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''Hände hoch für die Nationale Front'' -

Der Wahlleiter der Deutschen Demokratischen Republik, Innenminister Dr. Steinhoff, teilte dem Präsidenten Wilhelm Pieck in folgendem Schreiben das vorläufige Ergebnis der Volkswahlen 1950 nach dem Stand von 16.Oktober 1950, 8.00 Uhr, mit: Sehr geehrter Herr Präsident! Die Zahlen sind ohne Störungen, genau nach den gesetzlichen Vorschriften verlaufen. Unser Volk hat in einer noch nie dagewesene Einmütigkeit und Geschlossenheit der Welt den Beweis gegeben, daß es bereit ist, für den Frieden, für das einige, demokra-tische, friedliebende Deutschland und für die Einheit unserer Nation zu kämpfen und mit Ihnen, sehr verehrter Herr Präsident, mit ganzer Kraft an der weiteren Festigung der demokratischen Ordnung und dem Aufbau unserer Republik zu arbeiten.

Marcus Heumann | 14.10.2000
    Der Wahlleiter der Deutschen Demokratischen Republik, Innenminister Dr. Steinhoff, teilte dem Präsidenten Wilhelm Pieck in folgendem Schreiben das vorläufige Ergebnis der Volkswahlen 1950 nach dem Stand von 16.Oktober 1950, 8.00 Uhr, mit: Sehr geehrter Herr Präsident! Die Zahlen sind ohne Störungen, genau nach den gesetzlichen Vorschriften verlaufen. Unser Volk hat in einer noch nie dagewesene Einmütigkeit und Geschlossenheit der Welt den Beweis gegeben, daß es bereit ist, für den Frieden, für das einige, demokra-tische, friedliebende Deutschland und für die Einheit unserer Nation zu kämpfen und mit Ihnen, sehr verehrter Herr Präsident, mit ganzer Kraft an der weiteren Festigung der demokratischen Ordnung und dem Aufbau unserer Republik zu arbeiten.

    16.Oktober 1950. Die ersten Volkswahlen der DDR sind gelaufen, die volkseigenen Medien bejubeln das Ergebnis ein Ergebnis, das zu schön war, um wahr zu sein.

    Land Sachsen: Wahlberechtigte: 4197581. Zahl der. abgegebenen Stimmen: 4117156 gleich 98,08 Prozent. Davon gültig: 4113410, ungültig 3746. Für die Kandidaten stimmten: 4104144, gegen die Kandidaten stimmten 9266. Land Sachsen-Anhalt: Wahlberechtigte 2882845, Zahl der abgegebenen Stimmen ...

    Wie in Sachsen, so gaben - glaubt man den offiziellen Wahlergebnissen - auch die Wähler in den übrigen Ländern der DDR begeistert und einmütig ihre Stimme den Kandidaten der Nationalen Front jenem Bündnis, in dem seit der Gründung der DDR alle Parteien und Massenorganisationen zusammen-geschlossen waren. Gewählt wurden an jenem 15.Oktober die Abgeordneten für Volkskammer, Land- und Kreistage sowie für die Gemeindevertretung - wobei das Wort 'gewählt' in Anführungsstriche zu setzen ist.

    Denn die sogenannten 'Volkswahlen' von 1950 sind als Terrorwahlen in die Geschichte eingegangen. Sie hatten nur einen Zweck: der SED endgültig die - dann später in der Verfassung festgeschriebene - führende Rolle, eine unum-schränkte Machtfülle zu sichern. Um dieses Ziel zu erreichen war den Einheits-sozialisten unter Ulbricht jedes Mittel recht.

    Bei den ersten Landtagswahlen in der sowjetischen Besatzungszone 1946 war es der SED - trotz massiver Bevorzugung durch die sowjetischen Militärbehör-den - noch nicht gelungen, in den Landtagen von Brandenburg und Sachsen-Anhalt eine Mehrheit zu erringen. Alle fünf Länder zusammengenommen, besaß sie und die ihr ergebenen Massenorganisationen nur 10 Landtagssitze mehr als die damals noch nicht gleichgeschaltete Ost-CDU und die Liberaldemokraten der LDP. Noch also stand die Macht der SED auf tönernen Füßen. Es galt, sie zu zementieren. Die Strategie hieß: Vereinnahmung der Blockparteien und Ausschaltung der letzten bürgerlich-demokratischen Kandidaten.

