Freitag, 19. April 2024

Archiv

Handwerkskunst
Bei den Goldschlägern im fränkischen Schwabach

Es ist ein jahrtausendealtes Handwerk: die Herstellung von Blattgold. Von Indien über den vorderen Orient kam diese Kunst im Mittelalter auch ins Frankenland. Die mittelfränkische Stadt Schwabach entwickelte sich zu einem Zentrum des Goldschlagens. Noch heute werden von dort jährlich Tonnen von Blattgold in die ganze Welt geliefert.

Von Klaus Lockschen | 10.01.2016
    Der Vergolder und Fassmaler Karl Günter Rohr vergoldet am 30.04.2013 im Dom in Mainz (Rheinland-Pfalz) den "Domsgickel". Der Wetterhahn des Mainzer Doms wird in den Räumen des Diözesanmuseums im Mainzer Dom vergoldet.
    "Es gibt kein Metall, das sich so dünn schlagen lässt wie Gold", so der Goldschläger Klaus Huber. (picture alliance / dpa / Fredrik von Erichsen)
    "Hier war ein ständiges Orchester der schlagenden Hämmer. Da wurde selbst bis tief in die Nacht geschlagen, und der Geräuschpegel der gehörte ganz einfach zur Schwabacher Abendmusik."
    "Ich kann mich noch erinnern: In den 60er-Jahren, da haben Sie nie früh verschlafen. Um punkt sieben Uhr hat hier in Schwabach die Erde gebebt."
    Klaus Huber und Reinhold Bohlsen sind Stadtführer in der mittelfränkischen Gemeinde. So, wie die 71 Meter hohe, gotische Stadtkirche das sichtbare Wahrzeichen von Schwabach sei, betonen sie, sei das Hämmern das akustische Pendant. Seit gut 500 Jahren wird hier Blattgold geschlagen. Der 73-jährige Reinhold Bohlsen deutet in der Kirche auf den 1508 fertiggestellten, wuchtigen Flügelaltar aus der Werkstatt von Michael Wolgemut, dem Lehrer von Albrecht Dürer. Untersuchungen an den Vergoldungen des Altars hätten ergeben, "dass die Blattgröße die Blattgröße der Schwabacher Goldschläger ist. Es hat ja in jeder Zunft verschiedene Blattgröße. Schwabach hat ja 82 mal 82 Millimeter. Und andere eben andere. Da konnte man immer unterscheiden: Wo kommt des dann her?"
    Jahrtausendealtes Handwerk
    Das Goldschlagen - ein jahrtausendealtes Handwerk, das von Indien über den vorderen Orient im Mittelalter auch das Frankenland erreichte. Zunächst Nürnberg, doch wegen der dortigen, starren Handwerksordnung kehrten Goldschläger der Stadt den Rücken und ließen sich in der Nachbargemeinde nieder.
    "Jetzt stellte sich nach kurzer Zeit heraus, dass man in Schwabach das Blattgold um 30 Prozent dünner schlagen konnte wie in Nürnberg. Warum? Schwabach liegt in einem Talkessel und Nürnberg auf einer Sandebene. Und Sandebene ist ein trockenes Klima, und hier ist ein Idealklima in unserem Schwabach, dass sich das Gold so dünn schlagen lässt."
    Konstant 70 Prozent Luftfeuchtigkeit sind optimal, sagt Reinhold Bohlsen. So konzentrierte sich das Handwerk allmählich, bis schließlich um 1900 "in der Hochzeit der Schwabacher Goldschlägerbetriebe 130 Betriebe in Schwabach ansässig waren, die ungefähr 1.500 Arbeitsplätze schufen bei 10.000 Einwohnern."
    Die Stadt war damit nicht nur die deutsche Metropole der Blattgoldherstellung, sondern auch in Europa die Nummer eins. 40 Prozent der Weltproduktion wurden hier schweißtreibend am Rande der Altstadt geschlagen. Meist Familienbetriebe, in denen nicht selten drei Generationen bei den zahlreichen Arbeitsschritten von Legieren, Walzen, immer wieder Hämmern und Beschneiden zusammenarbeiteten.
    Das Handwerk hat sich über die Jahrhunderte hinweg kaum verändert, erklärt Dieter Drottleff, mit 62 der älteste aktive Goldschlägermeister Deutschlands. Erst seit rund 30 Jahren wird mit computergesteuerten Schlagmaschinen gearbeitet, die die reine Muskelkraft zunehmend überflüssig machen. Regelmäßig demonstriert er im Goldschlägermuseum das alte Handwerk.
    Vor ihm der Goldschlägerstein, hüfthoch mit polierter Oberfläche und in Sand gestellt, um die Schlagenergie zu absorbieren - und eine Palette von Hämmern - zwischen anderthalb und 12,5 Kilo schwer.
    "Und jeder Hammer hat eine Bezeichnung. Das ist zum Beispiel der Anschlager, das ist der Ausschlager, das ist ein Austreiber, das ist ein Setzhammer und das ist der schwere."
    Auch Fertigmacher genannt. Wohl in doppeltem Wortsinn. Denn im Schnitt wird gut 6.000 Mal auf die mit Ziegenleder umhüllte Schlagform gedroschen. Bis zu sechs Stunden lang. Dann ist das Material so platt ausgeschlagen, dass zwei Gramm Gold eine Fläche von gut einem Quadratmeter bedecken können.
    "Es gibt kein Metall, das sich so dünn schlagen lässt wie Gold. Nämlich bis zu einem 14.000stel Millimeter runter. Das heißt, Sie legen 14.000 Blatt aufeinander, hab ich einen Millimeter. Man kann das Gold so dünn schlagen, man kann durchschauen wie durch Fensterglas."
    Goldschlägerei und Bierbrauerei
    Schwere körperliche Arbeit und Durst gehören zusammen, schmunzelt Klaus Huber:
    "Die Goldschlägerei, denen wird ja auch immer nachgesagt, dass sie sehr durstig waren. Und so ist vielleicht auch nachvollziehbar, dass die Goldschlägerstadt Schwabach die Bierbrauerstadt in der ganzen Region war, wo bis zu 60 Braustätten aktiv waren."
    Unter der Altstadt in den Fels gegraben, erstreckt sich im kühlen Sandstein ein 18 Kilometer langes Labyrinth von Bierkellern. Doch die letzte Brauerei ist längst abgewandert, die Gänge sind verwaist.
    Die Talfahrt für das exportorientierte Goldschlägerhandwerk begann in der NS-Zeit. Das Ausfuhrverbot auf das Edelmetall führte viele Betriebe in den Bankrott. Dennoch: Die goldenen Zeiten sind in der fränkischen Stadt heute keineswegs passé.
    "Durch die modernen, computergesteuerten Maschinen gibt es in Schwabach noch drei Betriebe, die immer noch, und das ist frappierend, 40 Prozent der Weltblattgoldherstellung herstellen."
    Ohne deren Goldblättchen wären Bauwerke wie Berliner Siegessäule, Invalidendom, Buckingham Palace und der Palast des Sultans von Brunei glanzlos. Die Schwabacher Abendmusik aber ist längst aus der Altstadt verbannt. Sie ertönt nun leise aus der Vorstadt. Und wer nicht verschlafen will, der stellt den Wecker.
    Redaktioneller Hinweis: Die Recherche zu dem Beitrag wurde durch die Stadt Schwabach unterstützt.