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Hebelwirkung als Anreiz für Investoren bleibt ungewiss

Ob der Rettungsschirm EFSF und der mögliche Hebel zur Lösung der Eurokrise wirklich beitragen wird, ist für Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance and Management, nicht ausgemacht. Anleger seien trotzdem beim Kauf von Staatsanleihen nur mit 20 bis 30 Prozent abgesichert.

Martin Faust im Gespräch mit Christoph Heinemann | 19.10.2011
    Christoph Heinemann: Am kommenden Wochenende wollen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union den Vorhang zum Lösungsakt des Euro-Dramas heben. Der Hebel ist in aller Munde, zum Glück nur im übertragenen Sinne. Hebel, das ist der Versuch, den 440 Milliarden umfassenden Rettungsschirm EFSF mit zusätzlichen Milliarden privater oder staatlicher Fonds auf zwei Billionen Euro aufzustocken. Als Gegenleistung wollen die Rettungsschirm-Herren und –Damen den Investoren einen Teil des Risikos abnehmen, absichern. Einzelheiten zum Hebel können sie übrigens nachlesen unter dradio.de. Die Hebeltechnik begrüßt Günther Oettinger, der EU-Kommissar, heute früh bei uns im Deutschlandfunk.

    O-Ton Günther Oettinger: "Es geht um einen seriösen Hebel, und den halte ich für richtig. Schauen Sie, ein normaler Anleger hat derzeit seine Probleme damit, Italien eine Staatsanleihe abzukaufen. Wenn er aber von einem europäischen Garantieschirm, von allen Mitgliedsstaaten gesichert, gesagt bekommt, 20 Prozent oder 30 Prozent Verlust im Falle eines Verlustes übernimmt eine solidarische Garantie, dann wäre er bereit, diese Anleihe zu zeichnen. Die Anleihe ist nicht wertlos, sie hat nur wieder höhere Risiken, und diese gewissen Risiken prozentual zu beziffern und dann zu versichern, ist eine ganz normale marktwirtschaftliche Angelegenheit, die unterstütze ich.

    Die Banken haben Fehler gemacht, aber es hilft nichts zu sagen, die Banken oder die Politik. Beide haben Fehler gemacht. Die Banken haben auf Bitten der Politik Staatsanleihen gezeichnet und mussten nach Entscheidung der Politik kein Eigenkapital dafür hinterlegen. Das heißt, die rechtlichen Vorgaben waren, so wie sie jetzt eine Folge gebracht haben, nämlich Staatsanleihen als Risiken in den Kellern der Banken. Die Hauptverantwortung liegt bei der Politik. Aber klar ist: Die Banken haben auch daran verdient und können deswegen auch bei Verlusten herangezogen werden. Und wie hoch der Prozentsatz ist, ob der 21 Prozent sein soll oder 40 oder 50 Prozent, das sollen jetzt die Fachleute ermitteln entlang dessen, was man braucht, damit ein Land wie Griechenland wieder schuldentragfähig wird."

    Heinemann: EU-Kommissar Günther Oettinger heute früh im Deutschlandfunk. – Und am Telefon ist Professor Martin Faust, er ist Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance and Management. Guten Tag!

    Martin Faust: Ja einen schönen guten Tag!

    Heinemann: Herr Faust, beginnen wir mit dem Schuldbekenntnis, dem mea culpa des Günther Oettinger. Er hat gesagt, auch die Politik trägt Verantwortung. Müssen die Demonstranten ihre Aktion umbenennen, statt Occupy Wallstreet jetzt Occupy White House, also von den Banken zum Sitz der Politik?

    Faust: Ja. Die aktuelle Krise: Dort sind die Ursachen sicherlich bei der Politik zu suchen. Das heißt also, die Staaten haben es in den letzten Jahren nicht hinbekommen, hier ihre Staatsfinanzen in den Griff zu bekommen. Sie haben auch das letzte Jahr nicht genutzt, um dem Markt vernünftige Lösungen zu präsentieren, um die Ängste abzubauen. Aber wir dürfen uns natürlich auch durchaus daran erinnern, dass 2008, also noch vor gar nicht langer Zeit, es durchaus ja auch die Banken waren, die eine Krise ausgelöst haben, und viele Staaten sind natürlich auch durch die Stützung ihrer Banken in wirtschaftliche Schwierigkeiten gekommen.

