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Hanau
Eine provozierende Karikaturen-Ausstellung

Von Ludger Fittkau | 19.02.2015
    Achim Greser und Heribert Lenz sind Stars der deutschen Karikaturisten-Szene. Weil sie überdies im Rhein-Main-Gebiet leben, war es für die Stadt Hanau zunächst keine Frage: Man muss eine Werkschau mit besonders gelungenen Karikaturen von Greser und Lenz zeigen. Martin Hoppe, Kulturverantwortlicher der Stadt Hanau:
    "Wer die großen Medien liest, "FAZ" oder "Titanic"-Freund ist oder im "Focus" tauchen ja auch die Arbeiten auf, der kennt die beiden. Sie sind Aschaffenburger, damit Teil der Rhein-Main-Region. Praktisch Nachbarn. Und damit bietet sich der kleine Blick über die Grenze von Hessen nach Bayern - oder umgekehrt - natürlich wunderbar an. Und gerade Hanau im Osten der Rhein-Main-Region kann da wunderbar ein Ausrufezeichen setzen."
    Unter dem Titel "Das ist ja wohl ein Witz" werden nun in Hanau tatsächlich ab dem 14. März 200 Karikaturen von Greser und Lenz präsentiert. Die Ausstellung soll "Themenfelder wie Politik und Wirtschaft, aber auch Privates und Religion" aufgreifen, heißt es in der Ankündigung der Stadt.
    Das Themenfeld Religion hätte allerdings beinahe dazu geführt, dass die Ausstellung abgesagt wird. Das kam so: Nach dem Anschlag auf die Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" waren Achim Greser und Heribert Lenz wütend. Obwohl Islam und Islamismus nicht ihr Hauptthema ist, zeichneten sie ihre erste Mohammed-Karikatur. Mit einer Ausgabe von "Charlie Hebdo" in der Hand lassen Greser und Lenz den christlichen Gott-Vater im Himmel mit Mohammed schimpfen. In der Sprechblase über der Szene ist zu lesen:
    "Mohammed, ich fasse es nicht! Wegen Deiner Idioten müssen wir jetzt auf die wunderbaren Witze über uns verzichten".
    Diese Karikatur führte dazu, dass die Stadt Hanau kalte Füße bekam. Sie kippte die geplante Ausstellung. Begründung: Hanau könne die Kosten für erhöhte Sicherheitsmaßnahmen nicht bezahlen. Kulturmanager Hoppe:
    "Natürlich, wenn über Pressemeldungen von Attentaten die Rede ist, dann kurz darauf auch noch Terrorwarnungen an die Bahnhöfe Berlin, Chemnitz und Dresden ausgesendet worden sind, auch Kontakte zur Polizei und Sicherheitsauflagen für alle Eventualitäten ausgesprochen werden, überlegt man und muss überlegen, weil man auch eine Verantwortung hat für das Haus, den Besuchern gegenüber."
    Womit die Verantwortlichen der Stadt nicht gerechnet hatten, waren die befremdeten Kommentare in den Tageszeitungen. Von einer "erschreckenden Absage" sprach etwa die "FAZ", die Zeitung, in der die Mohammed-Karikatur erschienen war. Auch die spontanen Kommentare der beiden Zeichner waren unmissverständlich:
    Greser: "Triumpf der Terroristen."
    Lenz: "Ja, es war natürlich enttäuschend zunächst. Das klang so nach Schwanz einziehen und nach Hosenscheißerei."
    Deutliche Worte. Wenige Tage später ruderte die Stadtverwaltung zurück. Der Oberbürgermeister ließ mitteilen, man habe die erste Entscheidung korrigiert, nachdem - Zitat - "uns auch durch die Berichterstattung bewusst wurde, dass eine Absage in Tagen wie diesen zu ungewollten Fehlinterpretationen führen muss."
    Dass man der Stadt Hanau öffentlich Feigheit vorwarf, kann Kulturmanager Martin Hoppe verstehen, sagt er:
    "Die Haltung ist absolut verständlich. Wir haben ja auch schnell reagiert und gesagt - nach einer kurzen Phase der Nachdenklichkeit – wir präsentieren die Ausstellung."
    Auch die Terroranschläge von Kopenhagen ändern nun nichts mehr daran: Die Hanauer Ausstellung wird am 14. März eröffnet, allerdings unter verschärften Sicherheitsbedingungen. Den Ausstellungsort, die Galerie des Hanauer Schlosses Phillipsruhe, werden die Besucher über einen separaten Seiteneingang betreten müssen. Dort wird es besondere Sicherheitsmaßnahmen geben, etwa Taschenkontrollen durch einen privaten Security-Dienst. Auch mit der Polizei stimmt sich der Kulturbeauftragte eng ab:
    "Es gibt Kontakte zur Polizei. Und was die Polizei als Auflagen, als Bedingungen für die Sicherheit durchgibt, ist für uns maßgebend."
    Der eigene, gut kontrollierbare Zugang zur Ausstellung war eine dieser Sicherheitsauflagen. Zurzeit gibt es jedoch für Hanau keine konkrete Bedrohungssituation, versichert die Stadt. Offen ist allerdings noch, ob die oben beschriebene Mohammed-Karikatur in der Ausstellung gezeigt wird. Das überlässt die Stadt den Karikaturisten.
    "Das ist die Entscheidung der Kollegen Greser und Lenz und des Kurators."
    Greser und Lenz wollen sich noch nicht öffentlich festlegen, ob sie in Hanau ihre Mohammed-Karikatur zeigen, die nach dem Anschlag auf "Charlie Hebdo" in der "FAZ" erschien. Achim Greser ist der Wirbel unangenehm, den diese Karikatur ausgelöst hat. Am Telefon sagt er: "Ich denke manchmal, hätten wir sie nur nicht gemacht". Und Heribert Lenz erklärte im Hessischen Rundfunk:
    "Wir haben ja auch nicht das Zeug dazu, Märtyrer werden zu wollen. Zumal wir als Christen ja auch keine Jungfrauen erwarten zu haben im Paradies."
    Ihren Humor haben Greser und Lenz nicht verloren. Doch ihr Zögern, die Mohammed-Karikatur zu präsentieren, erweckt dann doch den Anschein, dass die Terroristen an Ende triumphieren könnten.
    Offen ist auch, wie die Stadt Hanau die Kosten für den erhöhten Sicherheitsaufwand bewältigen wird. Ein Aufruf des Oberbürgermeisters, es mögen sich private Sponsoren melden, hat bislang noch nicht gefruchtet. Doch die ungeklärte Finanzierungsfrage wird Hanau nicht ein zweites Mal dazu bringen, die Ausstellung abzusagen. Die Stadt will sich nicht noch einmal Feigheit nachsagen lassen.