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Härtere Strafen für Einbrecher
Wendt will leichteren Zugang zur Kommunikationsüberwachung

Bundesjustizminister Heiko Maas will die Mindeststrafe für Einbrecher auf sechs Monate erhöhen. Polizeigewerkschafter Rainer Wendt ist das noch zu wenig - er fordert ein ganzes Jahr. "Weil das die Arbeitsmöglichkeiten der Polizei, beispielsweise Telekommunikationsüberwachung, erheblich erleichtert", sagte er im DLF.

Rainer Wendt im Gespräch mit Dirk Müller | 28.11.2016
    Ein Mann öffnet mit einem Brecheisen eine Tür.
    Einbrüche haben statistisch in Deutschland zu genommen. (imago stock&people)
    Bislang könne die Polizei eine Telekommunikationsüberwachung nur von einem Richter anordnen lassen, "wenn wir nachweisen können, dass dort gewerbs- und bandenmäßig Diebstahl vorbereitet wird. Das ist im Verdachtsstadium ausgesprochen schwierig." Mit der Strafandrohung von einem Jahr wäre ein Einbruch ein Verbrechenstatbestand, was die Überwachung erleichtern könne.
    Der Datenschutz sei ihm "nicht egal", denn der Datenschutz sei ein Grundrecht. "Aber er steht natürlich immer auch in Konkurrenz zu anderen Grundrechten. Solche Telekommunikationsüberwachungen werden von der Polizei ja nicht angeordnet. Sie werden vom Richter angeordnet und der prüft das regelmäßig sorgfältig. "
    "Es ist nicht der Junkie von nebenan"
    Wendt sprach von einer großen Täterkette. "Das ist ja nicht der Junkie von nebenan. Wir reden hier auch von international operierenden Einbrecherbanden." Man könne nicht nur den einzelnen Einbrecher fangen. Dazu gehörten auch beispielsweise Fahrer, Transporteure oder Hehler. "Wir müssen die Strukturen dahinter erkennen, um ganz Banden hochzunehmen." Deswegen sei der Vorstoß der Großen Koalition zu Straferhöhung grundsätzlich richtig.
    Der Bundesvorsitzende der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, steht am 30.06.2016 vor einem Polizeibus in Köln.
    Der Bundesvorsitzende der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt (imago / Eibner)

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk Müller: Über 160.000 Mal im Jahr stemmen sie mit Brecheisen Wohnungstüren auf, gehen Fenster und Balkontüren zu Bruch, überlisten stabile Plastikkarten Tür- und Terrassenschlösser. Wohnungseinbrüche in Deutschland. Neben den materiellen Schäden sind es ganz oft auch die psychischen Nachwirkungen, das gewaltsame Eindringen in die Privatsphäre, mit dem viele Opfer jahrelang zu kämpfen haben. Die Einbrüche haben im vergangenen Jahr wieder zugenommen, um über zehn Prozent. Und was macht die Politik?
    Der Justizminister rührt sich jetzt. Heiko Maas will nun die Mindeststrafe für Einbrecher auf sechs Monate erhöhen. Damit soll vieles besser werden. Dafür müssen die Täter aber erst einmal gefangen werden. Rainer Wendt ist nun am Telefon, der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft. Guten Morgen!
    Rainer Wendt: Guten Morgen.
    Müller: Herr Wendt, müssen Sie jetzt schneller den Tätern hinterherlaufen?
    Wendt: Die Polizei tut schon jetzt ihr Möglichstes. Es gibt eine Vielzahl von Konzepten, Predictive Policing, die kooperativen oder integrierten Verkehrskontrollen, mit denen wir Verkehrsüberwachungsarbeit und Kriminalitätsbekämpfung verbinden. Nordrhein-Westfalen hat in der sogenannten Aachener Erklärung gerade mit den anderen Anrainerländern, mit Rheinland-Pfalz, Niederlanden und Belgien einen Vertrag geschlossen, um besser zusammenzuarbeiten. Es gibt schon jetzt vielfältige Bemühungen. Aber mit den vorhandenen Kräften ist das ausgesprochen schwierig. Die Polizei ist sehr überlastet.
    "Ich würde es nicht bei einem halben Jahr belassen"
    Müller: Es geht um die vorhandenen Kräfte, das heißt, um die Frage, wie viele Polizisten, und nicht um die Frage, wie hart bestraft wird?
