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Hat Peter Harry Carstensen noch Lust?

Er würde schon gern. Doch das kann er Angela und der Partei nicht antun. Nicht jetzt, wo so viele diesen Schritt machen. Zuletzt Ole aus Hamburg. Der hat ihm damit keinen Freundschaftsdienst erwiesen. Futsch ist der Plan vom Ausstieg vor der Zeit. Dabei interessiert Schleswig-Holsteins Landesvater Peter Harry Carstensen doch weit mehr als nur Politik:

Von Uwe Nieber | 22.07.2010
    "Ich könnte mich gut beschäftigen mit vielen anderen Dingen. Ich habe ganz tolle Enkelkinder - da bin ich ganz begeistert -, mich dort ein bisschen mehr einzubringen, vielleicht mal was schreiben – Kinderbücher habe ich ja mal gesagt. Mein Treibhaus, meine Fische, mein Hof. Also, wissen Sie, ich könnte mich sowas von beschäftigen. Ich würde selten Langeweile haben."

    Aber das Gewächshaus muss warten. Weil Hamburgs Bürgermeister von Beust dem Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein zuvorgekommen ist. Jetzt sitzt der in der Zwickmühle. Wie gesagt: Peter Harry würde schon gern. Aber gerade jetzt will er das der CDU und ihrer Bundesvorsitzenden nicht antun. Obwohl der eine oder andere Parteikollege in Kiel und Berlin immer wieder mal tuschelt, dass der Hüne von der Nordsee amtsmüde sei. Nach fast fünf Jahren Krach-Koalition mit der SPD und seither als oberster Notstandsverwalter klammer Landeskassen in einem schwarz-gelben Bündnis. Immer seltener kommt da Freude bei der Arbeit auf:

    "Ich bin nie einer gewesen, der sich um irgendein Amt beworben hat, sondern ich bin immer gefragt worden. Und das hat mich dann interessiert. Und dann habe ich es gemacht."

    An seinem Stuhl klebt Carstensen wahrlich nicht. Sein unbedingtes Faible fürs Amt ist längst dahin. Die Terminhatz strapaziert seine Gesundheit. Proteste gegen den Sparkurs der Landesregierung setzen seinem Harmoniebedürfnis zu. Mitarbeiter erleben ihn öfter gereizt. Nach seiner jüngsten Regierungserklärung meldete er sich erschöpft krank. Es wäre höchste Zeit für einen Rücktritt – der eigenen und der Lebensqualität seiner zweiten Frau Sandra zu Liebe:

    "Ich bin lange alleine gewesen, und wir lieben uns. Wir freuen uns, dass wir zusammen sind und dass wir jetzt verheiratet sind."

    Das Leben könnte so schön sein. Wenn da bloß sein Pflichtgefühl nicht wäre. Einen Nachfolger für Carstensen gibt's auch schon: CDU-Fraktionschef Christian von Boetticher. Selbst wenn die Zweifel am Kronprinzen aus den eigenen Reihen wachsen und er beim Bündnispartner FDP nicht bloß Freunde hat. Aber im Zweifelsfall würde wohl die Koalitionsräson siegen. Muss sie auch – bei nur einer Stimme Mehrheit im Landtag. Nur wenn alle mitmachen, klappt ein denkbarer Austausch des Ministerpräsidenten.

    Carstensen würde dann auf der Hinterbank seiner Fraktion Platz nehmen und hätte endlich Zeit fürs Gewächshaus. Ein verlockendes Gedankenspiel für die Gallionsfigur der Nord-CDU und seine politischen Erben. Ob es eine Chance bekommt, entscheiden jedoch nicht Politiker, sondern Verfassungsrichter. Ende August wollen sie die Klagen gegen das jüngste Landtagswahlergebnis geprüft haben. Wird es vor Gericht verworfen, so könnten sich die Mehrheitsverhältnisse gegen Schwarz-Gelb verkehren. Peter Harry Carstensen würde dann wohl über kurz oder lang seinen Posten als Regierungschef verlieren und sich damit trösten, dass er sein Ziel Gewächshaus erreicht hat – wenngleich ungewollt. Nur so übrigens wäre ihm ein Rückzug ins Private ohne Kritik der eigenen Leute und der Bürger möglich.