Dienstag, 23. April 2024

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Hackerangriffe auf US-Wahl
"Wir sollten gewarnt sein"

Die USA gehen davon aus, dass russische Hacker in die US-Präsidentschaftswahl eingegriffen haben. Cybersicherheits-Experte Marcel Dickow hält solche Szenarien auch bei der Bundestagswahl für realistisch. Es gäbe mehrere Vorgänge, die darauf hindeuteten, sagte er im DLF.

Marcel Dickow im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 30.12.2016
    Ein Mann sitzt vor einem Rechner mit Computer Quellcode auf dem Bildschirm.
    Die Sorge vor manipulierten Wahlkämpfen wächst. (picture alliance /dpa / Oliver Berg)
    Dirk-Oliver Heckmann: Marcel Dickow. Er ist Leiter der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin Experte für Cybersicherheit. Schönen guten Tag, Herr Dickow!
    Marcel Dickow: Ich grüße Sie, Herr Heckmann!
    Heckmann: Herr Dickow, wie sicher ist es denn eigentlich aus Ihrer Sicht, dass Russland hinter diesem Hackerangriff gesteckt hat? Die US-Regierung sagt ja, sie ist sehr sicher, aber Beweise vorlegen tut sie nicht!
    Dickow: Also, zumindest für die US-amerikanischen Nachrichtendienste scheint der Fall klar zu sein. Für uns als unabhängige Beobachter ist das deutlich schwerer zu beurteilen. Die Aussage von Donald Trump, dass man sowieso nicht so genau wisse, wer im Cyberraum hinter welchen Aktivitäten steht, die ist natürlich auf eine Art naiv, aber sie beschreibt das Phänomen doch relativ angemessen. Dass es sehr schwer ist, nachzuweisen, wer tatsächlich was im Cyberraum macht. Deswegen ist der Cyberraum für viele Staaten, für viele Nachrichtendienste eben so interessant, weil man dort Dinge tun kann, die man im realen Raum sich nicht zu tun traut, weil sie eben sofort zurückverfolgt werden können.
    Heckmann: Aber die amerikanische Regierung scheint ja über Informationen zu verfügen, wonach die Spur in der Tat nach Moskau und dort auch in die Regierungszentrale führt.
    "Nachrichtendienste geben Informationen nicht im Detail preis"
    Dickow: Ja, das scheint in der Tat der Fall zu sein. Wir haben jetzt hier das Problem, dass, selbst, wenn solche Informationen vorliegen und selbst, wenn diese Informationen stichhaltig sind, die Nachrichtendienste solche Informationen im Detail nicht preisgeben. Weil sie natürlich nicht preisgeben wollen, wie sie an diese Informationen gelangt sind. Die Informationen sagen sehr viel darüber aus, wie Nachrichtendienste arbeiten. Und da befinden wir uns jetzt genau in dem Dilemma, in dem Nachrichtendienste sozusagen auf der öffentlichen Bühne immer stecken. Dass sie im Grunde genommen zwar Fakten darstellen können als solche, aber eben nicht zeigen können, wie sie an diese Fakten gelangt sind. Und das Problem hat jetzt natürlich sowohl Obama mit seiner Entscheidung über die Ausweisung der Diplomaten genauso wie Donald Trump dann in Zukunft, der ja in irgendeiner Form auf die internationalen Beziehungen, auf die Beziehung zu Russland reagieren muss.
    Heckmann: Und die Skepsis gegenüber dem amerikanischen Geheimdienst insbesondere ist ja seit dem Irak-Krieg verständnisvollerweise ja auch recht stark ausgeprägt. Sie haben es gerade gesagt, Obama lässt 35 russische Diplomaten ausweisen, Moskau reagiert mit einer Gegenmaßnahme. Sind das jetzt eigentlich sinnvolle Maßnahmen oder ist das eher alles ein Zeichen der Hilflosigkeit?
    Dickow: Ja, ich glaube, es ist beides. Auf der einen Seite liegt ja mit diesem Verdacht, dass die amerikanischen Wahlen von außen, eben von Russland beeinflusst sein könnten, ein Schatten über der amerikanischen Demokratie. Und das ist ein Schatten, den ein gewählter Präsident und ein noch amtierender Präsident eigentlich nicht akzeptieren kann. Insofern brauchte es in irgendeiner Weise eine Reaktion, auch um der amerikanischen Bevölkerung zu zeigen, dass man das nicht einfach hinnimmt. … Ja, bitte?
    Heckmann: Würden Sie davon ausgehen – um noch mal kurz einzuhaken –, dass Moskau in der Tat den Wahlausgang in den USA beeinflusst, maßgeblich beeinflusst hat?
    Dickow: Das lässt sich tatsächlich schwer beurteilen. Es gibt aber natürlich in der russischen Administration ein Narrativ, dass viele der Wahlen, viele der demokratischen Prozesse im postsowjetischen Raum und selbst in Russland vom Westen beeinflusst wären oder worden sind. Und wenn man diesem Narrativ folgt, das Putin ja selbst immer wieder vertritt, dann macht es durchaus Sinn zu sagen, dass man auch sozusagen im Westen zu diesen Mitteln greift. Sozusagen als Gegenmaßnahme, um sich den Westen aus dem eigenen Gebiet der Einflusssphäre fernzuhalten. Also, in diesem Narrativ ist das logisch, aber ob es tatsächlich so war, lässt sich sehr schwer beurteilen.
    Heckmann: Herr Dickow, wie groß ist denn die Gefahr – um mal auf Deutschland zu blicken, denn im nächsten Jahr, im kommenden Jahr, das ja bald anbricht, wird ein neuer Bundestag gewählt –, wie groß ist die Gefahr, dass Hacker auch in Deutschland in den Wahlkampf eingreifen? Und sind die Behörden da gut aufgestellt in Deutschland?
    "Auf Angriffe gefasst sein"
    Dickow: Also, wir sollten gewarnt sein und ich denke, die deutschen Behörden sind auch gewarnt. Zum einen ist das Szenario nicht unrealistisch. Es gibt diverse Möglichkeiten, vielleicht nicht unbedingt auf Wahlcomputer Einfluss auszuüben, weil wir die ja in dieser Form in Deutschland bei der Bundestagswahl nicht benutzen, aber eben auf andere Art und Weise, zum Beispiel über Falschnachrichten. Und zum anderen haben wir natürlich auch Vorgänge in den letzten Monaten und Jahren beobachten können, die darauf hindeuten, dass es solche Einflussnahmen gibt. Also, ich erinnere nur an den Fall Lisa S., dieses Mädchen, das eine russische Abstammung hat und das vermeintlich von Migranten vergewaltigt worden sei, das hat sich natürlich als Ente herausgestellt, das war eine Falschnachricht. Aber sie ist eben aufgegriffen worden von der russischen Presse und ausgeschlachtet worden. Und ich denke, man kann das als einen Testballon betrachten, um zu gucken, wie die Innenpolitik, wie auch die deutsche Regierung auf so etwas reagiert. Und der zweite Fall ist natürlich die Tatsache, dass der Bundestag im letzten Jahr gehackt wurde, dass dort Informationen abgeflossen sind und dass die deutschen Behörden, die deutschen Einrichtungen auf solche Angriffe gefasst sein müssen.
    Heckmann: Und da werden wir im kommenden Jahr möglicherweise sehen, was da alles das Licht der Öffentlichkeit erblickt. Marcel Dickow war das von der Stiftung Wissenschaft und Politik, schönen Dank für das Gespräch!
    Dickow: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.