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Haushaltsentwurf
"Groteske Diskussion"

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Carsten Schneider hat die Diskussion um die Verschiebung der Kindergelderhöhung als grotesk bezeichnet. Ein ausgeglichener Haushalt sei für Familien von weitaus größerer Bedeutung, sagte er im Deutschlandfunk.

Carsten Schneider im Gespräch mit Christiane Kaes | 12.03.2014
    Christiane Kaess: Wenn die Pläne von Wolfgang Schäuble aufgehen, dann würde dem Bundesfinanzminister Historisches gelingen, denn seit 1969 hat es keinen ausgeglichenen Haushalt mehr gegeben. Jetzt ist dieses Szenario ab dem Jahr 2015 zumindest realistisch. Allerdings muss Wolfgang Schäuble dafür das Geld auch gut zusammenhalten und hier und da Löcher stopfen. So hat er schon angekündigt, dass die Krankenkassen weniger Zuzahlung vom Staat bekommen sollen, und auch die Erhöhung des Kindergeldes wird eventuell verschoben. Heute geht es im Kabinett auch um den Haushalt 2014.
    Mitgehört hat Carsten Schneider. Er ist als Fraktionsvize der SPD zuständig für Haushalt und Finanzen. Guten Morgen!
    Carsten Schneider: Guten Morgen.
    Kaess: Herr Schneider, dass die Erhöhungen des Kindergeldes ausbleiben könnten für einen ausgeglichenen Haushalt, das hat für Diskussionen gesorgt. Wird die Finanzplanung auf dem Rücken der Familien ausgetragen?
    Schneider: Da gibt es groteske Diskussionen. Wer von zwei Euro möglicher Kindergelderhöhung sagt, das wäre dann der Untergang des Abendlandes, das halte ich für grotesk. Es ist auch noch gar nicht entschieden. Der entscheidende Punkt ist, dass wir mit dem Haushalt in der Finanzberatung auch heute im Kabinett und danach auch im Bundestag für Familien, was die ausgeglichenen Haushalte und keine neuen Schulden betrifft, glaube ich, die wichtigste Entscheidung treffen, und dann werden wir auch den Kinder-Grundfreibetrag erhöhen, das heißt das steuerfreie Existenzminimum, und dann auch die Frage klären, ob wir eine Kindergelderhöhung machen – ich glaube, zwei Euro ist wirklich nicht so viel, als dass sich darüber zu streiten lohnt -, oder ob wir neben der Kindergelderhöhung auch die Frage der Geringverdiener, die geringe Einkommen haben und deswegen, wenn sie Familie haben, Kinder haben, in das Arbeitslosengeld II letztendlich fallen, ob man den Kinderzuschlag nicht deutlich erhöht und den Familien dort noch hilft. Das wird zu entscheiden sein.
    Kaess: Das wird diskutiert. Aber schauen wir gerade noch mal auf die zwei Euro. Es geht ja weniger um diese Summe als um eine Frage der Gerechtigkeit, und Sie haben es gerade eben selbst gesagt: Der Kinderfreibetrag wird angehoben werden müssen und davon profitieren nur die Besserverdienenden, aber die anderen gehen leer aus.
    Schneider: Na ja, alle profitieren davon, die Steuern zahlen, diejenigen, die jetzt nicht besonders viel Steuern zahlen, mehr. Deswegen sind wir als SPD ja auch dafür, das Kindergeld – und wir hatten auch ein neues Kindergeldmodell ins Spiel gebracht – letztendlich zu erhöhen. Aber dann, finde ich, sollte man es auch richtig machen und nicht mit so Kleckerbeträgen kommen, und die zwei Euro sind es wirklich nicht.
    Gut für die jüngere Generation
    Kaess: Aber das Signal bleibt trotzdem: Die Koalition tut was für die Rentner, aber nicht für die Kinder.
