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Hasenhüttl: Papst-Äußerungen sind "rückwärtsgewandt"

Der katholische Theologe Professor Gotthold Hasenhüttl sieht in den Entscheidungen und Vorstellungen von Papst Benedikt XVI. einen Kurs, der den Fundamentalismus in der Kirche vorantreibe. Die Wiederaufnahme von Bischof Richard Williamson habe gezeigt, dass der Papst den Aufbruch, den das Zweite Vatikanische Konzil anstieß, zurückdrehen wolle, betonte der vom Priesteramt suspendierte Theologe.

Gotthold Hasenhüttl im Gespräch mit Dirk Müller | 03.03.2009
    Dirk Müller: Die Finanzkrise war das geplante Top-Thema auf der Tagesordnung der deutschen Bischöfe, die seit gestern in Hamburg auf der traditionellen Frühjahrsversammlung zusammensitzen. Doch dann kam die Pius-Bruderschaft, Bischof Williamson, der Papst, die weltweite Kritik, der anhaltende Streit innerhalb der Kirche über den richtigen Umgang mit Konservativen, mit Erzkonservativen und mit Unbelehrbaren.

    Die Katholische Kirche in der Glaubwürdigkeitskrise. Darüber sprechen wollen wir nun mit dem katholischen Theologen Professor Gotthold Hasenhüttl, der vor fünf Jahren vom Priesteramt suspendiert worden ist. Guten Morgen!

    Gotthold Hasenhüttl: Guten Morgen!

    Müller: Herr Hasenhüttl, verliert die Katholische Kirche immer mehr an Vertrauen?

    Hasenhüttl: Das kann man durchaus sagen durch diesen Eklat jetzt, aber man muss sehen, dass der Papst ganz klar einen eindeutigen Kurs fährt, nämlich möglichst zurück hinter das Zweite Vatikanische Konzil, einen Kurs, der eben den Fundamentalismus in der Kirche favorisiert.

    Müller: Also hat der Vatikan Schuld?

    Hasenhüttl: Was heißt Schuld? Er hat eben eine ganz bestimmte Linie, die er, der Papst, durchziehen möchte, und dieser Holocaust-Leugner ist für ihn eigentlich nur ein Nebenschauplatz, denn es geht ihm ja darum, dass er möglichst die Leute in die Kirche hineinholt, die einen fundamentalistischen Standpunkt haben.

    Müller: Dann war diese Auseinandersetzung um die Pius-Bruderschaft, um Richard Williamson, kein Unglück, kein Unfall, sondern ganz bewusst gesteuert?

    Hasenhüttl: Es war absolut keine Panne, wie etwa Kardinal Lehmann meint, sondern es war durchaus vom Papst beabsichtigt. Allerdings hat er sicher nicht erwartet, dass aufgrund der Holocaust-Leugnung ein solcher Aufstand gleichsam in der Kirche entsteht.

    Müller: War das naiv vom Papst, das nicht zu erwarten?

    Hasenhüttl: Das kann ich so eigentlich nicht beurteilen. Es ging ihm eben um ein ganz wichtiges zentrales Thema für ihn und das ist eben gegen die moderne Gesellschaft, gegen den Relativismus, gegen eine Art Aggiornamento in der Kirche aufzutreten und eben klar die reine Lehre zurückzuführen auf die Tradition, wie er sie sieht.

    Müller: Sie sehen das ja relativ gelassen, wenn ich Sie richtig verstanden habe, wenn wir über diese Autorität des Zweiten Vatikanischen Konzils reden. Sie haben das gerade angesprochen. Es geht darum, das quasi zurückzudrehen hinter dieses Datum. Was würde sich ändern? Was will der Papst ändern?

    Hasenhüttl: Der Papst will eben all diese Öffnung, diesen Aufbruch, der im Zweiten Vatikanischen Konzil geschehen ist, gleichsam zurückdrehen und die Fenster, die im Zweiten Vatikanum geöffnet wurden, wieder zumauern. Das zeigt sich zum Beispiel schon allein darin, dass er die Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils, lumen gentium, uminterpretiert. Es hat ganz klar das Zweite Vatikanische Konzil die Intention gehabt, indem es gesagt hat, die Katholische Kirche ist eine, aber eben nur eine Verwirklichung der Kirche Christi, zu öffnen auch auf evangelische Christen, dass sie Kirche sind. Jetzt interpretiert der Papst es so, dass das Zweite Vatikanum gesagt habe, nur die Katholische Kirche sei die wahre Kirche Christi, und er spricht ja den evangelischen Christen das Kirchesein ab. Das ist zum Beispiel so ein typischer Punkt, indem er das Zweite Vatikanische Konzil uminterpretiert, und er kann es insofern, als er ihm eben einen ganz geringen Stellenwert zuspricht. Das heißt, das Zweite Vatikanische Konzil sei nur ein Pastoralkonzil gewesen und habe keine dogmatische wirkliche Bedeutung.

