Donnerstag, 28. März 2024

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Handel mit China
"100.000 Arbeitsplätze hängen an Saudi-Arabien"

Um fast sieben Prozent sind die Aktienkurse in China gefallen - worauf das Land die Notbremse zog und den Handel stoppte. Insgesamt werde sich die Weltwirtschaft von der derzeitigen Schwäche Chinas nicht freimachen, sagte Volker Treier vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag im DLF-Interview. "Als Nachfragemotor für unsere Produkte fällt China mehr oder minder aus."

Volker Treier im Gespräch mit Jessica Sturmberg | 04.01.2016
    Volker Treier
    Volker Treier: "Wir warnen schon seit Längerem, dass Außenwirtschaft kein Selbstläufer ist und dass Arbeitsplätze in diesem Bereich nicht permanent mehr werden." (picture-alliance / dpa/Hannibal Hanschk)
    Jessica Sturmberg: Zum Börsencrash in China und den Konsequenzen hören wir die Einschätzung von Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Herr Treier, sollte sich dieser Crash vom Sommer tatsächlich wiederholen, was hieße das für die Weltwirtschaft und insbesondere die deutsch-chinesischen Handelsbeziehungen?
    Volker Treier: Wir rechnen in diesem Jahr – basierend auf Befragungen der Unternehmen, die im Chinageschäft tätig sind – ohnehin nur noch mit einer Stagnation bei den Exporten. Das heißt, China fällt als Nachfragemotor auch für unsere Produkte mehr oder minder aus, was die Zuwachsraten anbelangt. Das ist schon eine gehörige Verschnaufpause, nachdem es mal mit China immer weiter aufwärts ging und damit auch mit dem Handelsvolumen China/Deutschland Jahr für Jahr auch mit über zweistelligen Wachstumsraten wir zu verzeichnen hatten, dass es in diesem Jahr, wenn es gut läuft, nur noch mit einer schwarzen Null rauskommen wird. Damit ist China weiterhin ein sehr wichtiger Handelspartner für uns, aber eben mit einer nicht mehr vorhandenen Dynamik, wie wir sie ursprünglich auch erwartet hatten.
    Sturmberg: Verschnaufpause klingt ja noch recht moderat – was bedeutet das denn für die Unternehmen in Deutschland, die sehr stark nach China exportieren, insbesondere auch für die Arbeitsplätze, die davon betroffen wären?
    Treier: Da muss man dann den Blick auf die Weltwirtschaft insgesamt legen und sich die Frage stellen, wird das, was jetzt im Zuwachs an China wegfällt, möglicherweise von anderen Regionen aufgefangen. Die Vereinigten Staaten wachsen ja zum Glück mit einem ordentlichen Plus von vielleicht dann bis zu drei Prozent, und dort haben wir gehörige Zuwachsraten beim Export zu verzeichnen. Das heißt, Unternehmen versuchen sich dann auch ein bisschen zu refokussieren, andere Länder in den Blick zu nehmen, aber. Und insofern warnen wir schon seit Längerem, dass Außenwirtschaft kein Selbstläufer ist und dass Arbeitsplätze in diesem Bereich nicht permanent mehr werden. Wir müssen eher umgekehrt darauf achten, dass wir das erhalten, was wir haben, und für die Außenpolitik auch immer wieder die Wirtschaft in den Blick nehmen.
    Sturmberg: Das Aussetzen des Handels an der Börse in Schanghai ist ja stark kritisiert worden. Werden Investitionen in China durch veränderte Rechtsstaatlichkeit risikoreicher?
    Treier: Investitionen in China sind risikoreicher, als wir das hierzulande gewohnt sind, keine Frage. Und deshalb ist es ja auch wichtig, dass man in einem Investitionsschutz geregelt hat zwischen Deutschland und China und dass man auf der europäischen Ebene verhandelt mit China über Investitionsschutz. Aber wovon man sich nicht freimachen kann, ist, dass China ein fundamentales Problem hat, sein Wirtschaftsmodell umzustellen von einem export- und investitionsbasierten Modell hin zu einem stärker auf nachhaltige Produktion und an den Konsumenten ausgerichteten Modell, das nicht nur auf günstige Arbeitskosten und damit auch schlechtere Qualität setzt, sondern auf hohe Qualität und Innovation. Dieser Prozess, der dauert, und der wird aber umso schwieriger, der ist unvermeidbar, denn China will sich da weiterentwickeln, aber er ist auch sehr schwierig, weil die chinesische Führung sich immer wieder in diese Prozesse einmischt und versucht die abzufangen und dadurch teilweise auch die Situation verschlimmbessert, und die Situation an der Börse ist ein Beispiel hierfür.
    Handel mit Saudi-Arabien sichert in Deutschland 100.000 Arbeitsplätze
    Sturmberg: Im Nahen Osten braut sich etwas zusammen, was womöglich auch empfindliche Folgen für die deutsche Wirtschaft haben könnte. Wie problematisch könnte das werden?
