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Harte Einschnitte

Kürzung der Gehälter von Staatsbediensteten und Rentensenkungen: Die portugiesische Regierung bleibt auch 2014 auf einem harten Sparkurs. Doch der Haushaltsentwurf für das kommende Jahr beinhaltet Maßnahmen, die wahrscheinlich nicht vom Verfassungsgericht abgesegnet werden.

Von Tilo Wagner | 15.10.2013
    In einer kleinen Ortschaft im Großraum Lissabon klappert ein Bauzaun im Wind. Dahinter steht ein flacher Rohbau, die Wände halb verputzt, ohne Fenster oder Türen. Hier sollte eigentlich ein Tagespflegeheim für Senioren gebaut werden. Doch seit der Wirtschafts- und Finanzkrise steht alles still.

    Maria de Rosário sitzt in einem kleinen Vereinsraum und erzählt von dem Bauprojekt ihres Seniorenverbandes:

    "Die erste Bauphase ist abgeschlossen. Doch jetzt haben wir kein Geld mehr. Wir müssen mehr Spenden von unseren Mitgliedern einsammeln. Aber in der jetzigen Situation ist das sehr schwer."

    Viele Mitglieder des Vereins sind Rentner oder öffentlich Angestellte – und diese beiden Gruppen werden auch im kommenden Jahr weniger Geld zur Verfügung haben. Die konservative Regierung will die Gehälter der Staatsbediensteten zwischen 2,5 und 12 Prozent kürzen und so die punktuellen Sparmaßnahmen der vergangenen Jahre zu einer langfristigen Lösung machen. Außerdem sollen die Renten ehemaliger öffentlich Angestellter um 10 Prozent und ein Teil der Verbliebenenrenten zusätzlich gekürzt werden.

    In der vergangenen Woche hatte sich Premierminister Pedro Passos Coelho in einer Fernsehfragestunde mit ausgesuchten Publikumsgästen noch einmal ganz klar dazu geäußert, wer die Last für den Schuldenabbau Portugals zu tragen habe:

    "Es ist unmöglich, dass Haushaltsdefizit zu senken und so das Vertrauen unserer internationalen Geldgebern zu gewinnen, ohne dabei die Gehälter im öffentlichen Dienst und die Renten zu senken. Aber für viele werden die Einschnitte insgesamt nicht so hart ausfallen wie im Jahr 2012."

    Die portugiesische Regierung hatte versucht, bei der Troika aus EU, IWF und Europäischer Zentralbank eine Lockerung der Defizitvorgaben für das kommende Jahr zu erreichen. Doch die internationalen Geldgeber blieben hart: Nach einem von 5,5 Prozent in diesem Jahr darf Portugal im kommenden Jahr nicht mehr als 4 Prozent neue Schulden aufnehmen.

    Die Vereinbarung ist auch als Zeichen gegenüber Kritikern in Portugal und im Ausland zu verstehen, die in jüngster Zeit Zweifel erhoben haben, ob das Land tatsächlich wie geplant im nächsten Sommer an die Finanzmärkte zurückkehren werde.

    Die neue Sparpolitik ist jedoch nicht frei von Risiken. Über einen Teil der Maßnahmen könnte das portugiesische Verfassungsgericht noch in diesem Jahr entscheiden. Außerdem wird der gesamte Haushalt den obersten Verfassungsrichtern im kommenden Jahr voraussichtlich wieder vorgelegt. In den Augen vieler Regierungsvertreter und ihrer Partner in Brüssel profiliert sich das Gericht als Opposition, die den Reformkurs Portugals gefährden würde.

    Diese Meinung weisen portugiesische Kommentatoren heftig zurück und verweisen auf die Unfähigkeit der Regierung, ihre Sparpolitik so zu gestalten, dass sie verfassungskonform ist und von einer breiten Mehrheit getragen wird. Pacheco Pereira, der als Vizepräsident des Europäischen Parlaments bis 2004 die Farben der Regierungspartei von Passos Coelho getragen hatte, geht mit seinen ehemaligen Kollegen hart ins Gericht:

    "Die Regierung versucht immer, das Geld bei denjenigen einzutreiben, die sich nicht angemessen verteidigen können. Und das Verfassungsgericht ist die einzige Kraft, die es geschafft hat, diesen gesetzeswidrigen Kurs zu begrenzen."

    In ihrem kleinen Vereinsheim unterhält sich Maria Rosário mit einer Freundin über das Seniorenheim. Die Rentnerin hat seit über zwanzig Jahren einen großen Teil ihrer Freizeit dafür geopfert, Geld für das Projekt einzutreiben. Doch jetzt schwingt Resignation mit, wenn sie über die Bauruine spricht:

    "Ich glaube, ich werde die Eröffnung nicht mehr miterleben. Es wäre schön gewesen, da meinen Lebensabend zu genießen. Vielleicht sehe ich aus dem Himmel zu, wenn das Heim fertig gebaut wird. Das ist schließlich immer mein Traum gewesen."