    Wendt: Sowohl das eine als auch das andere, denn mit einer härteren Strafandrohung verändert man auch die Arbeit der Polizei. Denn wir können jetzt beispielsweise Telekommunikationsüberwachung nur dann von einem Richter anordnen lassen, wenn wir auch nachweisen, dass dort gewerbsmäßig, bandenmäßig Diebstahl vorbereitet wird oder betrieben wird. Das ist im Verdachtsstadium ausgesprochen schwierig. Deshalb ist die höhere Strafandrohung genau der richtige Weg. Ich würde es allerdings nicht bei einem halben Jahr belassen, sondern es muss ein ganzes Jahr werden. Das ist der Unions-Vorschlag. Darüber muss man sich jetzt verständigen, denn es geht ja darum, die Arbeit der Polizei zu erleichtern, um diesem Phänomen endlich Herr zu werden.
    Müller: Da haben die Grünen schon Alarm geschlagen und sagen, das darf ja nicht wahr sein, dass wir im Grunde diese Ermittlungsmöglichkeiten jetzt erweitern für Wohnungseinbrüche. Ein Jahr lang sagen Sie als Mindeststrafe. Das würde dann diese operativen Optionen für die Polizei wesentlich breiter machen?
    Wendt: Die Grünen sind ja immer sehr damit beschäftigt, die Arbeitsmöglichkeiten der Polizei möglichst gering zu halten, um ihr dann anschließend vorzuwerfen, dass sie nicht erfolgreich sei. Wenn man will, dass die Polizei im Kampf gegen Einbruchskriminalität erfolgreich ist, dann muss man die Möglichkeiten der Polizei auch verbessern, denn wir sprechen ja hier von einem Phänomen, das bandenmäßig häufig begangen wird. Da ist ja nicht der Junkie von nebenan, der sich nur den nächsten Schuss verdienen will, sondern wir reden ja hier auch von international operierenden Einbrecherbanden, die sehr arbeitsteilig arbeiten, die konspirativ kommunizieren. Da kann man nicht mit den bisherigen Methoden dagegen kämpfen und deshalb ist es richtig, wenn die Große Koalition jetzt diesen Vorstoß machen will.
    Müller: Noch mal die Frage, Herr Wendt, weil ich das auch gestern nicht ganz richtig verstanden habe. Es gibt einen Unterschied zwischen einem halben Jahr Mindeststrafe und einem Jahr, dahingehend, dass dann die Ermittlungsmöglichkeiten für die Polizei erweitert werden. Ist das so?
    Wendt: Richtig. Genau so ist es, weil bei einem Jahr Mindeststrafandrohung das dann zum Verbrechenstatbestand wird und das die Arbeitsmöglichkeiten der Polizei, beispielsweise die Telekommunikationsüberwachung erheblich erleichtert.
    "Einbrecherbanden arbeiten sehr arbeitsteilig und sehr konspirativ"
    Müller: Telefondaten, Computerdaten, das brauchen Sie, um das zu überprüfen. Dann können Sie besser arbeiten gegenüber Einbrechern?
    Wendt: Ja. Dann kann man nämlich nicht nur den einzelnen Einbrecher fangen. Das müssen wir ohnehin tun. Aber wir können dann Strukturen hinter dieser Person aufdecken. Denn Sie müssen wissen: Einbrecherbanden arbeiten sehr arbeitsteilig und sehr konspirativ. Da ist manchmal der Resident, der einfach nur die Tatgelegenheiten ausbaldowert, der aber selber nicht zur Tat schreitet. Dann gibt es Fahrer, dann gibt es Transporteure, Hehler und vieles andere mehr, also viele Glieder einer Kette. Es nutzt nichts, ein einzelnes Glied herauszubrechen. Wir müssen die Strukturen dahinter erkennen, um dann die ganzen Banden hochzunehmen, übrigens auch die Bandenchefs, die häufig im Ausland sitzen.
    Müller: Und Datenschutz wäre kein Problem, ist Ihnen egal?
    Wendt: Der Datenschutz ist uns nicht egal. Der Datenschutz ist ein Grundrecht wie alle anderen Grundrechte auch. Aber er steht natürlich immer auch in Konkurrenz zu anderen Grundrechten und manchmal muss er nicht zurücktreten, sondern er muss sorgfältig gehandhabt werden. Denn solche Eingriffe, auch solche Telekommunikationsüberwachungen werden von der Polizei ja nicht angeordnet. Sie werden vom Richter angeordnet und der prüft das regelmäßig sorgfältig. Da darf man sich auf unsere Justiz schon verlassen.
