Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Halbe Leistung wegen Erdbebenrisiko

In den vergangenen Jahren lösten mehrere Erdwärmekraftwerke längs des Rheins immer wieder kleine Erdbeben aus – die sogenannte Tiefengeothermie kam in Verruf. Nun steht ein viel beachtetes Referenzprojekt in Rheinland-Pfalz auf der Kippe: Das Geothermiekraftwerk in Landau.

Von Ludger Fittkau | 18.06.2013
    "Früher war es so, dass man gedacht hat, die Geothermie ist ein Allheilmittel. Man sieht sie nicht, die ist so schön versteckt in der Erde und dann auch noch quasi erneuerbar und endlos. Und das hat man sich halt alles so vorgestellt. Aber man darf nicht vergessen: Tiefengeothermie ist auch eine Bergbautechnik und die bringt auch bergbautechnische Risiken mit sich",

    sagt Eveline Lemke, stellvertretende Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. Die Grüne ist Wirtschafts– und Energieministerin des Landes. Sie sieht jetzt das Tiefengeothermie-Kraftwerk in Landau in der Pfalz vor der Insolvenz. Seit Jahren wird das eine von bisher zwei Kraftwerken dieser Art in Rheinland-Pfalz nur gedrosselt gefahren, um kleine Erdbeben – sogenannte Mikroseismiken – in der Stadt Landau zu vermeiden. Jetzt wollen die Stadtwerke Landau, die bisher zur Hälfte das Projekt trugen, aussteigen. Eveline Lemke:

    "Wenn es zu einer Insolvenz käme, was sehr stark zu befürchten steht und zu einer Veräußerung und ein Insolvenzverwalter müsste veräußern, dann besteht die Gefahr, dass vielleicht ein Investor kommt, der dann befreit von der Kapitallast zunächst einmal mit einer geringeren Geschwindigkeit diese Anlage fahren kann. Wenn er das aber vielleicht mal nicht macht, weil er sich nicht ganz verantwortlich verhält, sondern gucken will, wie viel er da rausholen kann, dann könnten wir möglicherweise wieder Mikroseismiken oder möglicherweise mehr bekommen."

    Doch seit drei Jahren sucht man in Rheinland-Pfalz vergeblich einen Investor, der das Tiefengeothermie-Kraftwerk Landau mit gedrosseltem Druck weiterfährt, damit die kleinen Erdbeben verhindert werden, die es auch in Landau bereits gab. Professor Harald Ehses, der Leiter des rheinland-pfälzischen Landesamtes für Geologie und Bergbau, will nicht auf die Tiefengeothermie im künftigen Energiemix verzichten:

    "Die Geothermie ist die einzige regenerative Energie, die tatsächlich grundlastfähig ist. Das heißt, man kann über 365 Tage 24 Stunden lang Energie gewinnen, was man weder bei Sonne noch bei Wind noch bei vielen anderen Techniken zurzeit überhaupt erreichen kann. Und die Geothermie kann deshalb ein Baustein sein, wenn man tatsächlich von atomaren oder fossilen Energieträgern weg will."

    Das sieht auch die rheinland-pfälzische Landesregierung im Grundsatz ähnlich. Doch um den angestrebten Ein-Prozent-Anteil der Erdwärme am künftigen Energiemix zu erreichen, müssten in Rheinland-Pfalz 20 Tiefengeothermie-Anlagen von der Größe des Kraftwerks Landau gebaut werden. Für die stellvertretende Ministerpräsidentin Eveline Lemke ist das nur mit einer umfassenden Bürgerbeteiligung denkbar, die in Landau gefehlt habe:

    "Ich glaube, wir müssen die Geothermie langsam weiterentwickeln, wir müssen sie verstetigen, technisch sicher machen und wir brauchen auch ein Einvernehmen mit der Bevölkerung über Maßnahmen, die Planungsprozesse transparent und sicher für die Bürgerinnen und Bürger machen."

    Dies soll nun ein neues sogenanntes "Geothermie-Forum" erreichen, das sich gerade auf Initiative der rheinland-pfälzischen Landesregierung konstituiert. Mitglied dieses Forums sollen Unternehmen und Bürgerinitiativen sein – die Landesregierung will einen eigens benannten "Geothermie-Lotsen" beisteuern. Der soll das angeschlagene Erdwärme-Schiff wieder flottmachen – langsam und im stetigen Bürgerdialog. Vielleicht bekommt die Erdwärmetechnik im Oberrhein-Graben auf diese Weise eine zweite Chance.