    Treier: Der Iran ist jetzt einer der wenigen Hoffnungsträger, die uns, wenn wir in die Weltregionen blicken, wirtschaftliche Zuversicht geben. Es ist jetzt auch nicht alles schlecht, aber es sind weltweit viele Krisen und Situationen – Wachstumsverlangsamung in China, Südamerika, Brasilien in der Krise, Russland in der Krise –, also unter den Schwellenländern ist im Moment die Hoffnung nicht weit ausgebreitet. Der Iran ist aber – war zumindest – bis dato ein Hoffnungsträger, weil man hoffte, und wir hoffen das immer noch, dass die Sanktionsregime der USA und der Europäischen Union fallen werden, und die Erwartungen sind, dass der Handel Deutschland/Iran mit wirklich zweistelligen Zuwachsraten aufwarten kann. Diese Verspannung jetzt allerdings, die politischen Auseinandersetzungen mit Saudi-Arabien, sprühen jetzt wirklich hier Sand in diese Hoffnungen. Wir wollen hier wirklich nicht unter die Mühlräder einer Auseinandersetzung kommen, dass dieses Hoffnungspflänzchen dann gleich im Keim erstickt wird, und das droht jetzt aber. Saudi-Arabien ist für uns ein wichtiger Handelspartner mit einem Exportvolumen von Deutschland aus gesehen von zehn Milliarden Euro. Der Iran nimmt nur zweieinhalb Milliarden Euro ab, aber allerdings mit der großen Hoffnung, dass das mehr wird. Aber diese Auseinandersetzungen können dazu führen, dass die arabische Welt sagt, wenn ihr mehr mit dem Iran macht, dann macht ihr weniger mit uns. Und das ist das Gefährliche aus Sicht der deutschen Wirtschaft in dieser Situation.
    Sturmberg: Wie problematisch wäre das denn für deutsche Unternehmen, wenn die deutsch-saudi-arabischen Wirtschaftsbeziehungen leiden würden?
    Treier: Wenn wir mal von den Arbeitsplätzen ausgehen, dann sichert der Handel mit Saudi-Arabien rund 100.000 Arbeitsplätze in Deutschland. Es sind viele Betriebe, die im petrochemischen Bereich in und mit Saudi-Arabien arbeiten – wir liefern viele Maschinen und auch Automobile in das Land –, insofern würde uns es treffen, wenn diese Auseinandersetzungen durchaus den Handel mit Deutschland auch beeinträchtigen.
    Sturmberg: Sie haben von einem Exportvolumen von zehn Milliarden Euro gesprochen, das ist ja auch unter Menschenrechtsgesichtspunkten immer wieder etwas, was hinterfragt wird. Also wie sehr stark sollte sich die deutsche Wirtschaft mit der saudi-arabischen verbandeln vor diesem Hintergrund, dass dort doch eine ganze andere Menschenrechtssituation vorherrscht? Hat das momentan überhaupt irgendeine Auswirkung, dass diese Situation so ist, wie sie ist?
    Treier: Bislang wurde Saudi-Arabien, allen Menschenrechtsproblemen zum Trotz, von der politischen Seite als ein – bis vor wenigen Jahren zumindest in den Mund genommen – strategischer Partner angesehen, und es war sehr erwünscht, dass die deutsche Wirtschaft im Rahmen des Erlaubten dort – und wir haben kein Sanktionsregime gegenüber Saudi-Arabien aufgebaut, kein Embargo –, dass in diesem Rahmen der Handel in und mit Saudi-Arabien oder Partnern des Landes möglich war. Und naturgemäß, als Vertreter der Industrie und des Handels, halte ich das auch für sinnvoll, weil wenn Sie auf die Menschenrechtssituation abzielen, ist es natürlich wichtig, zu sagen, unter welchen Umständen können wir denn einen Teil möglicherweise beitragen, dass die Situation sich verbessert. Und die Hoffnung war und ist, dass mit eher freien Märkten es auch einen Wandel durch Handel geben kann oder Handel dann einen Wandel auch in der politischen Frage mit sich bringt.
    Sturmberg: Aber zeigt Ihnen die momentane Situation nicht auch auf, also wenn wir jetzt gerade auf die Hinrichtungen schauen, dass das Konzept Wandel durch Handel da nicht doch stark ernüchtert wird, also dass es gar nicht zu diesem Wandel durch Handel kommt, wie man sich das so vorstellt?
    Treier: Ja, diese Hinrichtungen sind natürlich erschreckend für jeden Menschen, wenn man das beobachten muss, und dass der Wandel durch Handel, dieses Bild oder das ist eine Hoffnung, das ist natürlich auch geneigt, dass es Rückschläge gibt. Aber die Frage meines Erachtens, die man sich stellen sollte, ist dann: Welche Alternativen haben wir? Sollen wir keinerlei Handel betreiben, dann hätten wir heute die Beziehungen nicht, wären die Situationen dann besser oder hätten wir dann etwas auch zur Androhung, um dann sagen zu können, passt auf, wenn sich das nicht ändert, dann können wir ... Wenn Sie keinen Handel haben, dann können Sie auch nicht sagen, dass Sie hier das Band der wirtschaftlichen Beziehungen durchschneiden oder durchschneiden würden, wenn keine Verbesserungen eintreten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.