    "Wir fordern seit vielen Jahren verbesserte Möglichkeiten"
    Müller: Herr Wendt, schauen wir noch einmal ganz kurz auch als Information an die Hörer noch einmal auf die Daten, die wir da gestern gefunden haben. Ich habe gesagt, 2015 gestiegen, das stimmt. Das ist aber seit 2010 ja eine dramatische Entwicklung. Da soll die Einbruchskriminalität statistisch um ein Drittel gestiegen sein. Eine halbe Milliarde Kosten für die Versicherungen jedes Jahr. Und nur jede siebte Tat wird aufgeklärt. Das ist eine Aufklärungsquote von gerade einmal 15 Prozent. Und jetzt - das ist meine Frage - wacht die Politik auf? Haben Sie in den vergangenen Jahren keinen Rückhalt bekommen dafür?
    Wendt: Besser spät als nie. Und wenn Sie von den 15 Prozent Aufklärungsquote sprechen, wird die richtige Information dahinter ja noch deprimierender, denn die Verurteiltenquote ist ja um ein Erhebliches niedriger. Diese 15 Prozent, das sind die Tatverdächtigen, die wir ermittelt haben. Wir müssen aber den Tätern die Tat auch nachweisen, damit sie auch verurteilt werden können. In der Tat kommt das alles sehr spät. Wir fordern seit vielen Jahren verbesserte Möglichkeiten. Die Steigerungsquoten sind in den Ländern auch sehr unterschiedlich. In manchen Ländern zweistellig, beispielsweise in Bayern sehr viel geringer. Da ist die Einbruchskriminalität im vergangenen Jahr sogar zurückgegangen. Man sieht also, dass wenn man mehr Polizei hat und diese Polizei auch auf die Straße und in die Ermittlungskräfte bringt, dann kann man etwas bewirken.
    Müller: Aber am meisten passiert in den Städten, in den Ballungsräumen?
    Wendt: Ja, das ist so. Das ist das Wesen von Einbruchskriminalität, dass die Vielfalt der Tatgelegenheiten und auch die Möglichkeit, schnell wegzukommen und unterzutauchen, in den Städten natürlich viel größer ist. Deshalb darf man auch Städte beispielsweise nicht mit Flächenländern vergleichen.
    Müller: Herr Wendt, noch ein Satz, der gestern uns hier interessant erschien. Es ist vermutlich logisch und die Meisten wissen das auch; ich möchte es dennoch einmal sagen. Dunkelheit schützt davor, erwischt zu werden, ist nachvollziehbar. Der Dezember ist demnach der schlimmste Monat respektive der beste Monat für Einbrüche und Einbrecher. Stimmt das?
    Wendt: Ja, es wird schnell dunkel. Die Menschen bleiben auch bei Dunkelheit noch weg. Das heißt, sie gehen nicht nur zur Arbeit, sondern gehen danach auch noch auf die Weihnachtsmärkte und sonst wo hin. Insofern ist das statistisch schon richtig. Aber man darf nicht sagen, dass deshalb die Helligkeit vor Einbruchskriminalität schützt. Genau das Gegenteil ist der Fall. Es werden Einbrüche begangen rund um die Uhr, überall, nicht nur in Villen, sondern auch in ganz normalen Wohnungen zu jeder Tages- und Nachtzeit. Und deshalb ist es auch richtig, wenn die Bundesregierung, wie sie das getan hat, die Möglichkeiten der Menschen fördert und verbessert, mit finanziellen Anreizen für eigenen Schutz des Eigentums zu sorgen, beispielsweise abschließbare Fenstergriffe und vieles andere mehr. Da hat die Bundesregierung, finde ich, schon das Richtige getan.
    "Man sollte sich von der kriminalpolizeilichen Beratungsstelle Tipps holen"
    Müller: Wenn Sie, Herr Wendt, jetzt in diesen dunklen Tagen abends um 19 Uhr wie auch immer das Haus verlassen, lassen Sie das Licht an, um zu suggerieren, ich bin doch da?
    Wendt: Nein. Ich glaube, das ist nicht immer der richtige Weg. Man pflegt eine gute Nachbarschaft, das finde ich schon sehr wichtig. Man verschließt sein Eigentum vernünftig, das finde ich auch richtig. Das mit dem Licht ist so eine Sache. Da gibt es viele Möglichkeiten. In jedem Falle ist es so, dass man sich je nachdem, wie die örtlichen Gegebenheiten sind, auch von der kriminalpolizeilichen Beratungsstelle Tipps holen sollte. Die gibt es übrigens kostenlos und die sind sehr, sehr professionell. Das hilft dann manchmal schon weiter.
