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Hamburger Hafen
Bundesverwaltungsgericht verhandelt über Elbvertiefung

Die Elbvertiefung habe Auswirkungen auf Flora und Fauna, kritisieren Umweltschützer. Der Hamburger Hafen und damit zahlreiche Arbeitsplätze würden zukunftssicher gemacht, meinen die Befürworter. Sie halten eine Umsetzung der Pläne selbst dann für möglich, wenn das Bundesverwaltungsgericht gegen die Elbvertiefung entscheidet.

Von Axel Schröder | 19.12.2016
    Stein des Anstoßes vor Gericht: die Elbe - und ihre geplante Vertiefung, hier: im Abendlicht mit Schiffen.
    Stein des Anstoßes vor Gericht: die Elbe - und ihre geplante Vertiefung (picture-alliance / dpa / Christian Charisius)
    Auf rund 100 Kilometern, vom Hamburger Hafen bis zur Elbmündung, soll die Elbe vertieft werden. Dann soll die Fahrrinne mindestens 14,5 Meter tief sein, einen Meter tiefer als heute. Vor vier Jahren entschieden sich der BUND und der Naturschutzbund, gegen das Projekt zu klagen. Denn das verstoße gegen die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie und die Europäische Wasserrahmenrichtlinie, erklärt Manfred Braasch vom BUND Hamburg:
    "Das Europäische Wasserrecht gibt vor, dass die Qualität der Flüsse nicht verschlechtert werden darf und dass sie sogar in einen besseren Zustand gebracht werden müssen in den nächsten Jahren. Dieses Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot wird juristisch sehr hoch gehängt. Und wir stellen ja jetzt fest, dass die Elbvertiefung genau gegen diese Vorgaben verstoßen wird."
    Die Wasserqualität und damit die Flora und Fauna werde durch neue Baggerarbeiten beeinträchtigt und eben nicht verbessert. Manfred Braasch nennt ein Beispiel:
    "Die Finte ist ein heringsartiger Fisch, der in der Elbe vorkommt. Die Laich- und Aufzugsgebiete liegen etwas stromabwärts Hamburgs. Und genau in diesem Bereich soll massiv gebaggert werden. Man hat festgestellt, dass die Finte relativ sensibel auf Sauerstoffmangel reagiert, insbesondere die Eier und Larvenstadien. Und genau dieser Trend wird sich durch die nächste Elbvertiefung verstärken. Wir gehen davon aus, dass die Finte in ihren Beständen weiter reduziert wird und die Gegenseite behauptet das Gegenteil. Also, das wird auch ein Streitpunkt vor Gericht sein."
    Sauerstoffgehalt im Elbwasser wird abnehmen
    Tatsächlich gehen auch die Planer der Elbvertiefung davon aus, dass der Sauerstoffgehalt im Elbwasser nach einer Vertiefung von 13,5 auf 14,5 Meter weiter abnehmen wird. Nicht nur Fische, sondern auch die Populationen der Löffelente könnten unter Druck geraten. Ebenso der Lebensraum einer besonders geschützten Pflanze, dem Schierlingswasserfenchel. Weltweit wächst er nur noch im Bereich der Tideelbe und ihr Lebensraum wird nach einer Vertiefung des Flusses schrumpfen. Die vorgesehenen Ausgleichsflächen für die Pflanze seien viel zu klein bemessen, kritisiert Manfred Braasch. Dr. Hans Aschermann, Jurist in der Hamburger Wirtschaftsbehörde, hält diese Kritik für unbegründet:
    "Ich kann klarstellen, dass es nicht auf die Fläche ankommt, auf der eine Pflanze wächst, sondern auf die Frage, wie viele Individuen dieser geschützten Pflanzenart gibt es? Und wie viele Individuen können wir erhalten. Insofern kommt es auf die Eignung eines Lebensraums an. Und nicht auf dessen flächenmäßige Erstreckung."
    Genauso gelassen könne man hinsichtlich der Fischfauna sein. Sorgen um die Finte müsse man sich nicht machen, so Hans Aschermann:
    "Natürlich gibt es Auswirkungen auf alle Lebewesen in der Elbe und dabei auch auf die geschützte Fischart der Finte. Die Finte wird insbesondere dadurch beeinträchtigt werden, dass durch die Baggerarbeiten eine Sauerstoffzehrung im Gewässer eintritt, die sich natürlich für die Fische negativ auswirkt, insbesondere in dem Zeitraum, in dem diese Fische laichen. Deswegen sehen die Genehmigungen differenzierte Schutzauflagen vor, dass in bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten eben nicht gebaggert werden darf, damit der Erhalt dieser geschützten Art gewährleistet ist."
    Befürworter argumentieren mit Ausgleichsmaßnahmen
    Zudem gebe es ein ganz Bündel von Ausgleichsmaßnahmen, die diese Beeinträchtigungen wieder heilen sollen. An einigen Uferabschnitten sollen Flachwasserzonen und neue Brutgebiete für Seeschwalben entstehen. Andernorts wird die Jagd auf Vögel eingeschränkt.
    Aber selbst wenn die Leipziger Richter feststellen, dass das Projekt gegen die Europäische Wasserrahmenrichtlinie verstößt, selbst dann böte sich ein juristischer Ausweg, erklärt Hans Heinrich Witte, der Präsident der Wasser und Schifffahrtsverwaltung des Bundes:
    "Auch, wenn es Verschlechterungen gibt, gibt es die Möglichkeit einer Ausnahmeprüfung. Das trotz einer Verletzung sozusagen des Verschlechterungsverbotes der Maßnahmen gemacht werden kann, wenn überwiegende andere Interessen dahinterstehen."
    Diese "überwiegenden anderen Interessen" sind nach Meinung des Hamburger Senats die Arbeitsplätze, die die Hafenwirtschaft in der gesamten Metropolregion, also in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein sichert. Ob das Gericht einer solchen Ausnahmegenehmigung in seiner für Januar erwarteten Entscheidung zustimmt, ist offen.