    Heinemann: Also zwei Buhmänner?

    Faust: Wir haben zwei Buhmänner, wobei im Augenblick das größte Problem ganz klar in den Staaten liegt.

    Heinemann: Herr Faust, ist die wundersame Geldvermehrung durch den sogenannten Hebel ein Mittel zur Lösung der Euro-Krise?

    Faust: Also man möchte hiermit ja wieder Vertrauen erwecken, das heißt also, dass jemand bereit ist, zum Beispiel spanische Anleihen oder italienische Anleihen zu kaufen, weil er eben dann, ich sage mal, 20 bis 30 Prozent vielleicht abgesichert bekommen. Trotzdem verbleibt natürlich ein Restrisiko. Das heißt also, sollte es tatsächlich zu einem Ausfall kommen, zum Beispiel dieser Anleihen, dann hätten wir die Situation, dass der Anleger ja nur 20 bis 30 Prozent abgesichert bekommt. Also im Extremfall bleibt trotzdem noch ein Verlust für ihn übrig. Und ich bin skeptisch, ob das tatsächlich ausreicht, diese 20 bis 30 Prozent, um die Märkte davon zu überzeugen und die Anleger davon zu überzeugen, weiterhin diese Staatsanleihen zu kaufen.

    Heinemann: Und gleichzeitig steigt ja für die Euro-Rettungsstaaten die Haftungssumme, wenn sie 20 oder 25 Prozent absichern müssen?

    Faust: Die Haftungssumme grundsätzlich steigt nicht. Das heißt also, es sind ja 440 Milliarden vorgesehen in diesem Rettungspaket. Es wird nur umgewidmet. Das heißt also, man gibt nicht den Staaten direkt Kredite, also man gibt nicht zehn Milliarden jetzt dem Staat direkt, sondern man ermöglicht dem Staat weiterhin, Kapital am Kapitalmarkt aufzunehmen. Das heißt also, Italien könnte die zehn Milliarden dann selber am Markt aufnehmen, weil die Anleger eben dann 20 bis 30 Prozent Schutz hätten. Das heißt, insofern wird weniger Geld benötigt aus dem Rettungspaket, um größere Volumina entsprechend zu besichern. Aber wie gesagt: Die Frage ist, ob das tatsächlich reichen wird als Anreiz für die Investoren.

    Heinemann: Trotz anerkennender Worte für die Reformen der Regierung hat jetzt die Ratingagentur Moody's die Kreditwürdigkeit Spaniens gleich um zwei Stufen gesenkt. Das war nicht vollkommen unerwartet. Aber was passierte denn, wenn Frankreich aus der Riege der Klassenbesten absteigt und seine Bestnote einbüßt?

    Faust: Also es ist so, dass wir ja eine Haftungsgemeinschaft sind. Das heißt, über diesem Rettungspaket sind alle Staaten anteilig beteiligt. Und ein ganz wichtiger Partner in diesem Paket ist natürlich auch Frankreich. Es ist so, dass dieser EFSF Anleihen begibt am Markt, und diese Anleihen sollen ein AAA-Rating haben, und deswegen ist es notwendig, dass diese Anleihen überbesichert werden. Das heißt also mit anderen Worten, wir haben quasi Garantien in Höhe von 600 Milliarden Euro, um am Ende 440 Milliarden an Anleihen begeben zu können. Das heißt, wenn jetzt das Rating von Frankreich sinkt, die Bonität schlechter wird, dann wird damit auch das Volumen dessen, was tatsächlich am Ende dann gefördert werden kann, sinken. Das heißt also, dann bleibt es nicht mehr bei 440 Milliarden, sondern dann wird es deutlich weniger werden.

    Heinemann: Geriete dann auch die deutsche Bestnote in Gefahr?

    Faust: Es ist so, wenn wir weiterdenken und uns überlegen, dass eventuell ja dieses Paket auch nicht reichen wird, wir das dann aufstocken müssen, und es sind ja auch entsprechende Dinge schon in die Wege geleitet worden. Dann wird damit natürlich die Last auf Deutschland noch größer werden und damit haben wir durchaus eine Gefahr, dass auch Deutschland in den Blickpunkt der Ratingagenturen rücken könnte.

    Heinemann: Professor Martin Faust, er ist Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance and Management. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Faust: Ja, auf Wiederhören.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.