    Müller: Ist das für Sie, Herr Hasenhüttl, wenn ich Sie da einmal unterbrechen darf, was Sie gerade angeführt, ausgeführt, erklärt haben, dieser Alleinvertretungsanspruch der Katholischen Kirche, ist das quasi ein Angriff auf die Religionsfreiheit?

    Hasenhüttl: Ich meine, das wäre vielleicht übertrieben, aber immerhin ein Angriff darauf, dass andere Religionen genauso einen Platz in der Welt haben wie die Katholische Kirche, und es ist durchaus nicht abwegig zu sagen, dass Benedikt XVI. die Aussagen Gregor XVI. im 19. Jahrhundert, seines Vorgängers, wiederholt, zwar nicht in dieser scharfen Form, als er, dieser, sagte, die Religions- und Gewissensfreiheit sei eine absurde Wahnidee. Freilich sagt das so in dieser Weise Papst Benedikt XVI. nicht, aber er meint eben, dass durch diese Dekrete der Religionsfreiheit ein Relativismus eingeführt wird, der nicht tragbar ist.

    Müller: Anlass unseres Gesprächs heute Morgen, Herr Hasenhüttl, ist ja die Deutsche Bischofskonferenz in diesen Tagen in Hamburg. Wenn wir das einmal übertragen auf die bischöfliche Praxis sozusagen, bedeutet das jetzt schon, können Sie jetzt schon feststellen, dass die deutschen Bischöfe in dieser Frage klipp und klar gespalten sind?

    Hasenhüttl: Gespalten würde ich nicht ohne weiteres sagen, sondern es gibt eben die, die ganz besonders diesen fundamentalistischen Kurs in der Katholischen Kirche favorisieren, und andere, die hier sehr zurückhaltend sind und die noch immer eine Öffnung entsprechend dem Zweiten Vatikanischen Konzil wollen.

    Müller: Wie beispielsweise Walter Mixa oder Ludwig Müller?

    Hasenhüttl: Ja. Die sind natürlich ganz auf diesem Kurs. Das sind eben die so genannten "vier M", Meisner, Mixa, Müller und Marx, die diesen Kurs fahren.

    Müller: Tut das der Kirche gut, dass beide Strömungen vertreten sind?

    Hasenhüttl: Ob das der Kirche gut tut, würde ich so wohl nicht sagen, sondern es zeigt sich, dass nicht beide Strömungen gleichberechtigt in irgendeiner Weise in der Kirche dastehen, sondern dass ganz klar der Papst eine Richtung favorisiert, die ich für ein Unglück in der Kirche halte.

    Müller: Ist das denn für die kirchliche Praxis, gerade auch für die vielen Mitglieder der Katholischen Kirche in Deutschland, für die Gemeinden, die immer noch aktiv sind, die vielleicht dann jeden Sonntag oder wann auch immer in die Kirche gehen, ist das wirklich relevant, welche Signale der Papst in dieser detaillierten Innenansicht, wie Sie es eben auch erklärt und erläutert haben, vertritt?

    Hasenhüttl: Ich meine schon, dass das sehr relevant ist, weil sich nun ganz viele Gläubige eben an den Äußerungen des Papstes orientieren. Es ist ja nicht so, dass er einfach überhaupt keine Autorität darstellt, sondern die Autoritätsgläubigkeit ist ja gerade oft unter den Katholiken sehr weit verbreitet und dieser Gehorsamsgedanke, das was der Papst sagt, ist in Ordnung, ist sehr stark verbreitet und viel weniger die Eigenverantwortung, die eigentlich dem Christen von der Botschaft Jesu her zukommen würde. Die steht im Hintergrund.

    Müller: Demnach tut der Papst der Katholischen Kirche nicht nur gut?

    Hasenhüttl: Nein. Ich meine, die ganze Linie, die er fährt, zeigt sich ja schon in seiner sogenannten Regierungserklärung, die er 2005 abgegeben hat, in seinem Kompendium des Katechismus, in dem er wirklich das Zweite Vatikanische Konzil überhaupt nicht berücksichtigt hat. Man muss ja doch bedenken, alle seine Äußerungen über künstliche Befruchtung, über Sterbehilfe, über Abtreibung, über Gentechnik und so weiter sind alle ja rückwärts gewandt, während er dann zugleich aber etwa die Teufelsaustreibungen, die Exkommunikation, die Exorzismen befürwortet und das Opus Dei favorisiert und so jetzt eben auch die Pius-Bruderschaft.

    Müller: Bei uns im Deutschlandfunk der katholische Theologe Gotthold Hasenhüttl. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Hasenhüttl: Bitte! Gerne.