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Haustier aus der Steinzeit

Eine ganz besondere Schafsorte weidet seit Jahren auf einem kleinen Hof in der Eifel im Bundesland Rheinland-Pfalz. Dort findet man die größte Soay-Herde in Deutschland, eine schottische Schafsrasse. Soay steht im Norwegischen für Schaf und deshalb vermuten die Fachleute, dass es die Wikinger waren, die diese Tiere einst nach Schottland brachten. Hier in Deutschland werden sie besonders zur Landschaftspflege eingesetzt.

Von Stephan Haufe | 28.06.2005
    Auf Sant Kilda leben Schafe gefährlich. Über den felsigen Archipel im Nordwesten Schottlands fegen regelmäßig heftige Stürme, die die Wolltiere schon mal von den steilen Klippen wehen können.

    Darum sind die dort lebenden Soay-Schafe, wie die Rasse nach einer gleichnamigen Sankt-Kilda-Insel genannt wird, viel kleiner und schmaler als die hierzulande typischen Hausschafe.

    In den siebziger Jahren holte ein Hobbyzüchter die ersten Schafe aus Großbritannien nach Deutschland. So kam die Rasse auch in die Eifel. Das Hochland in Rheinland-Pfalz mit vielen steil abfallenden Hängen kommt den ursprünglichen Lebensbedingungen der Tiere durchaus nahe. Hier im rheinland-pfälzischen Teil des Schiefergebirges, in der Gemeinde Neuerburg halten Anja und Wim Nippen 80 Soay-Schafe.

    Die Tiere haben eine Reihe von Eigenschaften, die den nicht domestizierten Wildschafen entsprechen. Die dunkle Farbe des Fells ähnelt dem Mufflon, aus dem sich das Urschaf entwickelt hat. Sowohl die weiblichen Tiere, die so genannten Auen, als auch männliche Böcke tragen ein schneckenförmiges Horn. Beide besitzen helle Abzeichen über den Augen, an den Beinen und am Bauch. Genau wie der Urtypus des Schafes, verliert auch das Soay sein Fell von alleine und benötigt keinen Schnitt der Klauen. Nicht zuletzt das Verhalten erinnert an einen Wildtiertypus, wie Anja Nippen erklärt:

    "Die sind viel lebendiger, die klettern so wie Ziegen. Die könnten ohne weiteres über einen 1-m-hohen Zaun springen, wenn sie das wollten, wenn sie gejagt würden oder in Not geraten würden oder so. Die sind also mit einem normalen Woll- und Milchschaf überhaupt nicht zu vergleichen."

    Dieser starke Bewegungsdrang macht für das Gehege einen hohen und widerständigen Zaun notwendig. Wegen der extremen Lebensbedingungen auf ihren Herkunftsinseln im Norden Schottlands sind Soay-Schafe sehr robust und haben sich an unwirtliche Wetterbedingungen gewöhnt. Deshalb können sie in unseren Breiten im Winter problemlos draußen gehalten werden, erzählt Wim Nippen:

    "Die gehen durch den Schnee und scharren, bis sie dann an das halb vertrocknete Gras kommen. Nur wenn ganz schlimme Zustände sind vom Wetter her, dann füttere ich natürlich auch Heu dazu. Aber auch bei Schneefall oder bei starkem Frost, da liegen die schon mal draußen. Sie haben dann dick Schnee auf dem Rücken oder Raureif, das macht denen aber nichts aus. "

    Die Interessengemeinschaft Soay-Schafe zählt in Deutschland etwa 1000 reinrassige Tiere. Darüber hinaus existieren eine Reihe Mischformen. Die Soay wurden mehrfach gekreuzt, um ihre robusten Eigenschaften auf andere Rassen zu übertragen. Es stellte sich aber heraus, dass die Charakteristika der Soay-Schafe bei Züchtungen verloren gehen.

    Auch in der Herde von Wim Nippen gibt es Mischlinge. Der 76-Jahre alte Mann hat seit seinem Eintritt in die Rente vor 15 Jahren die Zucht aufgebaut, wobei nur drei Schafe in seinem eigenen Besitz sind. Der Großteil der Schafe gehört Kunden des Hobbybauern. In ihrem Auftrag pflegt er die Tiere und lässt sie schlachten. Sind doch seine Kunden vor allem am Fleisch der Soay interessiert, das einen besonderen Geschmack hat:

    "Der Geschmack liegt so zwischen Lamm und Reh, ist aber erheblich zarter und nicht so tranig und fettig wie bei normalen Schafen. "

    Im Gegenteil zu unseren gängigen Leistungsrassen finden Soay-Schafe auf mageren Flächen ausreichend Nahrung, wie Anja Nippen erklärt:

    "Die fressen Rinde, Laub, Flechten, die ernähren sich eben im Grunde genommen ganz anders als ein normales Schaf und darum geht auch das Fleisch im Geschmack mehr in Richtung Wildfleisch. "

    Da sie sogar Brennnesseln, Ampfer, Disteln oder Farne fressen und die extensive Betreuung keinen großen Aufwand bereitet,
    haben die anspruchslosen Tiere neuerdings Interesse bei Landschafts- und Naturschützern geweckt. So wurden in Hessen beispielsweise im Rahmen des dortigen Landschaftspflege-Programms gezielt Halter der Soay-Schafe angesprochen, um stillgelegte oder brachliegende Flächen zu pflegen.