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Harter Sparkurs auf Kosten irischer Studenten

Die Umsetzung des Reformpaktes sei in Irland auf allerbestem Wege, urteilt die Troika aus Vertretern der EU-Kommission, der EZB und des IWF. Der Preis: Im Zeichen des eisernen Spardiktats sind die Etats der irischen Hochschulen in den letzten vier Jahren um gut ein Viertel gekürzt worden.

Von Martin Alioth | 20.01.2012
    Die 24-jährige Ann-Maria McCarthy steht im letzten Jahr ihres Bachelorstudiums der englischen Literatur am Trinity College in Dublin. In der Wohnung einer Mitstudentin in einem der ehrwürdigen, verwitterten Gebäude der Universität macht sie Kassensturz. Sie wartet immer noch auf den Bescheid, ob sie auch dieses Jahr ihr Stipendium von rund 6000 Euro erhält.

    Den Bedürftigkeitsnachweis hat sie erbracht, aber die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam. Derweil ist ihre Studiengebühr von 2000 Euro, die eigentlich auch vom Staat übernommen werden sollte, aufgeschoben. Aber leben muss sie trotzdem. So widmet sie sich ihrer Teilzeitstelle als Marketing-Assistentin: 20 Stunden pro Woche für das frugale Überleben, 30, wenn sie für etwas sparen muss.

    Jürgen Barkhoff, Germanistik-Professor am Trinity, und bis vor kurzem im Präsidium der Uni, schildert die andere Seite der Gleichung:

    "So dass wir heute zwischen 20 und 25 Prozent weniger staatliche Gelder bekommen als auf der Höhe des Booms, 2007/2008. Und gleichzeitig mit erheblich gestiegenen Studentenzahlen konfrontiert sind, weil in der Krise natürlich viele, auch arbeitslos gewordene, ihr Hoffnung auf eine bessere Ausbildung setzen."

    Die Teilnehmerzahlen der Kurse steigen an, die Mittel für Doktoranden werden zusammengestrichen, und am Schluss sollten die Absolventen in einen Arbeitsmarkt eintreten, der eine Arbeitslosenquote von über 14 Prozent aufweist. Bei Barkhoff regen sich Erinnerungen an die 80er-Jahre:

    "Ein anderer Aspekt, der uns Sorgen macht, ist die Tatsache, dass wir wieder zunehmend für die Emigration ausbilden."

    Die 23-jährige Aislinn McKenna bereitet sich auf Ihren Master als Wirtschaftsprüferin im Technikum von Dundalk vor, eine Autostunde nördlich von Dublin. So viele Absolventen gingen gleich nach Australien, dass sie meint, für sie müsste es dann doch eine Stelle hier in Irland geben.

    Auch Aishlinn wartet noch auf die stattlichen Unterstützungsgelder und arbeitet in einer Frittenbude. Sie lebt von der Hand in den Mund, während sie wartet. Ihre Mitstudentin Aisling Murphy gibt Klavierstunden und macht Hauslieferungen für eine Pizza-Küche: Das Geschäft laufe gut, da so viele Leute sich die Restaurants nicht mehr leisten könnten.

    Von ihren Eltern darf sie auf keine Hilfe hoffen, denn die trennten sich zum dümmsten Zeitpunkt: Die gingen 2006 auseinander und beide kauften noch Häuser, bevor die Immobilienblase platzte. So endet letztlich fast jede irische Geschichte dieser Tage in der Baubranche.

    Die Hochschulen Irlands drängen derweil auf die offizielle Wiedereinführung von Studiengebühren. Diese wurden 1995 formell abgeschafft, aber seither ist eine Einschreibegebühr an ihre Stelle getreten.

    David Brannigan, Vizepräsident des Stundenverbandes in Dundalk, zieht eine Zwischenbilanz: 13 Mal schon wurde diese Gebühr erhöht, im kommenden Herbst steigt sie auf 2250 Euro pro Jahr. Doch die Universitäten erhalten netto nicht mehr, der Staat kürzt seine eigenen Subventionen entsprechend. Dabei wäre es gerade für ein Land wie Irland, dessen Wirtschaft stark auf die Hochtechnologie ausgerichtet ist, überlebenswichtig, hoch qualifizierte Fachkräfte auszubilden.