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Haus der Kulturen der Welt
Faszination Affen

Affen sind seit Jahrhunderten für den Menschen interessant, aufgrund der Nähe beziehungsweise Unterschiede zueinander. Die Ausstellung "Ape Culture - Kultur der Affen" im Haus der Kulturen der Welt in Berlin illustriert den aktuellen Forschungsstand und wie Affen in der Kunst dargestellt werden.

Von Oliver Kranz | 30.04.2015
    Zwei Schimpansen im Qingdao Zoo in Shandong, China umarmen sich gegenseitig, um sich warm zu halten. Sie liegen in einer Art Hängematte.
    Zwei Chimpansen im Qingdao Zoo in Shandong, China umarmen sich gegenseitig, um sich warm zu halten. (imago / China Foto Press)
    Heute gelten Affen als soziale Wesen. Sie leben in großen Gruppen und lernen voneinander. Deshalb wird in der Ausstellung von einer Kultur der Affen gesprochen. Texte, Bilder und Videos illustrieren den aktuellen Forschungsstand. Doch es wird auch gezeigt, wie Affen in der Kunst dargestellt werden. Besucher stehen einer Skulpturensammlung von Klaus Weber gegenüber, der Statuen zusammengetragen hat, die alle einen Affen zeigen, der auf einem Bücherstapel sitzt und einen menschlichen Schädel in der Hand hält.
    "Da sind schon verschiedene Bedeutungen drin eingepackt", sagt Anselm Franke, der die Ausstellung gemeinsam mit Hila Peleg konzipiert hat.
    Das erinnert ein bisschen an Rodins Denker. Das ist auch ein Vanitas-Motiv. Das hat auch etwas mit der von Menschen konstruierten Universalgeschichte zu tun. Der Affe sitzt auf bestimmten Büchern. Im allerersten Fall, diese Skulptur wurde ursprünglich vom deutsch-jüdischen Künstler Hugo Rheinhold in Berlin im 19. Jahrhundert angefertigt. Da saß der Affe auf der Bibel und auf Darwin.
    Affen sind in der Kunst häufig Spiegelfiguren
    Man kann darüber rätseln, ob der Affe Religion und Evolutionstheorie studiert hat oder nicht, ob die Statuen für den Sieg der menschlichen Welterklärungskonzepte stehen oder für ihren Untergang. Klar ist, dass Affen in der Kunst häufig Spiegelfiguren sind.
    Im Kultfilm "Planet der Affen" verhalten sich Affen wie Menschen und Menschen wie Affen - ein einfacher aber sehr wirksamer Verfremdungseffekt. Die New Yorker Performerin Coco Fusco macht ihn sich zunutze, indem sie im Kostüm einer Planet-der-Affen-Wissenschaftlerin einen Vortrag über Menschen hält. Ein Video davon ist in der Ausstellung zu sehen. Da werden Überproduktion und krankhaftes Erfolgsstreben aufs Korn genommen - Verhaltensweisen, die aus dem Blickwinkel der Affen einfach irrational sind.
    Echte Affen haben mit ihren Abbildungen in der Kunst meist nur wenig zu tun. Und auch in der Wissenschaft gibt es Theorien, die mehr über ihre Urheber aussagen, als über die Tiere, die sie zu beschreiben versuchen. Die Ausstellung trägt einige zusammen - die ältesten aus der Zeit der Aufklärung. Damals wurde darüber nachgedacht, was die Natur von der menschlichen Kultur unterscheidet.
    "Wenn man sich vorstellt, dass wir, bevor wir in den sozialen Vertrag eingetreten sind in einer Welt lebten, wo der Mensch des Menschen Wolf ist, wird man andere Legitimationsmechanismen, andere Institutionen brauchen, als wenn man davon ausgeht, wie Rousseau, dass wir vor der Zivilisation in einem Zustand der paradiesischen Unschuld lebten."
    Wissenschaft und Affen
    Seit dem späten 19. Jahrhundert wird das Verhalten von Affen wissenschaftlich untersucht. Wie sozial sind sie, wie anpassungsfähig, wie klug? Die Untersuchungen erfolgten natürlich nicht im luftleeren Raum:
    "Wenn wir hier in der Ausstellung die frühen Experimente der Intelligenzprüfung anschauen, von 1917 während des Ersten Weltkriegs entstanden, durchaus auch verbunden mit der Frage nach Rationalisierung der Fabriken und der Kriegführung - wo eben auch Affen zu Forschungsobjekten wurden und wie der Begründer der amerikanischen Primatologie Robert Yerkes gesagt hat: psychobiologische Goldminen, an den man studieren kann, wie man menschliche Natur optimieren und rationalisieren kann."
    Spätere Untersuchungen ordneten die Affen wieder eindeutig dem Tierreich zu. Die Ausstellung zeigt, wie die Forschungsgeschichte Debatten folgt, die in der jeweiligen Zeit ohnehin geführt wurden. In den 80er-Jahren, als in vielen westlichen Staaten neoliberale Kräfte die Oberhand gewannen, wurde auf einmal von Killeraffen gesprochen, die ihre Artgenossen töten. Heute werden wieder die sozialen Kompetenzen der Tiere hervorgehoben. Leicht zu konsumieren ist die Ausstellung mit ihren textlastigen Schautafeln und spröden Dokumentarfilmen nicht, aber es lohnt sich, sich hindurch zu kämpfen. Es ist beeindruckend, wie menschlich die Kultur der Affen in vielerlei Hinsicht ist.