Dienstag, 19. März 2024

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Hans Scheibner wird 80
"Für mich ist das schönste Geschenk mein Publikum"

Im Laufe seiner Karriere hat es sich der Kabarettist Hans Scheibner immer wieder mit verschiedenen Gruppen verscherzt. Beispielsweise mit dem NDR, der seine Sendung "scheibnerweise" nach einem Eklat absetzte. Morgen feiert er seinen 80. Geburtstag. Im Corso-Gespräch spricht er über seinen ereignisreichen Werdegang.

Hans Scheibner im Corso-Gespräch mit Sören Brinkmann | 26.08.2016
    Kabarettist und Autor Hans Scheibner
    Produktiv bis ins hohe Alter, Kabarettist und Autor Hans Scheibner (dpa / Bodo Marks )
    Sören Brinkmann: Hans Scheibner. Autor, Kabarettist, Liedermacher, Lästerlyriker - gerade über diese letzte Bezeichnung haben Sie gesagt: So werden Sie immer genannt, weil Journalisten den Begriff Lästerlyriker einmal in ihrem Archiv hatten und ihn deswegen immer wieder aufwärmen. Was wäre denn Ihre liebste Eigenbezeichnung?
    Hans Scheibner: Ach, ich finde das eigentlich ganz gut, obwohl ich ja so wenig Lyrik eigentlich gemacht habe. Ich habe das ja nur damals empfunden, weil ich auf einer Veranstaltung war, wo es um Lästerlieder ging und da ich damals noch keine Lieder geschrieben habe, sondern nur satirische Gedichte, habe ich das dann Lästerlyrik genannt. Und das ist dann hängen geblieben.
    Brinkmann: Wenn wir jetzt über diese vielen Attribute auch gesprochen haben, also Lyriker, Autor, Sie haben Theaterstücke gemacht - das hat schon in der Mittelschule angefangen. Gibt es da einen Teil, den Sie besonders hervorheben oder vielleicht auch ausblenden wollen?
    Scheibner: Nein, nein, man soll da nichts ausblenden. Das ist ja alles mein Leben. Nur das ist ein bisschen zerrissen worden. Ich habe ja leider noch nicht einmal Abitur machen können, weil ich bin 1936 geboren und nach dem Krieg, da ging ja alles drunter und drüber, und meine Eltern hatten kein Geld und wir wohnten in einer Garage und so. Und da musste man so schnell es ging sogar ein bisschen mitverdienen. Da habe ich schon als sogenannter Lehrling damals monatlich ein bisschen was abgeben müssen. Aber das hat mir nicht geschadet, weil dadurch bin ich darauf gekommen, mich selbst zu unterrichten sozusagen. Ich habe also angefangen, praktisch von Null an habe ich sämtliche Literatur durchgelesen. Bei Aristophanes ging es los und bei Tennessee Williams hörte es auf.
    Brinkmann: Klassischer Autodidakt.
    Scheibner: Ja, das kann man so sagen. Ich war mir damals über diesen Ausdruck noch nicht mal klar, aber so ist das gewesen.
    Brinkmann: Genauso eben mit den Theaterstücken, mit denen Sie ja früh angefangen haben, eben in der Mittelschule.
    Scheibner: Ja, ja, klar, da habe ich dann mein erstes Theaterstück geschrieben, das auch schon ein bisschen skandalumwittert war.
    Brinkmann: Weil es so sadistische Inhalte und Verse zum Teil hatte, die Sie ja auch zitieren?!
    Scheibner: Ja, ja. Soll ich mal aufsagen?
    Brinkmann: Ich glaube, das können wir uns erlauben.
    "Das ist ja nur ein Bühnentext gewesen"
    Scheibner: Ja, also da kommt drin vor: Eine Amme, die eine Jungfrau bewachen muss, die sagt: 'Ich möcht mal ein Gehirn zersägen und den glitschig-feuchten Bregen mit beiden Händen gierig fassen und durch die Finger quetschen lassen. Wer niemals jemand umgebracht, der weiß nicht wie es glücklich macht, im Fleische seines Feinds zu wühlen' und so weiter und so weiter. Also wenn das heute einer in der Schule sagen würde, dann würde er wahrscheinlich erst Mal in einer psychiatrischen Anstalt eingeliefert werden und es würde geprüft, ob er irgendwie an Waffen rankommen kann, weil man dann befürchtet, dass er irgendwie so ein Attentat auf die Schule ... war aber alles nicht so. Und wir haben das trotzdem spielen können.
    Brinkmann: Ja, das ist schon erstaunlich, dass Sie das in der Nachkriegszeit auch auf die Bühne bringen durften.
