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"Haushaltskonsolidierung erfolgt immer in einem Gesamtpaket"

"Jeder Einzelne ärgert sich natürlich, wenn er möglicherweise weniger bekommt oder mehr dann zahlen muss" - David McAllister macht sich keine Illusionen über die Härte der anstehenden Sparverhandlungen des Kabinetts.

05.06.2010
    Jürgen Zurheide: Also, ein anderer soll auch was werden! Christian Wulff heißt er, noch ist er Ministerpräsident in Niedersachsen, aber er soll Bundespräsident werden und seine Chancen stehen ganz gut, obwohl er ja einen Gegenkandidaten hat, und auf ihn in Niedersachsen soll dann ein anderer folgen und den haben Sie gerade schon kurz gehört: David McAllister, im Moment Landesparteichef der CDU und Fraktionschef, er ist auch nachfolgend jetzt bei uns am Telefon. Schönen guten Morgen, Herr McAllister!

    David McAllister: Guten Morgen, Herr Zurheide!

    Zurheide: Herr McAllister, zunächst einmal: In der FDP, zumindest im Osten der FDP unseres Landes in Deutschland werden ja Stimmen laut, demnach kann Christian Wulff möglicherweise nicht die volle Unterstützung der Koalitionsstimmen bekommen. Macht Sie das schon sorgenvoll?

    McAllister: Das sollten wir ganz gelassen sehen. CDU, CSU und FDP haben sich gemeinsam und einvernehmlich auf einen Präsidentschaftskandidaten geeinigt, der heißt Christian Wulff, und Christian Wulff wird sicherlich auch die nächsten Tage auch nutzen, um sich bei den einzelnen delegierten Gruppen aus den Landesverbänden vorzustellen, und wer Christian Wulff kennt, weiß, dass er auch ein Mann ist, der immer an die Deutsche Einheit geglaubt hat, der auch die Deutsche Einheit unterstützt hat und mit Sicherheit ein Bundeskandidat wird für die Menschen aus dem Osten, aus dem Westen, aus dem Süden und aus dem Norden.

    Zurheide: Sie haben ja ein anderes Temperament, das haben wir gerade schon in der kurzen Beschreibung gehört, das war Philipp Rösler und das war der Gegenkandidat der SPD Jüttner, die Sie da beschrieben haben: Sie gelten eher als jemand, der zuspitzen kann; bei Christian Wulff, das haben wir in diesen Tagen in der Republik ja noch mal richtig intensiv gehört, das ist einer, der eher etwas präsidial schon immer dahergekommen ist. Jetzt frage ich mich, werden Sie sich im Amt dann etwas verändern oder haben Sie dann auch ein Tandem, noch einen vielleicht an der Spitze der Fraktion, der dann präsidial ist? Wobei, das wäre ja dann eine ungewöhnliche Mischung.

    McAllister: Jeder Mensch ist unterschiedlich, jeder Mensch hat seinen eigenen Charakter und sein eigenes Naturell, das ist auch ganz normal. Natürlich haben Christian Wulff und ich auch Unterschiede, aber bei uns überwiegen auch sehr die Gemeinsamkeiten politisch, aber auch in vielen charakterlichen Wesenszügen. Und jedes politische Amt erfordert auch eine gewisse Amtsausübung und klar ist doch auch, dass ein Fraktionsvorsitzender in einem Parlament zuspitzen muss, auf jeden Fall mehr zuspitzen muss, als jemand, der dann an der Spitze einer Landesregierung steht. Also das wird sich schon finden.

    Zurheide: Jetzt haben Sie ja eine Menge Aufgaben vor sich: Sie kommen in einer Phase und unterstellt mal, das wird alles so glatt laufen, wie sich das die CDU vorstellt, auch wie Sie sich das vorstellen, dann werden Sie demnächst Ministerpräsident und dann müssen Sie als Erstes ein Sparpaket verabschieden, was mehr als eine Milliarde ist. Da gibt es ja schon Menschen in Niedersachsen, die gehören aber meistens dann nicht Ihrer Partei an, die sagen, das sei kein so besonders gutes Erbe, was Sie da übernehmen. Wie sehen Sie es?

