Samstag, 20. April 2024

Archiv

Hackerangriffe im US-Wahlkampf
Cyberaffäre spitzt sich weiter zu

Auf die russische Einmischung in den amerikanischen Wahlkampf via Hackerangriffe und Leak-Aktionen werde man reagieren, kündigte US-Präsident Barack Obama an. Dass der designierte US-Präsident Donald Trump von den Aktionen gewusst haben soll, verschlimmert die Lage.

Von Thilo Kößler | 16.12.2016
    Der Twitter-Account des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump.
    Donald Trump, designierter US-Präsident, solle seine Haltung zu Russland überdenken, forderte die Demokratin Diane Feinstein. (picture alliance / Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB)
    Am Ende des Tages sah alles nach einer ganz besonderen politischen Dramaturgie aus. Zu später Stunde erklärte Präsident Obama in einem Interview: Nach dem russischen Eingreifen in die amerikanischen Wahlen müssen wir tätig werden. Die Antwort werde zu einem geeigneten Zeitpunkt und an einem geeigneten Ort erfolgen – einiges werde bekannt werden, anderes nicht, fügte er sybillinisch hinzu.
    Den ganzen Tag über hatte sich die Affäre um die russischen Cyber-Attacken im amerikanischen Wahlkampf zugespitzt. Erst ließ der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, wissen: Die Hackerangriffe gingen direkt auf das Konto von Russlands Präsident Vladimir Putin.
    Trump wußte von diesen Hacker-Aktivitäten
    Dann setzte Earnest nach und erklärte, alles deute darauf hin, dass Donald Trump von diesen Hacker-Aktivitäten wusste: Denn erstens sei nur belastendes Material über die Demokraten an Wikileaks durchgestochen worden. Und zweitens habe Donald Trump die russische Seite öffentlich aufgefordert, sich doch noch genauer in den E-Mails von Hillary Clinton umzutun. Die Absicht sei klar gewesen, sagte Earnest: Die Russen sollten Trump zunutze sein und Clinton schaden. Deshalb habe Trump gehofft, Russland lege weiter nach.
    Donald Trump hatte sich vor wenigen Tagen noch über die Geheimdienste lustig gemacht, die bereits im Oktober den Verdacht geäußert hatten, dass sich Russland in den amerikanischen Wahlkampf einmische. Jetzt verlautete, Trump werde zunehmend nervös. Über den Kurznachrichtendienst Twitter fragte er, warum sich das Weiße Haus erst jetzt beschwere, nachdem die Wahl gelaufen sei und Hillary Clinton verloren habe. Seinen Sprecher Jason Miller schickte er mit der These vor, man wolle dem Wahlergebnis die Legitimation entziehen.
    Doch die politische Diskussion ist voll entbrannt und dürfte über Tweets und Statements nicht mehr einzufangen sein. Der Druck wächst. Nicht nur Demokraten wie der Abgeordnete Adam Schiff glauben, dass Putin persönlich angeordnet hat, die Datenbank der Demokraten abzuschöpfen.
    Cyberangriff: Abgesegnet von höchster Stelle in Moskau
    Auch der republikanische Senator Lindsay Graham, der als scharfer parteiinterner Gegner Donald Trumps gilt, fordert Konsequenzen: Man werde hart zurückschlagen, kündigte er an. Putin müsse über die Parteigrenzen hinweg persönlich für die Cyberattacken verantwortlich gemacht werden - und für den Versuch, auf der ganzen Welt demokratische Systeme zu destabilisieren. Graham forderte Sanktionen.
    Auch die amerikanischen Geheimdienste sind mittlerweile überzeugt davon, dass der Cyberangriff von höchster Stelle in Moskau abgesegnet wurde. Dafür sprächen die technische Raffinesse und die digitalen Fingerabdrücke, die die Aktionen hinterließen. Die demokratische Senatorin Diane Feinstein ließ wissen, dass die NSA, die National Security Agency, davon überzeugt sei, dass die russischen Geheimdienste über denselben digitalen Instrumentenkasten verfügen wie sie selbst. Das ist eine sehr ernste Situation, bekannte Diane Feinstein, seit vielen Jahren Vorsitzende bzw. stellvertretende Vorsitzende des Geheimdienstausschusses: Sie befürchtet bereits, dass sich die Beziehungen zu Russland noch weiter verschlechtern könnten.
    In einem Interview mit CNN wand sich Diane Feinstein unter den Fragen des Moderators – einerseits wolle sie Licht in das Dunkel dieser Affäre bringen, andererseits habe sie es mit geheimen Informationen zu tun. Sie fand einen Ausweg in Form von zwei Forderungen. Die Erste ging an Präsident Barack Obama. Er solle so schnell wie möglich an die Öffentlichkeit gehen und in vollem Umfang über die Erkenntnisse der Geheimdienste informieren.
    Forderung an Donald Trump, seine Haltung zu Russland zu überdenken
    Die zweite Forderung ging an Donald Trump: Er solle seine Haltung gegenüber Russland überdenken. Wenn er wirklich so gute Beziehungen zu Vladimir Putin habe, könne er jetzt sehr hilfreich sein.
    Sicher ist: Die Affäre entwickelt eine Dynamik, die kaum mehr zu stoppen sein dürfte. Und sie gewinnt auch deshalb an Dramatik, weil am Montag das electoral college den Präsidenten wählen wird. Etliche Wahlmänner haben bereits gefordert, vorher über das ganze Ausmaß der Affäre informiert zu werden.