Freitag, 19. April 2024

Archiv


Hajduk genehmigt Weiterbau von Kohlekraftwerk

Die Hamburger Umweltsenatorin Anja Hajduk hat ihre Entscheidung, das umstrittene Kohlekraftwerk Moorburg unter Auflagen zu genehmigen, verteidigt. Aus rechtlichen Gründen habe man dem Antrag des Betreibers Vattenfall stattgeben müssen, sagte die Grünen-Politikerin. Ein Verbot des Weiterbaus hätte zu einem "erheblichen Entschädigungsrisiko für die Stadt" geführt.

Anja Hajduk im Gespräch mit Sandra Schulz | 01.10.2008
    Sandra Schulz: Die Beobachter waren sich von Anfang an einig. Harmonisch liefen die Koalitionsgespräche zwischen CDU und Grün-Alternativer Liste (kurz GAL) nach den Bürgerschaftswahlen in Hamburg Ende Februar. Einer der zentralen Streitpunkte war der Bau des geplanten Kohlekraftwerks Moorburg. Die CDU war dafür, die GAL dagegen. Aber die CDU zeigte sich kompromissbereit. Mitte März titelte die "Bildzeitung" sogar schon, "CDU opfert Moorburg". Seit Mai steht die Koalition. Nun droht aber Ungemach, denn in der Kausa Moorburg hat sich in den vergangenen Wochen der Wind gedreht. Gestern erteilte die grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk die Genehmigung für eines der größten Kohlekraftwerke in Europa, wenn auch mit Einschränkungen. So soll das Kraftwerk im Schnitt an 250 Tagen im Jahr mit gedrosselter Leistung betrieben werden und zum Schutz der Elbe wird die Entnahme und Wiedereinleitung von Kühlwasser eingeschränkt. Anja Hajduk ist nun am Telefon. Guten Morgen!

    Anja Hajduk: Schönen guten Morgen.

    Schulz: Frau Hajduk, können wir uns das gleich merken für die Bundestagswahlen im kommenden Jahr, "wer grün wählt, stimmt für neue Kohlekraftwerke"?

    Hajduk: Nein. Das ist schon das Gegenteil, was der Fall ist. Es ist auch so, dass ich meine Überzeugung über den Sinn von neuen Kohlekraftwerken nicht geändert habe. Aber klimapolitische Erwägungen dürfen in einem Genehmigungsverfahren, wie unsere rechtlichen Rahmenbedingungen sind, nun mal keine Rolle spielen. Deswegen musste ich gestern eine Entscheidung treffen, die ein neues Kohlekraftwerk in Hamburg genehmigt. Das muss man ehrlicherweise zugeben.

    Schulz: Das heißt also, Koalitionsdisziplin ist wichtiger als Klimaschutz?

    Hajduk: Nein, das hat nichts mit Koalitionsdisziplin zu tun. Ich habe diese Entscheidung getroffen und ich war gehalten wie jede Umweltsenatorin oder jeder Umweltsenator in Hamburg, nach Recht und Gesetz zu entscheiden. Wir haben nach unserer Einschätzung unter naturschutzrechtlichen Gründen einen Weg gesehen, wo wir zu der Meinung gekommen sind, dass das Kraftwerk eigentlich nicht genehmigungsfähig ist, aber in diesem August hat das Oberverwaltungsgericht in Hamburg uns in einem Hinweisbeschluss deutlich gemacht, dass sie unserer Rechtsauffassung nicht folgen würden, und dann musste ich abwägen zwischen einem dann auch erheblichen Entschädigungsrisiko für die Stadt. Deswegen habe ich auch diesem Hinweis - und das ist bei Rechtsentscheidungen schon mal so, dass man nicht immer Recht behält - deshalb habe ich diese Entscheidung anders getroffen, habe aber ökologisch notwendige Auflagen erlassen.

    Schulz: Steht die schwarz-grüne Koalition Ende des Monats noch?

    Hajduk: Wir werden als Partei - das ist, finde ich, bei einer so wichtigen Frage wie Kohlekraftwerke notwendig; Energiepolitik ist für die Grünen ja auch ein Kernthema - diskutieren. Wir werden eine Mitgliederversammlung, also einen Parteitag in der nächsten Woche am Donnerstag haben, um die Konsequenzen zu beraten. Das finde ich auch richtig, dass unser Landesvorstand dazu einlädt. Dort wird auch eine Entscheidung gefällt werden, wie es mit der Koalition weitergeht. Davon gehe ich aus.

    Schulz: Das heißt, Sie gehen ergebnisoffen in diese Gespräche mit der Option, den Koalitionsbruch in Kauf zu nehmen?

    Hajduk: Wir müssen uns ja erst mal alle austauschen. Ich musste gestern erst mal der Basis natürlich darlegen, warum ich so entschieden habe, wie ich entschieden habe. Dann müssen wir unsere weiteren Perspektiven diskutieren. Ich glaube, das muss man auch erst mal ein bisschen sacken lassen und verarbeiten. Mir ist wichtig, dass wir als Partei eine gemeinsame Entscheidung fällen können und dass wir auch uns bewusst werden, die Auseinandersetzung und der Einsatz für den Klimaschutz, die müssen ja auch weitergehen. Und dann müssen wir abwägen, in welcher Position und in welcher Rolle können wir unsere Ziele am besten verfolgen und am durchsetzungsfähigsten machen. Ich will dieser Entscheidung nicht vorgreifen. Das wäre, glaube ich, nicht gut. Ich sehe aber auch, dass wir - das will ich nicht verleugnen - auch Möglichkeiten haben und Chancen haben, die Energiepolitik in Hamburg trotzdem voranzubringen. Wir haben uns in der Koalition darauf verständigt, einen eigenen Energieversorger in Hamburg zu gründen.

    Schulz: Trotzdem wird Ihnen aus der Basis ja vorgehalten, dass mit dem Thema Moorburg auch massiv der Wahlkampf betrieben wurde. Welche neuen Argumente sind denn jetzt dazugekommen, die diesen Meinungsumschwung bewirkt haben? Die rechtlichen Argumente liegen doch auch lange auf dem Tisch.

    Hajduk: Es ist gut, dass Sie da noch mal nachfragen, weil politisch ist es die Überzeugung der Grünen und die haben wir auch im Wahlkampf zum Ausdruck gebracht, dass klimapolitisch der Weg, mit neuen Kohlekraftwerken zu arbeiten, ein falscher ist. Aber die Grünen-Partei muss sich auch unserem rechtlichen Rahmen, den wir in Deutschland haben, anpassen. Wir leben schließlich in einem Rechtsstaat und ich habe Ihnen ja gerade dargelegt, dass wir durchaus gerade mit Blick auf die europäische FFH-Richtlinie einen naturschutzrechtlichen Weg gesehen haben, der aufzeigt, dass hier eigentlich die Genehmigung des Kraftwerks nicht möglich ist. Aber es gehört genauso dazu, dass man sich nicht immer mit seiner Rechtsauffassung durchsetzt. Wir haben da eine Chance gesehen. Diese haben wir verfolgt, mussten aber erkennen, dass wir wohl zu optimistisch waren mit unserer Einschätzung. Deswegen gehört zum politischen Geschäft auch, dass man einräumen muss, dass man sich mal nicht durchgesetzt hat, und das empfinde ich natürlich auch als enttäuschend. Das will ich gar nicht leugnen.

    Schulz: Im Interview mit dem Deutschlandfunk heute Morgen Anja Hajduk (GAL), Umweltsenatorin in Hamburg. Haben Sie vielen Dank.