    McAllister: Haushaltskonsolidierung ist zwingend notwendig. Niedersachsen macht in diesem Krisenjahr 2,3 Milliarden Euro neue Schulden. Das sind immer noch weniger Schulden als 2003, als wir die Regierung übernommen haben, aber gleichwohl, der Schuldenstand ist zu hoch und wir müssen die Nettoneuverschuldung in den nächsten Jahren kontinuierlich absenken. Nicht zuletzt auch deshalb, weil das Grundgesetz ja geändert worden ist und ab 2020 dürfen die Länder gar keine neuen Schulden mehr machen. Wir bereiten den Landeshaushalt 2011 seit einigen Wochen intern vor und als Mehrheitsfraktionsvorsitzender bin ich natürlich auch in die strategischen Überlegungen mit eingebunden. Das heißt, Christian Wulff hinterlässt ein gut bestelltes Haus, das Land steht gut da. Aber gleichwohl, die Haushaltskonsolidierung ist zwingend notwendig. Die Wirtschafts- und Finanzkrise haben ja nicht wir zu verantworten, aber sie trifft uns mit ganzer Härte. Insofern werden wir denke ich spätestens nach der Sommerpause dann auch eine entsprechende Klausurtagung der Landesregierung durchführen, um dann auch der Öffentlichkeit unseren Entwurf für den Landeshaushalt 2011 vorzustellen.

    Zurheide: Jetzt gibt es ja schon Leute, die sagen, gerade wegen der Krise, die Sie angesprochen haben, dass die Schuldenbremse möglicherweise kontraproduktiv ist. Wie sehen Sie das? Oder sagen Sie, Nein, wir müssen da sparen, auch wenn es im Zweifel prozyklisch wirkt und dann andere konjunkturelle Folgen hat, die vielleicht auch problematisch sind?

    McAllister: Die Schuldenbremse für den Bund und das Neuverschuldungsverbot für die Länder stehen seit geraumer Zeit im Grundgesetz. Das ist damals mit einer breiten parlamentarischen Mehrheit so beschlossen worden, nämlich von CDU, CSU, FDP und SPD. Wir haben damals in Niedersachsen (oder ich persönlich) die Aufnahme der Schuldenbremse und des Neuverschuldungsverbots ausdrücklich begrüßt, weil es richtig ist. Wir leben in Deutschland auf staatlicher Ebene – nicht auf privater Ebene, aber auf staatlicher Ebene –, leben wir seit vielen Jahrzehnten über unsere Verhältnisse. Das hat die Bundeskanzlerin ja zu Recht zum Ausdruck gebracht im Bundestag und wir müssen endlich in der Politik dazu kommen, nur so viel Geld auszugeben, wie der Staat tatsächlich eingenommen hat. Und man sieht ja an anderen Staaten in Europa und auf der Welt, wozu das führt, wenn man überbordend viele Schulden Jahr für Jahr macht.

    Zurheide: Jetzt könnte man natürlich sagen, das eine sind die Ausgaben, wo man immer kritisch hinschauen muss, das andere sind die Einnahmen, die Steuerquote in Deutschland liegt mit 22 Prozent, 23 Prozent im internationalen Maßstab eh niedrig - vielleicht haben wir zu wenig Einnahmen und vielleicht müssten wir uns auch ein paar Gedanken machen, wie wir die beteiligen, die die Krise angerichtet haben – also ich meine jetzt nicht die Banken, sondern eher die Spekulanten –, wie sehen Sie das?