    Schneider: Nein, das ist falsch. Dann würde ich es falsch antizipieren, denn letztlich: Die rentenpolitischen Maßnahmen sind das eine, auf der anderen Seite haben wir ja auch deutliche Stärkung und Ausbau der Kindertagesstätten und Kinderkrippen, fast sechs Milliarden Euro in dieser Legislatur für diesen Bereich zusätzlich. Und wie gesagt: Das Entscheidende, glaube ich, um die Handlungsfähigkeit des Staates zu erhalten, ist, dass wir ohne neue Schulden auskommen, und das ist insbesondere für die jüngere Generation ein ganz entscheidender Punkt.
    Kaess: Und um dieses Ziel zu erreichen, keine neuen Schulden mehr, will Wolfgang Schäuble auch den Zuschuss an die Krankenkassen kürzen. Haben Sie eigentlich diese Logik verstanden, zu sagen, anstatt den Versicherten Geld zurückzugeben und die Beiträge zu senken, zahlen jetzt auch die Versicherten schlussendlich die versicherungsfremden Leistungen mit?
    Schneider: Die versicherungsfremden Leistungen machen in etwa 16 bis 18 Milliarden Euro im gesamten Gesundheitsbereich aus. Die sollten steuerfinanziert werden. Es gab dann eine Stufenlösung, die so in den letzten Jahren – ich glaube, hier haben wir mit zweieinhalb Milliarden im Jahre 2007 angefangen – dann auf 16 bis 18 Milliarden Euro erhöht werden sollte. Jetzt haben wir dort im Gesundheitsfonds Überschüsse, fast 30 Milliarden, und wir müssten aus Steuergeldern, die wir ja über Kredite finanzieren müssten, quasi dem Fonds Geld überweisen und dafür Zinsen bezahlen. Dann müssten wir das auch irgendwo anlegen, weil das Geld wird ja nicht ausgegeben. Das macht aus meiner Sicht überhaupt keinen Sinn, sondern wir gleichen die Defizite, wenn es denn welche gibt – und dafür ist auch Vorsorge getroffen worden - im Jahre 2016 und 17 dann aus. Das halte ich aus öffentlichen Haushaltsgesichtspunkten für die richtige Entscheidung.
    Kaess: Aber schlussendlich müssen wir schon sagen, das ist eine Konsolidierung auf Kosten der Sozialkassen?
    Schneider: Nein, das sage ich nicht. Ich hätte mir gewünscht, dass wir sogar den Bereich der Investitionen noch mehr stärken. Herr Geers hat ja darauf hingewiesen, wie da der Bedarf ist, auch was frühkindliche Bildung etc. betrifft, und das stärker noch über den Abbau von steuerlichen Subventionen zu finanzieren und nicht die Überschüsse, die zum Beispiel in der Rentenversicherung da sind und für die Mütterrente verwandt werden, zur Finanzierung nutzen. Aber da muss ich auch sagen, das hat unser Koalitionspartner nicht mitgemacht, und vielleicht gibt es dort auch noch Gelegenheit in den nächsten zwei oder drei Jahren auf Einsicht, dass wir die zu großen Teilen unsinnigen Subventionen dort reduzieren können. Ich wäre als Sozialdemokrat dazu bereit.
    Kaess: Oder Sie hoffen immer noch auf Steuererhöhungen?
    Schneider: Nein. Angesichts der Überschüsse, die wir haben, müsste man dann sich eher angucken, ob man das gesamte Steuermodell anguckt. Wir wollten ja als Sozialdemokraten den Spitzensteuersatz erhöhen für Einkommen über 100.000 und dafür Entlastungen auch zum Beispiel - Herr Geers hat auch das angesprochen – die kalte Progression gegenzufinanzieren oder mehr für den Bildungsbereich. Beides ist aus den Koalitionsverhandlungen ausgeklammert worden, weil wir uns mit der Union dort nicht einigen können, aber wie gesagt: Vier Jahre sind eine lange Zeit. Ich glaube, da wird noch einiges passieren. Da sind natürlich auch Unsicherheiten in der Haushaltsplanung drin. Allein die außenpolitische Lage ist ja sehr fragil.