    Scheibner: Ja, ja, ich weiß auch nicht. Das ist natürlich überhaupt gar keine Kunst. Man kann sich ja mal was ganz Böses und Grausames eben mal kurz ausdenken. Das ist ja nur ein Bühnentext gewesen.
    Brinkmann: Und was auffällt, wenn man so auf Ihre Biografie schaut, da haben Sie es sich öfters mal verscherzt - auch gerade mit den Gruppen, wo Sie eigentlich gerade angekommen waren, also als Liedermacher, in der linken Szene und dann hatten Sie eine eigene Fernsehunterhaltung. Die haben Sie dann auch wieder verloren, weil Sie angeeckt sind. Ja, Sie haben den Eklat nicht gescheut irgendwo.
    "Wenn ich ein bisschen klüger gewesen wäre, wäre ich vielleicht weitergekommen"
    Scheibner: Nein, aber ich habe ihn auch nicht gesucht. Ich habe das nicht absichtlich gemacht. Das erste Mal - was haben Sie da eben gemeint? Das war ja wahrscheinlich diese Talkshow.
    Brinkmann: Genau, dass Sie in der NDR-Talkshow, von der Sie selber gesagt haben, "die Talkshow Ihres Lebens", in der NDR-Talkshow haben Sie ein Lied vorgetragen, in dem Sie... Ja, es lässt sich so lesen, dass Sie Soldaten als Mörder bezeichnen. Daraufhin haben Sie dann Ihre Fernsehunterhaltung verloren im Ersten.
    Scheibner: Ja, ja, genau. Das war ein Lied über Lysistrata und der Vers war: 'Die Frauen von heute sind ja selbst nicht zu retten. Ihre Söhne schicken Sie ja noch immer in den Krieg und mit Mördern teilen Sie die Betten.' Und nun saß da in der Talkshow der damalige Verteidigungsminister Wörner und außerdem war die ganze Talkshow nur voller Soldaten - das war nämlich zum 30-jährigen Bestehen der Bundeswehr. Ja, und dann ging es los: Wen meinen Sie denn mit Mörder und so? Meinen Sie unsere Soldaten sind Mörder? Und ich habe dann sinngemäß zumindest gesagt: Nee, eigentlich nicht die Soldaten sondern mehr Sie. Denn man muss ja bedenken, das war eine Situation, in der die ganze Welt kurz vorm Untergang stand, weil sich die Großmächte mit Atomwaffen bedrohten. Und dieser Atomkrieg wäre nämlich in Deutschland ausgetragen worden. Ja, und das wollten die aber nicht hören. Und dann haben sie mich rausgeschmissen, ja.
    Brinkmann: Ja, und zuvor schon haben Sie - gerade bei dem linken Lager, weil Sie diesen Dogmatismus, dieses Marx-Dogma sozusagen etwas kritisch beäugt haben, zugleich auch Hannes Wader sehr kritisch gesehen haben in einem Stück - also auch da haben Sie sich dann keine Freunde gemacht.
    Scheibner: Nee, nee, das ist wahr. Wenn ich ein bisschen klüger gewesen wäre, dann wäre ich vielleicht noch weitergekommen.
    Brinkmann: Bereuen Sie manch eine Aussage oder tut es Ihnen auch menschlich leid?
    Scheibner: Nein, was Hannes Wader angeht, den liebe ich. Also der hat großartige Sachen gemacht und so. Aber damals ging da eben immer auch eine Diskussion voran. Und Hannes hat mir damals gesagt, ich wollte dir nur mal sagen - empört hat er das gesagt - ich bin jetzt Kommunist und bin jetzt in die kommunistische Partei eingetreten. Und ich habe nur gesagt: Ja, dann musst du das aber auch existierend ausdrücken, denn Kommunist sein, da bekennt man sich wirklich zum Marxismus und dann muss man für die Arbeiterklasse kämpfen und zunächst mal seine eigenen, materiellen Wünsche zurückstellen. Und nö, das fand er natürlich nicht so gut. Und ich habe gedacht, das ist doch nicht dasselbe wenn du in die KPD eintrittst, als wenn du in die FDP eintrittst. Naja, und darum ging es und dann habe ich dieses Lied gemacht.
    "Stolz sind ja immer die Leute von der Pegida, dass sie Deutsche sind."
    Brinkmann: Ja, wenn wir über den politischen Hans Scheibner sprechen, Sie waren in der Antiatombewegung ganz präsent - gerade wegen Ihrer Brockdorf-Ballade "Achterndiek", die Sie gemacht haben. Sind Sie stolz, dass Sie da auch Teil dieser Protestbewegung warnen?
