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Hebelwirkung für den ESM

Der dauerhafte Rettungsschirm ESM ist noch nicht gestartet, da wird schon über eine Ausweitung seiner Schlagkraft diskutiert. Über die Einbeziehung privater Investoren soll der Schirm auf bis zu zwei Billionen Euro gehebelt werden. Doch potenzielle Geldgeber halten sich auffällig zurück.

Von Brigitte Scholtes | 24.09.2012
    Überbordendes Interesse an einem Einstieg in den europäischen Stabilitätsmechanismus ESM kann man in Finanzkreisen noch nicht feststellen. Es herrscht eine Grundskepsis vor: "Warum sollte ich in ein Bündel von europäischem Schrott investieren?" hört man am Finanzplatz. Und damit scheint sich zu wiederholen, was man auch beim Rettungsschirm EFSF schon beobachten konnte: Anreize zur Beteiligung wirken nicht. Der ESM-Hebel werde kein Selbstläufer, meint Nicolaus Heinen, Volkswirt der Deutschen Bank:

    "Der beste Appetitanreger für Investoren, in diesen ESM zu investieren, ist eine Eurozone, die sich endlich auf ein gemeinsames Geschäftsmodell einigt oder sich zumindest darüber klar wird, wie dieses Geschäftsmodell in fünf Jahren aussehen wird, also: Wird es eine Bankenunion geben, wird es eine Fiskalunion geben oder geht man vielleicht in der Fiskalpolitik wieder getrennte Wege. All das ist noch nicht klar, und solange man da keine gemeinsame Linie findet, werden sich auch Investoren nicht besonders begeistern lassen, in den ESM-Hebel zu investieren."

    Es gibt zwei Möglichkeiten, wie man einen solchen Hebel installieren könnte: Denkbar wäre, die Kredite des ESM nicht mehr direkt an die Mitgliedsstaaten weiterzuleiten. Stattdessen würde man die Mittel des ESM nutzen für eine Art Kreditausfallversicherung, die den privaten Investoren zugutekäme. Diese könnten dann abgesichert in die entsprechenden Staatsanleihen investieren. Oder man gründet eine Zweckgesellschaft, in der ebenfalls eine Kreditausfallversicherung installiert wird. Das wäre eine Art unterer Boden, der dann zuerst in Anspruch genommen wird, wenn ein Staat seine Anleihen nicht mehr bedienen kann. Das aber hat Folgen für die Mitgliedsländer der Eurozone, auch für Deutschland, sagt Volkswirt Heinen:

    "Wer sagt, dass die Haftungsobergrenze von 190 Milliarden Euro unangetastet bleibt, der sagt das Richtige und doch nur die halbe Wahrheit. Denn durch den ESM-Hebel steigt innerhalb dieser Haftungsobergrenze das Ausfallrisiko und damit die möglichen Summen, die weg sind, wenn ein Land ausfällt."

    Es gäbe aber doch einige Investoren, die Interesse an einer ESM-Beteiligung hätten. Da werden als erste chinesische Staatsfonds oder asiatische Pensionsfonds genannt. Ob das von den Regierungen der Eurozone tatsächlich gewollt ist, ist eine andere Frage. Auch europäische Pensionsfonds kämen in Betracht. Doch wenn diese sich entscheiden sollten, über den ESM in Staatsanleihen der Krisenländer zu investieren, könnten sie zuvor dort angelegtes Geld wieder abziehen. Auch damit wäre den Krisenländern nicht geholfen. Grundsätzlich zweifelt man deshalb an der Umsetzbarkeit dieser Idee, den Wirkungsgrad des ESM zu vervierfachen. Zwei Billionen, das sei eine politische Zahl, meint Deutsche-Bank-Volkswirt Heinen:

    "Ob es dann am Ende zu einem so großen Hebel kommt, kann doch bezweifelt werden. Was zählt, ist Investorenvertrauen. Nur wenn das Investorenvertrauen da ist, lässt sich ESM so eine große Summe hebeln, und da liegt es näher, dass man zunächst kleinere Brötchen backen wird, und der Hebel höchstens beim einen oder anderen Länderprogramm in kleinem Umfang zum Einsatz kommt."

    Wirklich schlagkräftig werde der ESM nur, wenn er sich unbegrenzt bei der EZB refinanzieren könnte, meinen Investoren. Doch das lehnt vor allem Deutschland strikt ab.