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Handgeknüpftes aus dem Ruhrgebiet

Er produziert mit Nomaden in Marroko oder dem Mogul-Volk aus Indien. Er benutzt Brennesselfasers oder Bambusseide. Jan Kath beliefert mit Teppichen die ganze Welt - und hat das Geschäft auch weit weg von Bochum für sich entdeckt.

Von Klaus Deuse | 19.08.2011
    In der umgebauten Fabrikhalle in Bochum, in der früher Industriemaschinen hergestellt wurden, ist wieder eine Warenlieferung eingetroffen. Eine Lieferung mit hochwertigem Inhalt. Mitarbeiter aus der Mongolei entfernen die Verpackung und unterziehen den Inhalt einer ersten Kontrolle: "Oh, this carpet came from Nepal!" Adressat der Lieferung und im Prinzip zugleich auch der Absender, da er dieses Unikat kreiert hat: Jan Kath, einer der international renommiertesten Teppichdesigner. Weltweit beschäftigt Kath rund 2.500 Mitarbeiter, die seine Entwürfe in handgeknüpfte Kunstwerke umsetzen.

    "Unsere Produktionen befinden sich zum Großteil noch immer in Nepal, wo wir hauptsächlich mit tibetischen Techniken und tibetischen Rohmaterialien arbeiten. Direkt im Grenzgebiet findet das statt, zwischen Tibet und Nepal. Wir betreiben eine kleine, aber feine Werkstatt im Atlasgebirge in Marokko, wo wir also auch wirklich mit den Nachfahren der Berbernomaden zusammenarbeiten und ganz authentische Produkte herstellen."

    Außerdem setzt der 38-Jährige auf die außergewöhnlichen handwerklichen Fähigkeiten der Nachfahren des Mogul-Volkes in Indien. Eine weitere Produktionsstätte befindet sich in Thailand, und zwar für die semi-industriellen Qualitäten. Allerdings auch für eine ausgesprochen noble Kundschaft. Wie etwa ein 200 Meter langer Teppich in Rot und Weiß mit einer handgestickten weißen Bordüre aus Neuseelandwolle und Bambusseide. Ein Teppich, der der Weltöffentlichkeit ins Auge stach - der beiden Menschen wegen, die darüber den Weg in die Ehe schritten. Fürst Albert II. von Monaco und Gattin Charlene:

    "Die Krone im wahrsten Sinne des Wortes konnten wir der Sache noch aufsetzen. Wir haben den Auftrag für die Ausstattung der letzten großen Hochzeit in Monaco bekommen."

    Ein Auftrag, über den Jan Kath lieber nicht viele Worte machen möchte. Ebenso wenig wie über seine erlesene Kundschaft, die normalerweise kleinere Teppiche bestellt:

    "Viele Politiker in Deutschland hier sind auch dabei. Auch das eine oder andere Gesicht aus dem Show-Geschäft hier in Deutschland. Das sind aber alles Leute, die mich mehr oder weniger stark bitten, da nicht noch genauer zu werden."

    Eine Bitte, der der Designer kommentarlos nachkommt. Was auch seinem eigenen Naturell entspricht. Es freut den schlanken, fast jungenhaft wirkenden 38-jährigen, dass seine Kreationen so gut ankommen. Aber er nimmt sich deshalb nicht wichtig. Und dass der Medien-Zar Rupert Murdoch auch zum Kundenkreis gehört, das erweckt bei ihm nicht den geringsten Stolz. Im Unterschied zu anderen Kunden, deren Kunst er wiederum schätzt:

    "Vor einem halben Jahr hatte ich das Glück, direkt mit Anthony Kiedes in Kontakt zu treten. Anthony Kiedes ist der Sänger und Frontmann von den Red Hot Chilli Peppers ."

