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Hamburg und Berlin

Nicht nur der Norden, auch der Rest der Theater-Republik stand wie unter Schock Anfang September - angesichts der Katastrophe, die rund um das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg angerichtet wurde.

Von Michael Laages | 29.12.2010
    Politiker mit dem Feingefühl einer Dampfwalze, ein Intendant, der angesichts dessen Knall auf Fall die Klamotten hinschmiss und zurücktrat, ein Ensemble, das danach in lautem Solidaritäts-Tamtam weitaus stärker agierte als sonst im eigentlichen Beruf auf der Bühne - das Beispiel Hamburg zeigt vor allem, wie fragil mittlerweile das öffentliche Einverständnis darüber ist, dass Theater sein muss. Die Weltfinanzkrise, die ja erst mit Verzögerung ankam in den öffentlichen Haushalten, tat das Ihre; und auch wenn nun in Hamburg (wie zuvor in Wuppertal, wo das Schauspielhaus ja gleich ganz geschlossen werden sollte) letztlich (und bis auf Weiteres) die Probleme halbwegs gelöst wurden, so sind die strukturellen Grundsatzfragen an die Theater nicht beantwortet, nur vertagt. Noch immer kann es jeden treffen, in beinahe jeder Stadt.

    Und es sind eben nicht die kulturell eher überversorgten ganz großen Städte, in denen die Bürger bereit sind, sich um ihr Theater zu scharen, es notfalls zu schützen gegenüber politischer Ignoranz; in überschaubareren Kulturräumen wie Lübeck, Kiel und Osnabrück, von Göttingen bis Wilhelmshaven sind die Theater und ihr Publikum näher zusammen gerückt. Das ist gut so. Und da ist dann auch die politische Haltung zum Theater einiges wert in einer Stadt - während sich speziell die Hamburger GRÜNEN nicht allzu früh auf den nächsten Wahlerfolg freuen sollten: Ihre schweigende Mittäterschaft beim Schauspielhaus-Skandal wird so schnell nicht vergessen, die grüne Unschuld in Fragen der Kultur ist definitiv futsch.

    Und das ist dann demnächst auch im Berliner Wahljahr von Interesse. Durch das zu Ende gehende Jahr drifteten die Berliner Bühnen weithin skandalfrei, aber auch ohne größere Aufregung. Business as usual und so gut es eben geht - da braucht es wohl ab und an eines jener Donnerwetter, wie sie der chronische Poltergeist Claus Peymann zyklisch vom Zaun bricht; wie haltlos die jeweilige Gardinenpredigt über die Missstände im deutschen Theaterbetrieb auch ausfallen mag. Wichtiger ist es aber, dass mittlerweile das neue Team am Deutschen Theater rundum akzeptiert wird; auch, dass sich Frank Castorfs Volksbühne ein wenig zu erholen scheint; schließlich, dass mit Thomas Oberender ein ausgewiesener Theater-Kopf Chef der Berliner Festspiele wird. Ob allerdings der Berliner Theaterfriede auch das Stühlerücken und den großen Kassensturz nach der Wahl überstehen wird? Sorgen sind angebracht, ein Blick nach Hamburg genügt.