Usain Bolt zum Abschied

Der schnellste Mann der Welt tritt ab

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Usain Bolt nach seinem dritten Platz im 100-Meter-Finale der Männer am 05.08.2017 in London. © picture alliance / Bernd Thissen/dpa
Von Arno Orzessek · 06.08.2017
Der Sieg zum Abschluss blieb ihm zwar verwehrt. Dennoch feierten gestern Abend 60.000 in London Ausnahmesprinter Usain Bolt bei dessen letztem Einzelrennen. Auch wir würdigen Bolt zum Abschied und wünschen: Viel Vergnügen bei Fastfood und Bier auf Jamaika!
Usain Bolt ist also Dritter geworden. Keine demütigende Platzierung, aber doch – man sah es ihm an – eine heftige Enttäuschung für den Dauersieger der letzten Dekade, der prophezeit hatte, ungeschlagen abzutreten.
Dabei dürfte Bolt seinen Misserfolg leichter verschmerzen als die Leichtathletik den Abschied ihrer glanzvollsten Ikone. Nach dem gestrigen Rennen konnte ja niemand rufen: 'Der König ist tot, lang lebe der König.'
Der Brite Chijindu Ujah, der Jamaikaner Usain Bolt imd Andrew Fisher aus Bahrain vom Halbfinale des 100-Meter-Laufs bei der Leichtathletik-WM in London.
Der Brite Chijindu Ujah, der Jamaikaner Usain Bolt imd Andrew Fisher aus Bahrain vom Halbfinale des 100-Meter-Laufs bei der Leichtathletik-WM in London.© AFP / Adrian Dennis
Denn gewonnen hatte der ungeliebte Justin Gatlin, ein verbissener Doping-Wiederholungstäter, 35 Jahre alt. Und der Zweite, Christian Coleman, ist viel zu blass, um das strahlende Gesicht eines Sports zu werden, in dem notorisch Finsteres vor sich geht.

Sportliche Extraklasse plus überragendes Show-Talent

Tatsächlich hat Bolt sportliche Extraklasse, überragendes Show-Talent und menschliche Nahbarkeit verbunden wie kaum jemand in der jüngeren Leichtathletik-Geschichte.
Wer nur ein bisschen olympisches Fieber in sich hat, wird Peking 2008 nie vergessen: Wie Bolt im 100-Meter-Finale weit vor der Ziellinie mit geöffneten Armen und sich lösenden Schnürsenkeln auszutrudeln begann, um dennoch in Weltrekordzeit Gold zu holen.
Als sei Laufen noch schöner als Fliegen und leichter dazu. Mit seiner Sternendeuter-Geste wies Bolt ins Überirdische, dem man diesen Lauf ohnehin zurechnen wollte.
Allein der US-Sprinter und Weitspringer Carl Lewis als Dominator der späten 1980er- und frühen 1990er-Jahre steht nach leichtathletischen Erfolgen ähnlich überragend da wie Bolt und war ebenfalls ein extravertierter Mensch – galt jedoch als arroganter Schnösel.

Jeder kannte den schnellsten Mann der Welt

Gewiss, der charmante Charismatiker Bolt, dem Posen und Quatsch-Machen fast genauso wichtig waren wie das Laufen selbst, hat irrational viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen - und damit von anderen Sportlern ab.
Er verkörperte die "The winner takes it all"-Maxime, die gewiss nicht auf Gerechtigkeit fußt. Noch die dickköpfigsten Ignoranten allen Sportgeschehens wussten: Bolt, das ist der schnellste Mann der Welt.
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Verband überragende sportliche Leistungen mit Showtalent: der jamaikanische Sprint-Superstar Usain Bolt am 01.08.2017 bei einer Presskonferenz in London.© picture alliance / Bernd Thissen/dpa
Aber gerade Bolts Popularität garantierte, dass die Leichtathletik für das große Publikum trotz Doping, Doping, Doping, trotz Vetternwirtschaft, Korruption und dreister Betrugs-Vertuschung im Weltleichtathletikverband eine anziehende und sympathische Seite behielt.

Ohne Doping der größte Sprinter seiner Zeit geworden?

Dass seine Sprintstärke mit dem regen Verzehr der Yams-Wurzel zu tun hat, wie Bolt einst behauptete, muss niemand glauben. Die Frage ist: Glaubt man ihm, ohne Doping der größte Sprinter seiner Zeit geworden zu sein?
Nahezu sämtliche Konkurrenten von annähernd vergleichbarer Klasse wurden irgendwann entlarvt. Manche sehen durch die Kontroll-Erfolge Bolts Unschuld bewiesen, andere glauben umso weniger daran.
Bleibt vorläufig nur zu hoffen, dass dieser freundliche Spaßvogel und Jahrhundert-Athlet tatsächlich sauber über die Bahn gefegt ist. Es wäre wunderschön.
Und solange Hoffnung besteht, sagen wir: Viel Vergnügen bei Fastfood und Bier auf Jamaika, Usain Bolt. Es war uns eine Freude!
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