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Haptisches Display
Der Screen toucht zurück

Berührungsempfindliche Bildschirme gibt es mittlerweile überall. Aber manchmal vermisst man doch das Gefühl, auf Knöpfe zu drücken, vor allem, wenn man beim Bedienen nicht hinschauen kann. Einen virtuellen Knopf, den man fühlen kann - den gibt es schon, wenn auch noch nicht auf dem Markt.

Von Frank Grotelüschen | 05.04.2019
Junge Menschen stehen zusammen und nutzen ihre Smartphones.
Touchscreens gehören inzwischen zum Alltag. Bekommen die Displays bald auch virtuelle Knöpfe? (picture alliance / Bildagentur-online/Tetra Images)
Der saarländische Forschungsstand auf der Hannover Messe. Ingenieur Philipp Linnebach steht vor einem Tablet-Computer – ein handelsübliches Modell, das in einer Art Rahmen steckt. Jetzt führt er einen Finger über den Touchscreen. Der zeigt nichts weiter als ein graues Quadrat, das eine Schaltfläche darstellt – einen Knopf. "Ich gehe hier über die Fläche. Und sobald ich auf dem Knopf bin, spüre ich, als würde ich auf einem Knopf drüberfahren."
Ein verblüffender Effekt: Der Knopf ist nicht nur zu sehen, sondern auch zu spüren. Er ist leicht erhaben, wie ein richtiger Knopf. Und als Linnebach seinen Finger auf diesen virtuellen Knopf presst, wird es sogar noch verblüffender. "Dann spüre ich ein haptisches Feedback, als würde ich den Knopf wirklich drücken."
Wie auf Knopfdruck
Es fühlt sich an, als würde der Knopf tatsächlich einrasten. Dahinter stecken hauchdünne Aktuatoren, die sich blitzschnell ausdehnen können und dadurch ein haptisches Feedback erzeugen. "Hierzu verwenden wir dünne Silikonfolien ähnlich der Silikonfolie, die man aus dem Haushalt kennt. Die werden beidseitig mit einer leitfähigen Tinte bedruckt."
Nähert sich der Finger der Schaltfläche, werden die Silikonfolien unter Hochspannung gesetzt, 1,6 Kilovolt. Dadurch werden sie schlagartig dicker und heben den Bildschirm an, wenn auch nur um ein Fünftel Millimeter – was für einen haptischen Eindruck völlig reicht. Beim Prototyp sitzen die Aktuatoren quasi provisorisch unter dem Tablet, also außerhalb des Geräts.
Das aber soll bald anders werden, sagt Linnebach, Forscher an der Universität des Saarlands. "Klar. Das kann man alles als ein Bauteil konstruieren. Das Ganze kann integriert werden zu einem Gesamtsystem."
Auch mehrere Schalter nebeneinander sind machbar. Sie können auf verschiedene Art vibrieren, fühlen sich also unterschiedlich an – und lassen sich dadurch voneinander unterscheiden. Hilfreich könnte das sein, wenn man bei der Bedienung eines Geräts nicht so genau hinschauen kann.
Fühlen, wenn man nicht hingucken kann
"Man sitzt im Auto, hat ein Touch-Display. Alles sieht wunderschön aus. Aber wenn ich den Sender wechseln möchte, muss ich ja doch hinschauen. Mit diesem neuen System kann ich auf dem Touch-Display den Knopf suchen, merke, wenn ich auf dem Knopf bin und kann ihn dann drücken."
Allerdings müssen die Fachleute noch nachweisen, dass ihre Aktuatoren nicht vorschnell den Geist aufgeben. Und brauchen sie nicht zu viel Strom, um fürs Smartphone in Frage zu kommen? Nein, meint Philipp Linnebach. "Wir arbeiten zwar mit relativ hohen Spannungen, mit 1,6 kV. Aber die Ströme sind im Mikroampere-Bereich. Das bedeutet, die Leistung, die verbraucht wird, ist sehr gering."
Die Materialien sind günstig, Silikon und leitfähige Tinte kosten nicht viel. Das könnte ein Pluspunkt sein gegenüber anderen Ansätzen, an denen diverse Firmen derzeit arbeiten: Bei ihnen soll die Haptik durch winzige Federn erzeugt werden oder durch eine Flüssigkeit, die blitzschnell eingespritzt wird und das Display dadurch ein wenig dicker macht.
Auf dem Markt ist von all dem aber bislang noch nichts. Die Saarländer jedenfalls hoffen, ihre Technik in zwei bis drei Jahren serienreif zu machen – und haben dafür nun eigens ein Startup-Unternehmen gegründet.