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Hautschichten
Die wandelbare Fingerkuppe

Smartphones lassen sich in der Regel mit einfachen Wischbewegungen der Fingerkuppen bedienen. Manchmal stockt der Fingerwisch am Handybildschirm allerdings. Warum das so ist, haben Forscher der University of Birmingham untersucht.

Von Lucian Haas | 26.09.2017
    Auf Smartphone sind Apps "facebook", "whats app", "instagram", "Twitter", "Tumblr", "Snapchat" und "Messenger" zu sehen.
    Je intensiver man in Kontakt mit dem Gerät ist, desto zäher wird die Wischerei. (dpa/Britta Pedersen)
    Wer häufig ein Smartphone oder ein Tablet nutzt, kennt das Phänomen. Man wischt über den gläsernen Bildschirm. Anfangs gleitet der Finger noch problemlos darüber hinweg. Doch je intensiver man in Kontakt mit dem Gerät ist, desto zäher wird die Wischerei. Schließlich bekommt man das Gefühl als hakelte die Haut gar etwas am Glas, so als hätte sich dort ein klebriger Film gebildet. Die Erklärung ist allerdings eine andere, wie der Chemiker Michael Adams und Kollegen von der University of Birmingham herausgefunden haben. Es hat etwas mit der Haut an unserer Fingerkuppen zu tun.
    "Normalerweise, wenn man einfach eine Oberfläche berührt, ist die äußere Schicht der Haut ziemlich hart und uneben. Dann bekommt man keinen engen Kontakt, und die Reibung ist recht gering."
    Haut der Fingerkuppen verändert sich
    Stratum corneum wird die äußerste Schicht der Haut genannt. Es sind hauptsächlich abgestorbene Plattenepithelzellen. An der Fingerkuppe bildet das Stratum corneum ausgeprägte Rillenmuster, die bekanntermaßen den typischen Fingerabdruck ergeben. Die Rillen bedeuten freilich auch: Die tatsächliche Berührungsfläche zwischen Finger und Glas ist viel geringer als es ausschaut, weil erst einmal nur die höchsten Grate der Fingerrillen mit dem Glas in Kontakt kommen. Doch das verändert sich mit der Zeit.
    "Die Fingerrillen enthalten viele Schweißporen. Wenn man nun eine wasserundurchlässige, glatte Oberfläche berührt, wird die von den Poren gelieferte Feuchtigkeit zwischen dem Glas und den Fingerrillen gefangen. Die äußerste Hautschicht, das Stratum corneum, ist aber sehr empfindlich für Feuchtigkeit. Sie absorbiert den Schweiß, und so wird die Oberfläche der Fingerkuppe dann viel weicher."
    Michael Adams machte Versuche, bei denen er Probanden Glas und andere Oberflächen anfassen und sie wiederholt darüber streichen ließ. Dabei ermittelte er, wie sich die Haut der Fingerkuppen beziehungsweise ihre Härte und ihr Reibungswiderstand mit der Zeit veränderten.
    "Wenn der Schweiß von der Haut aufgenommen wird, schwillt die Haut an und wird weicher. Vergleicht man eine ganz trockene Haut mit der Härte, die sich einstellt, wenn man seinen Finger 30 Sekunden lang auf eine Glasoberfläche legt, so reduziert sich die Steifigkeit der Haut ungefähr um den Faktor 10.000."
    Je länger der Kontakt mit glatten, wasserdichten Oberflächen ist, desto weicher wird die Haut, und desto mehr Grip und Reibung entwickelt sie. Erst nach rund 20 bis 30 Sekunden stellt sich eine Art Sättigung ein. Allerdings ist dieser Effekt nicht bei allen Menschen gleich stark ausgeprägt. Denn jeder hat eine andere Haut.
    Hersteller müssen sich auf variablere Haut der Nutzer einstellen
    "Es gibt große Unterschiede zwischen den Menschen, und auch große Unterschiede beim Reibungswiderstand der Fingerkuppe eines Menschen im Verlauf eines Tages. Dieser Faktor muss berücksichtigt werden, unter anderem bei der Entwicklung von haptischen Displays."
    Haptische Displays gelten als die Zukunft der Smartphone-Bildschirme. Bei solchen Displays lässt sich der Reibungswiderstand elektrostatisch und mittels Ultraschallvibrationen dynamisch anpassen und verändern. Wenn Nutzer über das Glas streichen, können sie das Gefühl vermittelt bekommen, lokal zum Beispiel an dargestellten Buttons als Bedienelementen gewissermaßen hängen zu bleiben. Michael Adams Studie hat allerdings gezeigt, dass diese Technik in der Praxis ihre Tücken haben könnte. Die Hersteller werden sich auf eine viel variablere Haut der Nutzer einstellen müssen als bisher gedacht.