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Hamburg
Gabenzaun für Obdachlose soll abgerissen werden

Am "Gabenzaun" am Hamburger Hauptbahnhof hängen Spenden für Obdachlose: Kleidung, Decken, Hygieneartikel - alles in Plastiktüten. Wenn es nach der Bezirksverwaltung geht, wird die unbürokratische Hilfe aber nicht mehr lange bestehen bleiben. Das Umfeld des Bahnhofs soll umgestaltet werden.

Von Axel Schröder | 13.03.2017
    Obdachlose nehmen sich in Hamburg am Hauptbahnhof Essen und Kleidung vom Hamburger Gabenzaun.
    Der Hamburger Gabenzaun (picture alliance / Axel Heimken/dpa)
    Klaus Warnow ist obdachlos. Und zusammen mit seiner Freundin Derya Özdemir passt er seit ein paar Wochen gut auf einen Stahlgitterzaun auf. Ein Meter fünfzig hoch, rund zehn Meter lang begrenzt der Zaun das Areal des Hamburger Hauptbahnhofs. Neuerdings hängen hier, am "Gabenzaun", Plastiktüten mit lauter Dingen, die Obdachlose gut gebrauchen können.
    "Pullover, Hosen, was zu essen und sonstige Sachen. Hygiene-Zeugs, alles, was die Leute hier so ran hängen. Ich finde, das ist eine gute Idee. Und viele Städte machen das jetzt schon nach. Hamburg hat es erstes gemacht mit dem Gabenzaun."
    Neben ihm nickt Derya Özdemir, stimmt ihm zu: "Der Zaun ist super gut, sage ich mal. Ältere Leute, jugendliche Leute spenden. Sind auch sehr freundlich und unterhalten sich mit uns, wollen wissen, was wir für Wünsche haben, was wir brauchen. Das finde ich einfach klasse!"
    Schnelle, direkte Hilfe
    Entstanden ist die Idee als Reaktion auf die Pläne des Bezirksamtschefs von Hamburg-Mitte Falko Droßmann. Er hatte angekündigt, im Zuge von Umbauarbeiten am Hauptbahnhof den Zaun abreißen zu lassen. Deshalb behalten Klaus Warnow und seine Freunde im Blick, wer sich am "Gabenzaun" bedient. Begeistert vom Projekt ist auch Stephan Karrenbauer, Sozialarbeiter bei der Obdachlosenzeitung "Hintz & Kuntz". Vorn im Café-Teil der Anlaufstelle stehen Männer und Frauen an Stehtischen zusammen, einige holen sich neue Pakete mit Zeitungen, um sie auf der Straße zu verkaufen.
    "Ich finde, es ist eine schöne Ergänzung zu einem bestehenden Hilfesystem für die Obdachlosen. Mit diesem Gabenzaun kann man eine direkte und eine schnelle Hilfe anbieten. Man kann an den Zaun gehen und gucken: 'Finde ich da einen warmen Pullover. Ja, ich finde einen, ziehe ihn an!' Fertig ist die Sache. Passt er mir nicht, kann ich ihn wieder in die Tüte zurückpacken und hänge den da wieder an den Zaun. Das ist eine schöne Ergänzung und ein schönes Symbol: 'Ich denke an Dich!'"
    Allerdings, so Stephan Karrenbauer, sollten in den Tüten am Zaun keine Medikamente und keine verderblichen Lebensmittel angeboten werden. Das verbietet die deutsche Lebensmittelverordnung und Falko Droßmann, der Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte ist dafür zuständig, dass diese Regeln eingehalten werden. Ein paar hundert Meter vom Gabenzaun hat Falko Droßmann sein Büro, oben im zehnten Stock des Bezirksamts.
    "Grundsätzlich ist es so, dass ich die Leute, die da helfen wollen, eher ermutigen möchte, den 19 aufsuchenden Sozialeinrichtungen ihre Dinge zu geben! Die wissen deutlich besser, was gebraucht wird und können es auch an den Mann oder an die Frau bringen."
    Täglich wird kontrolliert, was in den Tüten steckt
    Und weil es eben eigentlich nicht erlaubt ist, einfach Lebensmittel in der Stadt zu verteilen, schickt Falko Droßmann jeden Tag Bezirksamtsmitarbeiter zum Hauptbahnhof, um zu kontrollieren, was denn drin ist in den Plastiktüten am "Gabenzaun". Stoßen sie dabei auf Medikamente oder leicht verderbliche Speisen, werden die Tüten abgenommen und entsorgt. Dass sich nun Kritik am geplanten Abriss des Zauns sorgt, nimmt Falko Droßmann schulterzuckend zur Kenntnis:
    "Dieser Zaun steht seit 25 Jahren dort an dieser Stelle. Und es ist erst einigen Aktivistinnen und Aktivisten aufgefallen, als wir gesagt haben, wir bringen mal die städtische Infrastruktur am Hauptbahnhof in Ordnung. Wir reißen die alten Bunkereingänge ab, aus denen sich große Betonbrocken lösen, wir sorgen für ordentliche Fahrradstellanlagen statt der viel zu engen Bügel, die dort stehen und wir reißen diese alten 80er-, 90er-Jahre-Sitzblockaden inklusive der Mauern, die heute aufgrund der 513.000 Menschen, die den Hauptbahnhof nutzen, an dieser Stelle keinen Sinn mehr ergeben, die reißen wir ab. Und da haben sich einige Aktivisten aufgerufen gefühlt, da etwas zu tun."
    Denn Falko Droßmann geht es auch darum, etwas gegen das Wildpinkeln rings um den Bahnhof und gegen Betrunkene zu tun, die sich dort aufhalten. "Ich will ihnen den Aufenthalt weniger angenehm machen", so der Bezirksamtsleiter gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk. Gleichzeitig will Falko Droßmann mit den Vertretern der Hilfseinrichtungen für Drogensüchtige oder Obdachlose, die es rund um den Hauptbahnhof gibt, weiter Gespräche führen, um die Hilfebedürftigen besser zu unterstützen. Im Übrigen, so Falko Droßmann, sei der Gabenzaun zwar eine tolle Idee, wirklich nötig sei er aber nicht.