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Handarbeit im Nähtreff
Schnelle Erfolgserlebnisse sind fast garantiert

Selbermachen liegt voll im Trend: ob Nähen, Stricken oder Häkeln. Viele Menschen lieben die Möglichkeit, etwas mit den eigenen Händen herstellen zu können. Und wer Unterstützung braucht oder auch nicht alle notwendigen Geräte zu Hause hat, findet Hilfe im nächsten Nähtreff.

Von Julia Möckl | 10.11.2016
    Wollknäuel
    Wollknäuel (dpa / picture alliance)
    "Also ich bin 2012 zum Nähen gekommen – durch Liebeskummer."
    Nähen hilft gegen Liebeskummer, sagt zumindest die 35-jährige Charlotte. Weil es so gut ablenkt. Und: Weil es schnelle Erfolgserlebnisse beschert:
    "Ich bin direkt nach dem ersten Mal mit einem Kleid nach Hause gekommen und bin seitdem hängen geblieben."
    Der Liebeskummer ist längst vergessen – aber Nähen, das macht Charlotte immer noch gerne. Abends, nach der Arbeit als Betriebswirtin in einer Bank:
    "Ich dachte immer, Nähen ist was für Öko-Muttis. So war's aber gar nicht, sondern hier sind die coolsten Frauen - von Hundetrainern bis Unternehmerinnen - die einfach dieses Hobby nutzen, um runterzukommen, sich zu entspannen, kreativ zu sein und eben kleine Erfolgserlebnisse mit nach Hause zu nehmen."
    Charlotte näht am liebsten zusammen mit anderen. Im Nähbüro – einem Kölner Nähtreff. Auf Regalen stapeln sich bunte Stoffballen bis hoch an die Decke und auf großen Tischen stehen gleich mehrere Nähmaschinen bereit. Inhaberin Susanne Koch verkauft in ihrem Nähbüro nicht nur Stoffe – für 5 Euro pro Stunde bietet sie auch ihre Hilfe an bei Fragen wie: Welchen Stoff soll ich nehmen? Wie schneide ich den richtig zu? Und: Es gibt die nötige Ausrüstung.
    "Es gibt Scheren, es gibt Maßbänder, es gibt Schnitte, Stoffe – alles, was man braucht. Im Prinzip kann man ohne alles kommen und mit fertigem Teil wieder gehen."
    Karina zum Beispiel näht gerade für eine Kollegin im Büro einen Stoffbeutel:
    "Ich habe früher auch schon ganz viel gestrickt und mit der Mama genäht, als Kind. Dieses Handwerkliche, dass du siehst: Am Ende hast du ein Produkt, das ist fertig - das ist total schön, das unterscheidet sich von jeglicher Büroarbeit, die man so macht."
    Nur Männer kommen selten
    Mit den eigenen Händen ein Unikat schaffen: Das ist das Tollste am Handarbeiten – da sind sich alle sechs Frauen einig, die sich heute im Kölner Nähbüro versammelt haben. Und die fast alle in Bürojobs arbeiten:
    "Das Schöne ist eben auch, dass du dir was machen kannst, was dann auch wirklich passt."
    "Mich entspannt das tierisch!"
    "Es ist wie wenn man an der Kletterwand steht: Man muss sich wirklich konzentrieren, dass man keinen Unsinn näht – aber es ist keine anstrengende Konzentration. Man kommt einfach erholt nach Hause."
    Offenbar geht das vielen so – in Köln zumindest haben in den letzten Jahren gleich mehrere Näh- und Handarbeitstreffs neu aufgemacht. Ins Nähbüro kommen Leute aus fast allen Altersstufen, sagt Inhaberin Susanne Koch. In einer Hinsicht ist ihre Kundschaft allerdings dann doch sehr homogen:
    "Es kommen ganz selten Männer um zu nähen. Es war mal ein Architekturstudent da, der sich Vorhänge genäht hat. Einer hat sich einen Tabakbeutel genäht und einer wollte sich ein Hemd nähen, hat aber auf halber Strecke aufgegeben. Und das war's. Nee – zum Hosenflicken war auch noch einer da!"