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Hannover Messe
Vom Partnerland Schweden lernen

Vom neuen Mobilfunkstandard 5G bis zur Verkehrswende - Schweden präsentiert sich als Partnerland auf der Hannover-Messe mit digitalen und grünen Lösungen. Von den exportorientierten und innovationsfreudigen schwedischen Unternehmen könnte sich die deutsche Wirtschaft einiges abschauen.

Von Alexander Budde | 27.03.2019
Flagge Schweden
In Schweden ist man in Sachen Digitalisierung schon deutlich weiter (picture alliance / Hinrich Bäsemann)
Michael Alefs leitet die Smart Cities Initiative von ABB Deutschland. Auf der Hannover Messe will das schwedisch-schweizerische Technologieunternehmen digitale Lösungen vorstellen, die Städte grüner machen, indem sie mit der Luftverschmutzung auch das Klimagift CO2 reduzieren.
Als besonders gelungenes Beispiel beschreibt der weltgrößte Hersteller von Ladeinfrastruktur ein Pilotprojekt in Schwedens fünftgrößter Stadt Västerås:
Michael Alefs: "Mit dem hiesigen lokalen Energieversorger in Västerås haben wir dann die einzelnen dezentralen Energieversorgungen, die der Betreiber hat, in einer neuen Betriebsumgebung zusammengeführt. Das sind Batteriespeicher, das sind konventionelle Kraftwerke, das sind Wasserkraftwerke, das ist Fernwärme. Durch diese Bündelung dann auch diese neue Transparenz zu haben – und dann zu gucken: Wo müssen wir Energieressourcen sparen, wo können wir optimieren, wo brauchen wir welche Energie? "
Schnelles Internet auch in abgelegenen Regionen
Das erste nordische Partnerland der Messe hat sich ambitionierte Ziele gesetzt. Schweden will Verbrennungsmotoren ab 2030 komplett verbieten. An der nordschwedischen Küste entsteht derzeit Europas erste Großfabrik für Lithium-Ionen-Batterien für den Einsatz in Elektrofahrzeugen.
Das "Who is Who" aus Politik und Wirtschaft wird in Hannover erwartet - unter anderem will der Netzwerkausrüster Ericsson zeigen, wie der neue Mobilfunkstandard 5G neue Lösungen und Geschäftsmodelle in der industriellen Fertigung ermöglicht.
Ein von innen durch Feuer beleuchtetes Zelt unter Bäumen in einer Schneelandschaft in Lappland
Schweden ist dünnbesiedelt (picture alliance/ Sodapix AG/ Dieter Mendzigall)
Mit Deutschland hat Schweden einige Standortnachteile gemeinsam: Auch das dünnbesiedelte Schweden mit seinen knapp zehn Millionen Einwohnern ist ein Hochlohnland, wie Deutschland leidet es unter Fachkräftemangel.
Doch Schweden hat sich viel früher als Deutschland entschieden, auf die Chancen des digitalen Wandels zu setzen - und die Infrastruktur entsprechend ausgebaut. Heute haben selbst die abgelegenste Schäreninsel und selbst das kleinste Unternehmen Zugang zum schnellen Internet.
Sozialstaat fördert Risikofreude
Ob Spotify, Tetra Pak oder Minecraft: Viele Innovationen kommen aus Schweden, wo Marktbedürfnisse schneller erkannt werden als anderswo.
"Schweden ist ein Sozialstaat, und das führt dazu, dass die Menschen es wagen, Risiken einzugehen. Wenn Du zum Beispiel eine Firma gründest und das funktioniert nicht, dann gibt es ein Sicherheitsnetz, das dich auffängt. Oder Du wagst es, eine Ausbildung anzufangen, ohne schon genau zu wissen, ob Dich das weiterbringen wird. Und die Lust am Risiko ist eben die Grundlage jeglicher Innovation", sagt Anna Liberg.
Sie ist Geschäftsführerin von Business Sweden Germany und Handelsbeauftragte in Deutschland. Flache Hierarchien im Arbeitsleben ermutigen Mitarbeiter Ideen einzubringen, aber auch auf lehrreiche Fehler hinzuweisen. Die Schweden vertrauen ihren Behörden und ihren Unternehmen, dass sie mit Daten korrekt umgehen.
Deutschland ist Schwedens mit Abstand wichtigster Handelspartner
Liberg: "Ganz Schweden ist im Grunde ein Testfeld, weil die Schweden gern neue Techniken ausprobieren, eine neue Applikation zum Beispiel, die sich auf dem Smartphone einsetzen lässt. Es ist kaum noch Bargeld im Umlauf, fast alle Schweden sind online - also in Schweden wird viel ausprobiert, was anderswo so nicht möglich wäre."
Deutschland ist Schwedens mit Abstand wichtigster Handelspartner. 1.000 deutsche Firmen sind in Schweden aktiv, in Deutschland beschäftigen 1.300 schwedische Unternehmen über 120.000 Mitarbeiter. Die vor zwei Jahren begründete Innovationspartnerschaft bei Zukunftsfragen wie Mobilität, Gesundheit, Energieversorgung und Digitalisierung will Botschafter Per Thöresson gern vertiefen.
Per Thöresson: "Wir sind sehr exportorientiert genau wie Deutschland. Und ich glaube, wir brauchen vor allem in Europa mehr Zusammenarbeit, nicht weniger. Wir brauchen keine Grenzen, sondern wir müssen in Europa diese World Champions aufbauen. Man muss die Regeln anpassen: Weil Konkurrenz innerhalb von Europa ist heute nicht mehr so relevant. Man muss wirklich auf die Welt schauen."