    Bis zum Januar 1950 konnten sich die Blockparteien noch der Illusion hingeben, daß die Oktoberwahlen nach den in der Verfassung festgelegten Richtlinien verlaufen würden. Doch schon am 6.1.1950 deutet Franz Dahlem, Mitglied das SED-Politbüros, in einer Rede vor Funktionären an, woher in Wirklichkeit der Wind wehte:

    Die Wahlen werden stattfinden auf der Grundlage der Losung des Manifestes der Nationalen Front des demokratischen Deutschland. Die Einheit und der Zusammenhalt aller fortschrittlichen Kräfte wird stärker als bisher aus ihnen hervorgehen.

    Was das im Klartext zu bedeuten hatte, offenbarte sich am 14.März 1950, als auf einer Tagung des Zentralblocks der DDR-Parteien in Ostberlin die SED dafür plädierte, die Oktoberwahlen mit einer Einheitsliste der Nationalen Front durchzuführen.

    Das hieß: Sämtliche Kandidaten sollten nicht auf einzelnen Parteilisten zu Wahl antreten, sondern auf einer einzigen - der Liste der Nationalen Front. Damit wurde dem Wähler eine Auswahl zwischen den Parteien unmöglich gemacht. Er konnte nur für oder gegen die List stimmen.

    Von der Nationaldemokratischen Partei und der Demokratischen Bauernpartei hatte die SED keinen Widerstand zu erwarten, hatte diese Parteien doch selbst ins Leben gerufen, um Wähler, die dem Sozialismus skeptisch gegenüber-standen, auf diese Weise zu vereinnahmen. Ende März 1950 waren auch die Vorsitzenden von CDU und LDP auf die Einheitsliste eingeschwenkt. Aber ihre Basis wehrte sich noch:

    So weigerten sich sämtliche Kreisvorsitzenden der sächsischen LDP in Dresden, einer Einheitsliste zuzustimmen - was den dortigen SED-Vorsitzenden Lohagen dazu veranlaßte, Tacheles zu reden:

    Wenn es nicht im Guten geht, dann werden wir die Einheitsliste eben mit Gewalt durchsetzen.

    Am 7.Juli 1950 hatte die SED ihr Ziel erreicht. In einer Entschliessung des Demokratischen Blocks unter Vorsitz des Ulbricht-hörigen CDU-Chefs Otto Nuschke wurde die Sitzverteilung in Volkskammer und Landtagen - drei Monate vor den Wahlen - endgültig festgesetzt. Zwar stellte die SED danach nur ein Viertel der Abgeordneten, in den Landtagen gar nur 20 Prozent, doch zusammen mit den ihr treu ergebenen Massenorganisationen, dem FDGB, der FDJ, dem Demokratischen Frauenbund und anderen, war ihr die absolute Mehrheit der Sitze sicher. Am 9.August rechtfertigte Innenminister und Wahlleiter Steinhoff - übrigens ein ehemaliger Sozialdemokrat die Einheitsliste vor der Volkskammer:

    Die Oktoberwahlen haben demokratische Ziele zum Inhalt. und sind deshalb demokratisch. Demokratie hat zur Voraussetzung, daß verschiedene Wahllisten aufgestellt werden, wie es bei den Westmächten und nach ihrem Muster auch in Westdeutschland üblich ist, um den Schein der Meinungsfreiheit zu wahren. In Wirklichkeit bezwecken die monopolkapitalstischen Diktatoren, die ja in den westlichen Schein- und Schattendemokratien effektiv regieren, damit nur die Spaltung und Zersplitterung des Volkes, um desto besser beherrschen und unterdrücken zu können. Diese Gesichtspunkte wurden bei dem Entwurf des Wahlgesetzes, das allen diesbezüglichen Grundsätzen der Verfassung Rechnung trägt, berücksichtigt.

