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Handy
Das Betriebssystem selbst übernehmen

Mit dem Rooten und Jailbreaks übernehmen Anwender die Kontrolle über ihr Smartphone. Achim Killer erklärt die Vor- und Nachteile.

Achim Killer im Gespräch mit Manfred Kloiber | 14.02.2015
    Manfred Kloiber: Rooten und Jailbreaks – was Anwender unternehmen, damit sie mit ihrem Handy tun und lassen können, was sie wollen. Informationen von Achim Killer waren das. Mit ihm bin ich jetzt verbunden. Herr Killer, leuchtet Ihnen das Argument der Hersteller eigentlich überhaupt nicht ein, dass es einfach riskant ist, wenn man sich mit Administratorrechten an einem Rechner zu schaffen macht, ohne ausreichende Kenntnisse zu haben?
    Achim Killer: Also wenn – sagen wir mal - eine systemrelevante Bank mir die Administration ihrer Mainframes übertragen würde, dann wäre das sicherlich eine fatale Maßnahme, eine, die geeignet wäre, eine Finanzkrise auszulösen. Aber ihre Endgeräte, die administrieren die, die es tun, in aller Regel doch sehr gut. Sich selbst drum zu kümmern, ist besser als es Hersteller und Händlern zu überlassen. Die installieren Crapware und fehlerhafte Patches. Das kann man verhindern, indem man überlegt und prüft, was auf den Rechner soll, so wie es ein Admin halt macht. Es ist ja auch nichts dagegen einzuwenden, wenn ein Hersteller anbietet, Administrationsaufgaben zu übernehmen, also beispielsweise das System auf dem aktuellen Sicherheitsstand zu halten. Aber die Anwender, die Eigentümer der Geräte, davon auszusperren, das lässt sich mit nicht Sicherheitsüberlegungen begründen. – Nein, umgekehrt wird ein Schuh daraus. Jeder Jailbreak und jedes Rooten sind Belege für das Versagen der Hersteller in Sachen Sicherheit.
    Manfred Kloiber: Warum denn das?
    Achim Killer: Na ja, das sind Hacks. Und die nutzen Sicherheitslücken aus. Dann werden die gestopft und neue gefunden. Vor allem Apple hat ganz massiv Soft- und Hardware verändert, nur um Jailbreaks zu verhindern. Man wünscht den Anwendern ja, dass ihr Handyhersteller sich genau so viel Mühe gibt, wenn es darum geht, Internetkriminelle auszusperren, wie er sich anstrengt, um seine Kundschaft außen vor zu halten. Aber genutzt hat es nichts. Bisher ist noch für jede Betriebssystemversion ein Jailbreak entwickelt worden.
    Manfred Kloiber: Aber es ist doch auch gefährlich, Software aus unzuverlässiger Quelle zu installieren.
    Achim Killer: Ja, das ist der gängige Weg, wie Schadsoftware auf Smartphones und Tablets kommt. Die User installieren sie. Deshalb werden die Apps ja auch überprüft, die in seriösen App-Shops angeboten werden – in App-Store von Apple, in Google Play – aber auch im Jailbreaker-Store von Cydia. Die Frage ist jetzt: Warum sollte man bei den Großen, bei Google und Apple besonders viel Gewissenhaftigkeit vermuten? Aus Google Play haben sich erst vor ein paar Tagen wieder Millionen Anwender Werbetrojaner heruntergeladen.
    Manfred Kloiber: Was ist also der Grund, warum die Hersteller den Anwendern die Root-Rechte verweigern? Was meinen Sie?
    Achim Killer: Es geht um Nutzerdaten. Es geht um Apps, die Nutzerdaten abgreifen, um werbefinanzierte Apps, die nicht deinstalliert werden sollen. Es geht um die Integrität und Verbreitung der Plattform. Kurz: Es geht um die Kontrolle der Endgeräte. Die ist bares Geld wert.
    Manfred Kloiber: Wie verbreitet sind Jailbreaks und gerootete Android-Handys denn? Gibt es dafür Zahlen?
    Achim Killer: Keine validen. Vor allem nicht bei Android. Bei iOS spielt Apple die Bedeutung von Jailbreaks herunter. Saurik wiederum übertreibt sie wohl. Da, bei Android kann man von einer einstelligen Prozentzahl ausgehen oder - absolut gesehen – von einer zweistelligen Millionenzahl.
    Manfred Kloiber: Und was meinen Sie, wohin geht die Entwicklung in der Zukunft?
    Achim Killer: Also bei Apple ist die Entwicklung offen. Bei Android aber dürfte das Rooten zunehmen. Die Gadgets kommen in die Jahre, werden von den Herstellern nicht mehr unterstützt. Es gibt keine Sicherheitsupdates mehr. Also liegt es nahe, die Dinger zu knacken und ein Custom-ROM aufzuspielen. Das jüngste Beispiel ist der alte Android-Standard-Browser. Der hat ein Loch. Und damit sind auch alle Apps unsicher, die seine Engine nutzen. Google aber repariert den Browser nicht mehr, weil es sagt: Die Leute sollen doch ein neueres Android verwenden. Das hat Chrome als Standardbrowser. Das würden die Leute vielleicht auch gerne, können es aber nicht, weil der Hardwarehersteller ein neues Android nicht mehr auf ein altes Gerät anpasst. Davon sind über die Hälfte aller Anwender betroffen. Die stehen vor der Alternative: Augen zu und durch – ist ungünstig, wenn man Online-Banking macht – oder: wegwerfen und neu kaufen – so etwas ist den Anbietern immer recht – oder: rooten.