    Kaess: Sie sprechen die Unsicherheiten an. Ist es denn wahrscheinlich, dass wir nur vorübergehend einen ausgeglichenen Haushalt haben könnten, weil auch irgendwann eben wieder, wie wir gehört haben, in Straßen investiert werden muss und die Bürger wollen entlastet werden, zum Beispiel bei der kalten Progression. Da kommt ja jetzt auch Druck von den Gewerkschaften.
    Schneider: Na ja, das Problem des Aufrechnens der Lohnerhöhungen durch die höhere Steuerlast tritt ja vor allen Dingen dann ein, wenn die Inflation hoch ist. Dann wäre es wirklich ein reales Problem, dem man sich auch stellen muss. Nun ist die Inflation im vergangenen Jahr wieder deutlich gesunken. Sie ist fast eher zu niedrig als zu hoch. Aber auch da bin ich der Auffassung. Das kann man machen, allerdings nur mit einer Gegenfinanzierung, nicht über höhere Schulden finanziert, und diese Gegenfinanzierung, die hat bisher gänzlich gefehlt.
    Kaess: Und die Pläne der Großen Koalition, ab 2016 steigen die Ausgaben wieder, heißt aber: Die angestrebten Überschüsse wird es dann letztlich nicht geben?
    Investitionen statt Schuldenabbau
    Schneider: Na ja, die Überschüsse, die ausgewiesen waren, waren zum Teil virtuell. Wir haben jetzt einen Haushalt auch mit vorgelegt, der an dem Punkt auch sozialdemokratische Handschrift trägt. Ich würde vor allen Dingen auch da sagen, er ist jetzt solide in den belastbaren Zahlen. Bei den Zinsausgaben wird nicht getrickst als auch eine saubere Veranschlagung der Möglichkeiten, was das Elterngeld kostet, etc. Und dann bin ich der Auffassung, in der Zeit, die wir derzeit haben, ist es wichtiger zu investieren, als im marginalsten Bereich Schulden zu reduzieren. Entscheidend da ist die Schuldenstandsquote, das heißt das Verhältnis der bestehenden Schulden zur Wirtschaftsleistung. Wenn die Wirtschaftsleistung steigt, sinkt diese Schuldenstandsquote, und das Ziel ist, 2017 wieder auf 70 Prozent und in den nächsten vier Jahren darauf dann auf deutlich unter 60 Prozent und das Einhalten der Maastricht-Quote zu kommen. Das würde meines Erachtens ausreichen, wenn man zusätzlich auch investiert, was notwendig ist.
    Kaess: Ganz kurz noch zum Schluss, Herr Schneider. Wann werden wir uns denn um den Schuldenabbau kümmern? Wir haben gerade vorhin gehört, in der Planung wird nichts getilgt.
    Schneider: Ja es passiert schon in Teilen, da wo es um die Kosten auch der Finanzkrise geht. Dort gibt es eine Reduzierung. Aber das vorrangige Ziel ist jetzt, den ausgeglichenen Haushalt zu halten. Und die Maßnahmen, die wir haben – Sie haben selbst ja in Ihrem Vortext auf die Begehrlichkeiten hingewiesen –, dort, wo es um zusätzliche Zukunftsinvestitionen geht, aber eventuell auch eine Entlastung, da wo es zu hohe Belastungen gibt, das in den Mittelpunkt zu rücken. Ich sage ganz klar: Dadurch sinkt die Schuldenstandsquote, aber das ist keine nominelle Senkung der Schulden, sondern im prozentualen Bereich bezogen auf die Wirtschaftsleistung, und auch das ist schon eine deutliche Verbesserung.
    Kaess: Carsten Schneider, er ist als Fraktionsvize der SPD zuständig für Haushalt und Finanzen. Danke für dieses Gespräch heute Morgen.
    Schneider: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.