    Steinhoff belog die Abgeordneten: Das Wahlgesetz, das die Volkskammer an diesem Tag einstimmig verabschiedete, verstieß in eklatanter Weise gegen die gerade ein Jahr alte DDR-Verfassung, in der es hieß:

    Die Abgeordneten werden in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts gewählt.

    Das heißt, die Sitzverteilung hätte laut Verfassung im Verhältnis zu den Wählerstimmen erfolgen müssen. Faktisch also genau wie in der Bundes-republik. Davon konnte bei einer Einheitsliste natürlich nicht die Rede sein. Doch obwohl die SED den Wahlsieg schon in der Tasche hatte, tat sie dennoch alles, um auch die letzten bürgerlichen Kandidaten in LOP und CDU auszu-schalten. Die Kandidatenauswahl für die Einheitsliste geriet zur Gewissens-prüfung. Ein Rundschreiben der SED-Kreisleitung Schleiz an die untergeord-neten Parteiorgane belegt, auf welche Weise die SED ihr nicht genehme Kandidaten aussiebte.


    Genossen! Trotz eingehender Information und Instruktion sind in einer Reihe von Orten verschiedene reaktionäre Kandidaten mit auf die Gemeindevertreter-listen gekommen. Daher ist es notwendig, daß umgehend mit der öffentlichen Vorstellung der Kandidaten in öffentlichen Einwohnerversammlungen begonnen werden muß.

    Zuverlässige SED-Funktionäre erschienen auf den Wählerversammlung und stellten unliebsamen Kandidaten - quasi im Namen des Volkes - unbequeme Fragen. Hermann Hieke, damals ein Kreisvorsitzender der Ost-CDU, gab nach seiner Flucht in den Westen zu Protokoll:

    Die Kandidaten wurden einer Art Verhör unterzogen. Wer auf die Fragen besonders nach der Stellung zur Oder-Neiße-Linie, zur Sowjetunion oder zum Frieden eine nicht genehme Antwort gab, wurde als ideologisch nicht tragbar abgelehnt.

    Die Wahlvorbereitungen eskalierten zunehmend zu einem stalinistischen Spektakel in Reinkultur. Auf Wählerversammlungen in Wohngebieten und Betrieben durften ausgesuchte Arbeiter den Kandidaten Wähleraufträge erteilen, die ihnen der örtliche SED-Parteisekretär wörtlich vorformuliert hatte. So bekam beispielweise ein -Kandidat namens Walter Ulbricht im Stahlwerk Brandenburg von einem strammen Aktivisten zu hören:

    Wir erteilen Ihnen folgenden Wählerauftrag. Erstens: Die bestehenden innigen Freundschaftsbande zu den volksdemokratischen Ländern und insbesondere zur großen sozialistischen Sowjetunion, dem festen Hort des Weltfriedens, weiter auszubauen. Zweitens: Alle nach der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik zur Verfügung stehenden Mittel anzuwenden, um alle Saboteure, Agenten, Wirtschaftsverbrecher und Bürokraten, die unseren friedlichen Aufbau hemmen, zu beseitigen und... Drittens: Bei der Durchführung des Fünf-Jahr-Planes die Entwicklung neuer Nachwuchskräfte unter rücksichtsloser Beseitigung aller konservativer Auffassungen zu fördern. Liebe Freunde! Wer für die Übertragung des Wählerauftrages an den Kandidaten der Volkskammer, unseren Walter Ulbricht ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. (Reporter) Im ganzen Stahl- und Walzwerk erheben sich die Hände der Arbeiter und Frauen der Werktätigen, die hierher gekommen sind. (Applaus)

    Hände hoch für die Kandidaten der Nationalen Front. In der Bundesrepublik ging die Verurteilung über solche Praktiken quer durch alle Bundestagsfraktionen - außer der KPD natürlich. Bundeskanzler Adenauer erteilte den Wählern in der DDR schon im voraus die politische Absolution für ihre erzwungenen Ja-Stimmen:

    Die Wahl vom 15.Oktober ist kein Bekenntnis der Bevölkerung der sowjetischen Besatzungszone zum kommunistischen System, sondern ein Akt der politischen Erpressung, der seine Opfer weder bindet noch es erlaubt, sie schuldig zu sprechen.