    Scheibner: Also ich finde allein schon den Ausdruck stolz, finde ich irgendwie nicht so angebracht. Man freut sich, man ist mit Begeisterung dabei. Aber stolz sind ja immer die Leute von der Pegida, dass sie Deutsche sind und darauf bin ich nicht so stolz drauf.
    Brinkmann: Da sind Sie schon bei einem sehr aktuellen Thema. Ich wollte nämlich gerade sagen, eigentlich der Kampf gegen Atomkraftwerke ist jedenfalls in Deutschland kein wesentliches Thema mehr. Es gibt auch keinen Streit mehr um marxistische Dogmatik im linken Lager. Welche sind denn jetzt die wichtigsten Themen aus Ihrer Sicht die aktuellen?
    "Das grenzte ja schon an Christentum, was Merkel da gemacht hat"
    Scheibner: Natürlich ist es diese scheußliche Lage, dass es auf der einen Seite solche Leute gibt, die unbedingt die deutsche Kulturlandschaft sauber halten wollen und das Abendland retten vor den islamistischen Horden. Und andererseits ist es natürlich tatsächlich eine Schwierigkeit, mit dem Islam so umzugehen, dass er hier nicht auch wieder irgendwelche idealistischen Zwänge aufbauen kann.
    Brinkmann: Fühlen Sie sich da irgendwie zwischen den Stühlen aufgerieben?
    Scheibner: Nein, nein, überhaupt nicht. Ich meine, das war das erste Mal im Kabarettleben oder so, dass ich Frau Merkel bewundert habe. Ich habe sogar ein kleines Lied über sie geschrieben, über dieses "Wir schaffen das schon". Denn das grenzte ja schon an Christentum, was sie da gemacht hat und Barmherzigkeit. Da habe ich gedacht, jetzt hat sie endlich verstanden, was das C in der CDU zu suchen hat. Aber das geht ja nun wahrscheinlich auch wieder nach hinten los und das finde ich beschämend, was da mit Seehofer alles passiert ist. Wie kann man Menschen, die - da muss man ja immer dahinter sehen - Menschen, die aus dem Krieg gekommen sind - ich habe den Krieg ja noch miterlebt, aber nicht so grausam wie die in Syrien und so - Wie kann man die, die stehen vor der Tür und haben Kinder auf dem Arm und sagen, das ist die Gefahr? Nicht, gut, also wie das natürlich nachher gekommen ist, dass da auch böse Buben drunter sind, das ist klar. Das muss man irgendwie klar sehen, wie man damit fertig wird.
    "Für mich ist ja auch das schönste Geschenk, mein Publikum"
    Brinkmann: Sie werden jetzt 80...
    Scheibner: Nee, das kann ich nicht denken. Ist das wahr?!
    Brinkmann: Feiern Sie?
    Scheibner: Ja, das ist gut, dass Sie darauf zu sprechen kommen. Wie machen ein großes Konzert in der Hamburger Laeiszhalle und ja, ich spiele mit einer vierköpfigen Band. Mein Freund Barry Saarlouis ist dabei und Helge Zumdieck, der Schlagzeuger. Andreas Dopp, einer der besten Gitarristen, die ich kenne und Thomas Biller.
    Brinkmann: Aber das ist die große Gala. Feiern Sie auch privat?
    Scheibner: Nee, da habe ich ja gar keine Zeit zu an dem Tag. Ich habe da ja gerade Geburtstag am 27. und dann feiern wir hinterher. Und für mich ist ja auch das schönste Geschenk, mein Publikum.
    Brinkmann: Ja, und Sie sind auch in Ihrem 80. Lebensjahr noch sehr produktiv gewesen. Das Buch ist gerade erschienen "Ich will nicht in den Himmel". Da geht es um Ihre eigene Lebensgeschichte. Auch das Album, "Und plötzlich ist der Himmel wieder offen". Sie hatten mal auch intensiv mit Werbetexten zu tun und gerade bei Werbetexten, da geht es um Prägnanz. Wie würden Sie, wenn Sie sich bewerben müssen, was würden Sie auf ein Plakat schreiben?
    Scheibner: Oh Gott, am liebsten würde ich schreiben: Ausverkauft. Wenn es sich um eine Veranstaltung handelt. Aber das kann man ja leider nicht immer. Ja, was würde ich auf ein Plakat schreiben? Auch nicht, das macht doch nicht, das merkt doch keiner, denn das wäre ja auch nicht in Ordnung. Da überraschen Sie mich aber. Wie soll man sich selbst mit einem einzigen Wort oder Slogan beschreiben? Respektlos und trotzdem ein Mensch oder so.
    Brinkmann: Hans Scheibner. Autor, Kabarettist, Liedermacher und Lästerlyriker, hier im Gespräch bei Corso. Ganz herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben.
    Scheibner: Ich danke Ihnen auch.