der Ministerpräsident hält seine Nachfolge-Kandidaten wie einen Golfrasen: schön frisch und saftig, aber möglichst kurz. Wenn einer mal den Kopf zu weit rausstreckt, fährt Seehofer mit dem Rasenmäher drüber. Alexander König:
    "Manchmal hat man den Eindruck, dass unser Parteivorsitzender dazu neigt, das bei uns Gottseidank vorhandene Führungspersonal in der Mehrzahl auch mal gegeneinander antreten zu lassen. Da kann sowas natürlich auch nützlich sein."
    Medienwirksames Engagement
    Für Guttenberg springt beim Wahlkampfengagement in der deutschen Heimat ebenfalls was heraus. Der hauptberufliche Politikberater kann seinen Auftraggebern beweisen, wie gut er in der deutschen Politik noch immer vernetzt ist. Und wer weiß? Vielleicht ist nach der Wahl ja doch ein Posten frei. Guttenberg hat immer gesagt:
    "Wenn man so richtig auf die Schnauze fliegt, bringt es nichts, liegenzubleiben. Dann muss man sich die Nase abwischen, aufstehen. Und von vorne beginnen. Versuchen, das wenige Talent, das man hat, einzusetzen."
    Der talentierte Mister Guttenberg, bescheiden wie eh und je. Das Medieninteresse spielt er routiniert herunter, aber er spielt damit. Und man merkt, dass es ihm gefällt. Wenn er sich heimlich mit CSU-Generalsekretär Scheuer trifft, dann im Platzl, gleich neben dem Münchner Hofbräuhaus. Und auch nicht im Hinterzimmer, sondern gleich vorn am Fenster. Zwischendrin tritt er für eine kurze Raucherpause vor die Tür. Damit die Fotografen nicht durchs Glas knipsen müssen. Als Guttenberg kürzlich bei einer CSU-Veranstaltung auftrat, um über Außenpolitik zu sprechen, fragte ein Reporter, ob Außenpolitik in diesen unruhigen Zeiten eine wichtige Rolle im Wahlkampf spiele:
    "Ich glaube, sie spielt nicht nur im Wahlkampf eine Rolle. Sie spielt generell politisch eine Rolle. Und eine wachsende. Und wenn man einen bescheidenen Beitrag dazu leisten kann für die Familie, dann gern!"
    Wer könnte einen bescheidenen Beitrag medienwirksamer leisten als Karl-Theodor zu Guttenberg? Er sei kein "Zugpferd der CSU im Wahlkampf", sagt der Baron, sondern ein "kurzzeitig auftretender Ackergaul". In der Hitze bayerischer Bierzelte wolle er vor allem ein paar Kilo Gewicht abnehmen. Dass sein politisches Gewicht dabei zunimmt, wird Guttenberg völlig uneitel und bescheiden registrieren.

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