    Und Herbert Wehner erklärte:

    Das von der sowjetischen Besatzungsmacht eingesetzte und unterstützte Gewaltregime ist überhaupt nicht berechtigt, Wahlen auszuschreiben, die Anspruch auf Gültigkeit erheben können. Darüber hinaus haben die Gewalt-haber ein betrügerisches Wahlverfahren ersonnen, das keine andere Wahl läßt, als zuzustimmen. Jede selbständige politische Willensäußerung wird durch Einschüchterung, Drohung und Gewalttaten erpresserisch verhindert.

    Kurz vor dem Wahltermin begann die SED damit, die offene Stimmabgabe - ohne Benutzung der Wahlkabinen - zu propagieren und Nicht-Wähler mit kaum versteckten Drohungen einzuschüchtern. Unmittelbar vor der Wahl sendete der Ostberliner Rundfunk ein Interview mit dem DDR-Staatssekretär Hans Warnke, das ein sehr deutliches Licht darauf wirft, wie sich die SED eine wahrhaft freie Wahl vorstellte:

    Frage: Herr Staatssekretär, viele Betriebe, Hausgemeinschaften und auch Einzelpersonen haben erklärt, sie würden heute geschlossen und offen in den Wahllokalen ihre Stimme für die gemeinsame Kandidatenliste der Nationalen Front des demokratischen Deutschlands abgeben. Was ist Ihre Meinung darüber? Antwort: Ich glaube, es ist nur zu begrüßen, daß die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik aus ihrem demokratischen Herzen keine Mördergrube machen. Und offen ihre demokratische Gesinnung kundtun - Jedem Bürger der Deutschen Demokratischen Republik wurde seit Monaten Gelegenheit gegeben, genau zu studieren, was er wählen soll. Frage: Es gibt aber einige Leute, die behaupten, daß sei nicht demokratisch. Antwort: Warum soll es nicht demokratisch sein, wenn die Bürger von ihrem Recht Gebrauch machen, in den Wahllokalen offen die einheitliche Kandidaten-liste zu wählen. Niemand kann ihnen das verbieten. Das gehört zu den demo-kratischen Grundrechten jedes Bürgers. Schließlich ist Demokratie keine Geheimwissenschaft. Frage: Der amerikanische Sender RIAS erklärt, es sei alles Mögliche unternommen worden, damit alle Leute, die von den Wahlen wegbleiben, registriert werden. Antwort: Wir registrieren niemand. Aber natürlich wird jeder Wahlberechtigte, der sich nicht an den Wahlen beteiligt, automatisch bekannt. Denn wer nicht zur Wahlurne geht, der wird nicht an der Wählerliste abgestrichen.

    Doch damit nicht genug: Der Ostrundfunk ging soweit zu behaupten, daß die Volkswahlen auch den Wählerwillen der Bundesbürger mit zu vertreten hätten,

    Wenn ich, verehrte Hörerinnen und Hörer, nach diesen Betrachtungen, die der Volkskammerwahl in unserer Republik galten, nun unser Programm Rheinischer Musik anzusagen habe, möchte ich dies - erlauben Sie mir diese persönliche Zwischenbemerkung - mit einem besonderen Gruß an unsere Hörer im Rhein-land verbinden, für welche diese Wahl ebenso wie für uns in unserer Republik eine entscheidende Bedeutung haben wird. Denn wir wissen, daß am 15. Okto-ber ein Teil Deutschlands für das ganze Deutschland wählen wird.