    McAllister: Haushaltskonsolidierung erfolgt immer in einem Gesamtpaket, sowohl auf der Ausgabeseite wie auch auf der Einnahmeseite. Und das ist ja die Herausforderung für Bundes- und Landespolitik in den nächsten Wochen und das geht ja nächste Woche mit der Kabinettsklausur der Bundesregierung los. Wie viele Einzelvorschläge kann man zusammenbinden zu einem vernünftigen Gesamtpaket, um die Haushaltskonsolidierung tatsächlich in die Wege zu leiten? Das wird überall natürlich auf Widerstand stoßen, jeder Einzelne ärgert sich natürlich, wenn er möglicherweise weniger bekommt oder mehr dann zahlen muss. Aber eine erfolgreiche Haushaltspolitik, das ist meine Erfahrung aus Niedersachsen in den letzten Jahren, geht nur, wenn man wirklich aus einem Guss diese macht und wenn die Menschen das Gefühl haben, dass alle gleichermaßen beteiligt werden und dass es damit auch gerecht zugeht.

    Zurheide: Jetzt habe ich noch nicht verstanden, sind Sie dann gegen solche Steuern für Spekulanten? Ich differenziere das bewusst und habe nicht Banken gesagt.

    McAllister: Ja ich habe gesagt, eine Haushaltskonsolidierung erfolgt natürlich auf der Ausgabeseite, aber man muss auch immer schauen, was auf der Einnahmeseite möglich ist und was nicht und insbesondere ob steuerliche Maßnahmen auch dazu führen können, bestimmtes Fehlverhalten zu verhindern und zu vermeiden. Und insofern bin ich der Meinung, dass solche Vorschläge ergebnisoffen geprüft werden müssten, und ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung in den nächsten Tagen dazu auch eine abschließende Meinung sich bilden wird.

    Zurheide: Die Arbeitgeber wollen vor allen Dingen die Sozialausgaben kürzen, das haben sie jetzt gerade mit Blick auf die Klausur noch mal gesagt. Sagen Sie richtig oder Vorsicht?

    McAllister: Auch hier gilt wiederum, das ist ja auch eine Erfahrung der letzten Tage und Wochen: Es bringt nichts, vor einer entscheidenden Kabinettsklausur als politisch Handelnder einzelne Sparvorschläge herauszulösen und diese dann öffentlich zu bewerten. Das führt sofort zu einer neuen öffentlichen Debatte, zu einer verkürzten Debatte. Es geht um das Gesamtpaket und nochmals, ich gehe davon aus, dass dieses Gesamtpaket in wenigen Tagen auch die deutsche Öffentlichkeit erreichen wird.

    Zurheide: Die Koalition wirkt in Berlin einigermaßen zerstritten. Würden Sie sich da etwas mehr Zusammenhalt wünschen?

    McAllister: Die Koalition wirkt nicht nur zerstritten, die Koalition in Berlin hat ja seit dem 27. September, beziehungsweise dann seit Aufnahme der Regierungsgeschäfte, ja auch eine ganze Menge auf den Weg gebracht, insbesondere die Entlastungen zum 1. 1. 2010. Und die Bundesregierung arbeitet in allen Bereichen und legt jetzt ihre einzelnen Programme vor und es wird ja im Jahre 2010 auch eine ganze Reihe von wichtigen wegweisenden Entscheidungen geben. Ich wünschte mir, aber da bin ich nicht alleine, sondern so denken ja ganz viele, ich wünschte mir ein besseres Erscheinungsbild innerhalb der Koalition. Ich finde, es ist schon besser geworden in den letzten Wochen, insbesondere der Wahlausgang in Nordrhein-Westfalen war ja für alle leider, leider auch eine heilsame, er hat ja auch eine heilsame Wirkung entfaltet. Also wir in Niedersachsen arbeiten seit sieben Jahren so eng und vertrauensvoll mit der FDP zusammen, so harmonisch ... Wir sind nicht immer einer Meinung, CDU und FDP, aber wir klären das hinter verschlossenen Türen und ich kenne kaum jemanden in Niedersachsen, der das bedauert, dass wir uns nicht öffentlich zerstreiten.

    Zurheide: Danke schön! Das war David McAllister, Fraktionschef und Landesparteichef der CDU, er soll Christian Wulff nachfolgen, bei uns im Deutschlandfunk. Ich bedanke mich Ihnen für das Gespräch, danke schön, auf Wiederhören!