    Müller: Herr Wendt, Sie haben da viel Erfahrung ja auch in der Praxis. Wir haben gestern noch die Zahlen gefunden: 25 Prozent der Opfer erwägen ernsthaft, ihre Wohnung dann zu verlassen, umzuziehen oder den Wohnort zu verlassen, und zehn Prozent der Opfer machen das tatsächlich. Wie gehen Sie damit um?
    Wendt: Heiko Maas hat auch in seiner Begründung für seinen Vorstoß darauf hingewiesen, dass viele Opfer schwer traumatisiert sind nach einem solchen Erlebnis, wenn sie sehen, dass dieser geschützte Raum der eigenen Wohnung nicht geschützt ist, sondern dass fremde, völlig unbekannte Menschen in den eigenen Sachen herumgewühlt haben, und das hat schwere psychische Folgen bis hin dazu, dass die Leute ihr Eigentum aufgeben, ihr Haus verkaufen und wegziehen, weil sie einfach nicht mehr in diesen Räumen leben können. Manche im Übrigen sofort nicht, die sofort diesen Raum verlassen, diese Wohnung verlassen und sagen, hier kann ich keine Nacht mehr schlafen, ich fühle mich nicht mehr geschützt.
    Das hat schwere Folgen und deshalb ist es umso wichtiger, dass wir hier neue Anstrengungen unternehmen, denn diese Aufklärungsquote 15 Prozent und eine Verurteiltenquote von vielleicht zwei, drei Prozent, das kann und darf uns nicht ruhen lassen. Und was die Polizei angeht, können Sie ganz sicher sein, dass wir alles tun. An unseren Fähigkeiten und an der Bereitschaft der einzelnen Kolleginnen und Kollegen mangelt es ganz bestimmt nicht. Es ist ein reines Kapazitätsproblem und auch ein rechtliches manchmal und deshalb ist es wichtig, wenn beides jetzt angepackt wird.
    Müller: Zu wenig Polizisten, zu wenig Streifen auf der Straße, die abends präsent sind?
    Wendt: Ja, genau das ist es. Denn normalerweise früher hätte ein Einbrecher immer noch einen mitnehmen müssen, einen Kumpel, der irgendwo Schmiere steht, weil man damit rechnen musste, da kommt ein Fußstreifen-Polizist oder ein Streifenwagen um die Ecke. Heute braucht er den nicht mehr; er weiß, da kommt keiner. Man weiß ja, wie sehr die Polizei belastet ist. Insofern ist auch an dieser Stelle ja Bewegung. Die Bundespolizei wird drastisch verstärkt, das sind über 6.000 Stellen, fast 10.000 für die Bundesbehörden insgesamt. Aber auch in den Ländern regt sich ja so einiges. Nordrhein-Westfalen stellt 2000 neue Polizistinnen und Polizisten ein. Das heißt, die Politikerinnen und Politiker scheinen, zumindest an der einen oder anderen Stelle die Zeichen der Zeit endlich erkannt zu haben. Spät, aber besser spät als nie.
    "Waffen haben in den Händen von Extremisten nichts verloren"
    Müller: Jetzt bekomme ich schon das Zeichen aus der Regie, wir müssen aufhören. Ich habe aber noch einen Punkt, wenn Sie schon am Telefon sind, Rainer Wendt. Heiko Maas war an diesem Wochenende zumindest mit Vorschlägen ja sehr aktiv. Über das eine, Einbrecher, haben wir geredet. Das Zweite war Waffenscheine für Extremisten. Die sollen bereits bei der Registrierung abgelehnt werden in der Auseinandersetzung beziehungsweise im Kampf gegen die sogenannten Reichsbürger. Das soll alles mithilfe des Verfassungsschutzes möglicherweise passieren. Ist das ein realistischer Vorschlag?
    Wendt: Ja, ich halte den Vorschlag eigentlich für eine Selbstverständlichkeit. Denn Waffen haben in den Händen von Extremisten nichts verloren, übrigens nicht nur nichts in den Händen von Reichsbürgern, sondern in den Händen von Rechtsextremisten und Linksextremisten haben Waffen genauso wenig verloren. Insofern müsste die Abfrage beim Verfassungsschutz, ob es etwas über diese Person gibt, natürlich obligatorisch sein. Das heißt aber auch, dass wir die Kapazitäten des Verfassungsschutzes entsprechend anpassen müssen.
    Müller: Rainer Wendt bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk, der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft. Danke, dass Sie für uns Zeit gehabt haben. Ihnen noch einen schönen Tag.
    Wendt: Sehr gerne! Auch so.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.