    Am Wahltag selbst, dem 15.Oktober, hatte die SED längst jeden Versuch aufgegeben, auch nur noch den Anschein von Demokratie zu wahren. Viele Augenzeugenberichte aus den Wahllokalen belegen dies. So erklärte Fritz Brose, damals Bezirksgeschäftsführer der CDU für 17 bei Halle gelegene Dörfer:

    Alle nicht irgendwie kenntlich gemachten Stimmscheine wurden als Ja-Stimmen gezählt. Wenn jemand auf den Stimmschein geschrieben hatte "Ihr Banditen" oder "Ihr Verräter", so wurde das als Ja-Stimme gezählt, da man der Meinung war, damit könnten nur die Kapitalisten und Kriegstreiber im Westen gemeint sein. In Könnern im Wahllokal 'Goldener Ring' zerriß ein Verärgerter seinen Wahlschein wütend vor den Augen des Bürgermeisters Hoffmann. Auch dieser Wahlschein wurde in die Urne gesteckt und als Ja-Stimme gezählt. Hoffmann drohte dem betreffenden Wähler, er würde ihn durch K 5 (den späteren Staatssicherheitsdienst) verhaften lassen.

    Wahlkabinen waren entweder gar nicht vorhanden oder von SED- und FDJ-Kadern bewacht, die sich die Namen all derer notierten, die von ihrem verfassungsmäßigen Recht auf geheime Wahl Gebrauch machten. Sie mußten in den folgenden Wochen mit allen möglichen Schikanen rechnen, so dem Entzug der Zuteilungen von Brennholz, Schuhen und Bekleidung, aber auch mit Hausdurchsuchungen. Bürger, die es gewagt hatten', sich öffentlich gegen das Wahlverfahren zu äußern, wurden als "Friedensfeinde" zu langjährigen Haft-strafen verurteilt. Die Berichte des DDR-Rundfunks über den Verlauf der Wah-len aber glichen eher einer Reportage aus einem Industriekombinat, das seine Plan vorfristig erfüllt hatte.

    (Reporter, unterlegt mit Kampflied) Sämtliche Städte und Gemeinden des Landes Brandenburg standen schon lange vor Beginn der Wahl im Zeichen des Willens der Bevölkerung, für Frieden und eine bessere Zukunft zu stimmen. Fanfarenzüge und Sprechchöre der Freien Deutschen Jugend zogen durch die Städte und Ortschaften. In der Landeshauptstadt Potsdam begaben sich schon früh in den Morgenstunden die Haus- und Straßengemeinschaften geschlossen mit Transparenten und Wahl-losungen zu den Wahllokalen. Im überwiegenden Teil der brandenburgischen Landgemeinden wurde in den frühen Nachmittagsstunden eine hundertpro-zentige Wahlbeteiligung verzeichnet. Die Einwohner der Berliner Randgebiete nahmen besonders den Wahltag zum Anlaß, um mit der Bevölkerung der Berliner West-Sektoren an der Sektorengrenze zu diskutieren. Die 60jährige Rentnerin Lisa Neumann aus Potsdam erklärte vor ihrer Wahl: Ich habe schon oft in meinem Leben gewählt, doch eine solche Wahl wie die heutige habe ich noch nie miterlebt. Versprochen wurde mir schon viel im Leben, doch endeten alle Versprechungen mit Krieg und Tränen. Heute weiß ich, dass ich Volksver-treter wähle, denen der Frieden oberstes Gebot ist. Darum gebe ich ihnen offen und ohne Bedenken meine Stimme.

    Das offizielle Wahlergebnis verzeichnete 50.000 ungültige und Nein-Stimmen bei 12 Millionen abgegebenen Stimmen. An diesen Jubelergebnissen sollte sich in den folgenden 40 Jahren ebenso wenig ändern wie an der Sitzverteilung in der Volkskammer.

    Die Geschichte der DDR - das ist auch die Geschichte eines 40 Jahre wäh-renden Wahlbetrugs. Seine letzte Episode fand im Mai 1989 statt, als Egon Krenz im DDR-Fernsehen das gefälschte Ergebnis der Kommunalwahlen verkündete:

    Die Kommunalwahlen im 40.Jahr unseres Arbeiter- und Bauernstaate wurden zu einem eindrucksvollen Votum für die Kandidaten der Nationalen Front der Deutschen Demokratischen Republik.

    Und: sie wurden zum Tropfen, der das Fass zu Überlaufen brachte. Hundert-tausende DDR-Bürger außer Landes trieb und die Verbliebenen im Herbst '89 auf die Straße. Der weitere Hergang der Ereignisse ist bekannt.