    Was Kiedes und Kath verbinden mag: abseits ausgetretener Pfade neue Ideen zu entwickeln, ohne dabei ihre Bodenständigkeit zu verlieren. Design hat der ernsthafte Jan Kath übrigens nie studiert, mit Teppichen umzugehen jedoch von der Pike auf gelernt. Sein Großvater und Vater betrieben in Bochum bis Mitte der 1980er-Jahre im Ruhrgebiet das erste Haus für Orientteppich am Platz – bis der Zeitgeist dem geknüpften bunten Teppich den Boden entzog. Insofern verfügte er schon in ganz jungen Jahren über Hintergrundwissen:

    "Einfach dadurch, dass ich im elterlichen Geschäft aufgewachsen bin, als Kind schon über Teppichstapel getobt bin, mit meinem Vater in frühen Jahren im Iran verschiedene Basare besucht habe, Knüpfereien besucht habe."

    Und dennoch räumt er frank und frei ein:

    "Ich bin zum Design tatsächlich so ein bisschen wie die Jungfrau zum Kind gekommen."

    Als er nämlich zwei Jahre lang mit dem Rucksack in Asien unterwegs war, traf er in Kathmandu per Zufall einen Lieferanten seines Vaters. Der lud ihn erst zum Kaffee ein, machte ihn dann zum Leiter der Kontrolle seines Unternehmens am Ort und übergab ihm später symbolisch die Schlüssel zur Fabrik mit den Worten:

    "Hier, mach´ mal. Die nächste Messe ist in sechs Monaten, denk dir mal was aus."

    Seither hat sich Jan Kath eine Menge ausgedacht. Im Kopf und im Computer speichert er seine Ideen. Seinen kombinierten Ordner nennt er das, den er zwei-, dreimal im Jahr mit seinem Team öffnet.

    "Das kann ein Thema sein wie zum Beispiel Erosion, das kann ein Thema sein wie Satellitenbilder, das können Themen sein wie Materialien. Zum Beispiel arbeite ich ganz viel mit Brennnesselfasern, gleichzeitig im gleichen Stück aber auch mit Seide. Das heißt: Sehr konträre Rohmaterialien treffen aufeinander. Da entsteht Reibung, das interessiert mich. So schälen sich peu a peu Themen heraus."

    Auf Teppichen dargestellte Themen, die global Anklang finden. Zum Preis von etwa 1.300 Euro pro Quadratmeter in der Hundert-Knoten-Qualität. Kath versteht sich als traditioneller Handwerker und Künstler. In seiner Branche zähle man übrigens nicht nach Stückzahlen, merkt er an, sondern in Quadratmetern. Rund 16.000 Quadratmeter fertigen seine Mitarbeiter pro Jahr. In der Premiumqualität. Hinzu komme noch einmal die doppelte Menge im semi-industriellen Bereich. Zu den Kunden gehören in diesem Segment zum Beispiel nobelste Hotels auf dem Globus wie das Burj Dubai oder die Four-Seasons-Hotelkette und der renommierteste Luxusartikel-Hersteller Frankreichs, der seine Filialen mit Produkten aus der Fertigung von Jan Kath ausstatten lässt.

    Die Koordination, welche Filiale mit welchen Materialien bestückt werden soll, liegt bei Nadine Spärlich, die von Bochum aus mit den verantwortlichen Architekten in aller Welt die Fäden knüpft.

    "Die treten an uns heran, schicken uns ne gewisse Auswahl, eine Selektion an Teppichen und wir verarbeiten das dann und kommunizieren bei Nachfragen mit den Architekten und letztendlich platzieren wir die Bestellung in der Produktion."

    Wenn es darum gehe, zeitgenössisches Design im Textil zu entwickeln, dann zähle man mit zur internationalen Speerspitze. Nachdenklich sagt das Jan Kath auf Nachfrage zur Selbstverortung in der Branche. Ohne jeden Anflug von Überheblichkeit. Grund zur Zufriedenheit gäbe es allemal. So übersteigt sein Unternehmen in diesem Jahr beim Umsatz erstmals die Zehn-Millionen-Euro-Grenze und der Designer nimmt außerdem die Neue Welt, Amerika, ins Visier. Mit der Eröffnung einer Niederlassung im Big Apple: In New York.