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Hamburg und Olympia
Debatte um geplantes Kulturprogramm

Um den Zuschlag für die Austragung der Olympischen Spiele 2024 zu erhalten, muss Hamburg nicht nur mit Stadien und Infrastruktur überzeugen, sondern vor allem mit einem imposanten kulturellen Rahmenprogramm. Das es keine Helene-Fischerisierung der Spiele werden soll, darüber sind sich die Kulturschaffenden einig. Über vieles andere hingegen nicht.

Von Rainer Link | 10.08.2015
    Flaggen mit den Olympischen Ringen und dem Wappen von Hamburg hängen neben einem Straßencafe am Rathausmarkt in Hamburg
    Flaggen mit den Olympischen Ringen und dem Wappen von Hamburg hängen neben einem Straßencafe am Rathausmarkt in Hamburg (dpa / Christian Charisius)
    Es genügt heute nicht mehr, Sportstadien zu errichten, man braucht auch ein unverwechselbares und spektakuläres kulturelles Umfeld. Aus diesem Grund lud die Kultursenatorin jüngst 140 Künstler aller Sparten ein, um von ihnen Vorschläge für die kulturelle Gestaltung des Mega-Ereignisses zu hören. Einer ging gar nicht erst hin, der Autor Christoph Twickel:
    "So eine Veranstaltung verstand ich als propagandistisch. Ich wollte nicht an einer Veranstaltung beiwohnen, wo von Anfang an klar ist, wir sollen jetzt erst mal einen Fahnenappell leisten pro Olympia. Das fand ich unanständig."
    "Es ging tatsächlich – es stimmt - ganz konkret darum, was könnten die Kulturschaffenden dazu beitragen", sagt Amelie Deufelhard, Intendantin des Kampnagel-Theaters. "Es gab zwar auch einen Tisch, wo die kritischen Stimmen auch versammelt waren – es gab so unterschiedliche Tischrunden – und es gab einen Tisch mit Kritikern."
    Aber an dem saß – ziemlich einsam – nur Schorsch Kamerun, Sänger der Goldenen Zitronen:
    "Ich bin mir ganz sicher, dass es ein paar Institutionen gibt, die sich davon erhoffen, dass sie eine ordentliche Budgetspritze bekommen. Das will ich ihnen auch überhaupt nicht verdenken. Das ist auch in Ordnung, wenn man sagt, es kommt so ein Ereignis, dann soll die Kultur aber auch was abkriegen. Solange der Prozess in eine interessante Richtung geht, ist meine persönliche Meinung, dass es besser ist, ihn mitzugestalten, als außen zu stehen, und sagen wir mal dagegen zu sein."
    Vorbild London
    London, Austragungsort der Olympischen Spiele 2012, hat es der Welt vorgemacht: Gigantische 150 Millionen Pfund flossen in das kulturelle Rahmenprogramm, mehr als 14 Millionen Briten und Gäste nahmen an Kulturveranstaltungen teil.
    An diese herausragende Bilanz muss Hamburg anknüpfen, wenn es den Zuschlag im Bewerbungsverfahren des IOC erhalten will. Die Verheißung eines dreistelligen Millionen-Etats für die Kulturolympiade an der Elbe lässt die chronisch unterfinanzierte Künstlerszene natürlich nicht unberührt. Da werden die Bedenken gegen Olympia schnell mal vergessen, glaubt Christoph Twickel:
    "Traditionell hat Kunst ja ornamentale Funktion. Man muss zur Eröffnung ein enormes Spektakel abfeuern - den Ort sozusagen festivalisieren. Das heißt: So etwas zu erzeugen wie eine besondere Aura, die darauf hinweist, dass diese Stadt für ein paar Wochen ganz anders funktioniert. Sind das Projekte, die wir gutheißen? Was machen wir eigentlich dort? Und das geschieht zu wenig, wenn man Olympia einfach nur als Anlass nimmt, ein bisschen Budget abzugreifen."
    Mehr als Helene Fischer
    100 Ideen für Olympia – das ist das selbst gesteckte Ziel, das Kulturschaffende und Kultursenatorin verabredet haben. Konkret Ideen liegen zwar noch nicht vor, aber dass es keine Helene-Fischerisierung der Spiele geben soll, gilt als ausgemacht. Der Rahmen soll anspruchsvoll und politisch gestaltet werden. Und da hat das Kampnagel-Theater gute, multikulturelle Vorleistungen erbracht - etwa in dem es etliche Lampedusa-Flüchtlinge in seinen Kunstbetrieb integrierte.
    "Man will versuchen, die Stadt in ihrer Diversität darzustellen, die ja oft sehr unsichtbar ist. Ich finde, auch die Flüchtlingsfrage ist eine, die auch die ganze Zeit aufgepflockt ist, weil sie eben so einen riesigen Stellenwert in den öffentlichen Debatten hat. Ich glaube, das sind alles Dinge, wo man mit so einem Zusammenschluss der Kulturschaffenden was leisten kann für die Stadt, selbst wenn die Olympiade gar nicht kommt."
    Vorschlagen dürfen die beteiligten Künstler alles – was dann davon umgesetzt wird, entscheiden allerdings die Herren über die fünf olympischen Ringe, deren Sponsoren und die hamburgischen Honoratioren. Da dürften Enttäuschungen vorprogrammiert sein.
    "Dass ich mir natürlich auch vorstellen kann, dass es in die falsche Richtung laufen kann, also es ist für mich ein Prozess, den ich kritisch begleiten werde. Aber ich finde zunächst mal: Dieser Ansatz, dass man versucht, möglichst viele Akteure aus allen Feldern dieser Stadt einzubeziehen, partizipieren zu lassen, ihre Stimme auch zu hören, macht mir durchaus Hoffnung, dass es ein interessanter Prozess werden kann. Immer, wenn Hamburg sozusagen großeventmäßig wird, wird es kulturell gesehen immer schrecklich. Ich glaube, eine Kultur, die Großereignisse garniert, ist in gewisser Weise immer grauenhaft."
    Referendum im Herbst
    Im Herbst werden erst einmal die Hamburger und Hamburgerinnen in einem Referendum befragt werden, ob sie die Spiele vor der Haustür wirklich haben wollen. Danach entscheiden die alten Männer des IOC. In jedem Fall sollten Hamburgs Olympia-Planer umgehend einen gut dotierten Kompositionsauftrag vergeben. Denn sollte im Jahr 2024 dieser Ruf erklingen - "Ladies and Gentlemen, let's sing the olympic Hymn" - hätte die Hansestadt nur diese deprimierende Stadthymne aus dem Jahr 1828 anzubieten.
    "Stadt Hamburg an der Elbe Auen" von 1828
    Heil über dir, Heil über dir, Hammonia, Hammonia!
    O wie so glücklich stehst du da!
    Stadt Hamburg, Vielbegabte, Freie!
    So reich an Bürgersinn und Treue,
    So reich an Fleiß und Regsamkeit,
    Dein Lob erschalle weit und breit!
    Heil über dir, Heil über dir, Hammonia, Hammonia!