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"Glory to Hongkong"
Eine Hymne wird zum Symbol der Protestbewegung

Der Widerstand hat ein Lied: Tausende Hongkonger singen aus Protest, in Kaufhäusern, vor Balustraden. Den Song hat ein Unbekannter komponiert, übers Internet wurde der Text kollektiv verfeinert. Zentrale Botschaft: nicht aufgeben, weiter kämpfen für Demokratie und Freiheit.

Von Axel Dorloff | 14.09.2019
Demonstranten auf dem Victoria Peak in Hongkong.
Demonstranten auf dem Victoria Peak in Hongkong (PA/AP/Kin Cheung)
Auf mehreren Stockwerken in Einkaufszentren, an Straßenecken, in Parks: In Hongkong sammeln sich derzeit Menschengruppen, um gemeinsam "Glory to Hongkong" zu singen. Komponiert von einem Musiker, der sich "Thomas" nennt, hat sich das Lied innerhalb kürzester Zeit zu einer Hymne der Protestbewegung entwickelt. Der Songtext handelt von der Selbstverpflichtung der Aktivisten, nicht aufzugeben und weiter auf demokratische Freiheiten zu pochen. Manche reden von einer neuen Nationalhymne für Hongkong.
Es ist einer der schönsten Blicke über Hongkong: vom Victoria Peak über die Wolkenkratzer und den Hafen. Mit 552 Metern ist der Victoria Peak die höchste Erhebung auf Hongkong Island. Zehntausende sind am Abend gekommen, um zum traditionellen Mondfest eine Menschenkette zu bilden. Viele schwenken kleine, selbst gebastelte Laternen, die sie auf der Taschenlampe ihres Smartphones befestigt haben. Andere leuchten mit Laserpointern in den Abendhimmel. Und immer wieder stimmen die Menschen ein Lied an: Glory to Hongkong.
Der Komponist will anonym bleiben
Das Lied ist innerhalb kürzester Zeit zur neuen Hymne der Hongkonger Demokratiebewegung geworden. Komponiert von einem Musiker, der seine Identität nicht preisgeben will. Der Text wurde kollektiv übers Internet immer wieder verfeinert. Die zentrale Botschaft: die Hongkonger werden nicht aufgeben, für Demokratie und Freiheit zu kämpfen. Die 52-jährige Frau Chong ist mit ihrem 17-jährigen Sohn gekommen.
"Es geht um den Spirit von Hongkong. Eine klare Botschaft an alle Hongkonger, wie wir diese Bewegung unterstützen. Der Song ist für mich sehr berührend und drückt aus, wie wir an diesen Ort gehören. Egal wie schwer es wird, wir müssen weiter machen und dieses Lied singen, auch weil es ein sehr friedlicher Protest ist."
Pro-Peking Protestanten hinter chinesischen Flaggen in einer Mall in Hongkong. Zuvor hatte sich die Demokratiebewegung in Shopping-Centern zu spontanen Gesangseinlagen getroffen.
Pro-Peking Protestanten hinter chinesischen Flaggen in einer Mall in Hongkong. Zuvor hatte sich die Demokratiebewegung in Shopping-Centern zu spontanen Gesangseinlagen getroffen. (PA/Vernon Yuen)
In den vergangenen Tagen ist es in Hongkong immer wieder spontan zu Gesangs-Flashmobs gekommen. Dabei besonders beliebt: mehrstöckige Kaufhäuser mit Balustraden. Tausende Menschen, die auf mehreren Stockwerken singen. Die Videos kursieren im Internet, ebenso wie eine professionelle Version der Hymne, mit Streichern und anderen Musikern, die die Protestfarben Schwarz und dazu Gasmaske oder Atemschutz tragen.
Die Gesangsveranstaltungen sind bislang alle friedlich geblieben – keine eskalierende Gewalt zwischen Demonstranten und der Polizei, wie so oft in den vergangenen Wochen. Eine Hymne – auch als neue Protestform. Dieser junge Hongkonger ist Ende 20 und nennt sich A.
"Ich habe das Gefühl, dass wir damit etwas Gemeinsames gefunden haben, das uns alle zusammenhält. Ich habe mich in meinem kurzen Leben immer gefragt, was es bedeutet, Hongkonger zu sein. Die Gesellschaft sagt uns dies oder das, aber das ist jetzt der Moment, an dem wir sagen können: wir sind einfach Hongkonger. Nichts anderes, nicht chinesisch, nicht britisch, einfach nur Hongkonger."
Verbote wurden zuletzt immer wieder ignoriert
Hongkonger mit fünf Forderungen, von denen erste eine erfüllt ist: die vollständige Rücknahme des umstrittenen Auslieferungsgesetzes. Die anderen bleiben: der Rücktritt von Regierungschefin Carrie Lam, eine unabhängige Untersuchung der Polizeigewalt, eine Amnestie für die Festgenommenen sowie freie Wahlen. Auch für dieses Wochenende sind neue Proteste angekündigt, einen für morgen geplanten Marsch durch die Innenstadt hat die Polizei untersagt. Solche Verbote sind aber zuletzt immer wieder ignoriert worden.