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Hedy Lamarr geboren
Sex-Star und Torpedo-Entwicklerin

Sie galt als schönste Frau der Welt und wurde zum Hollywood-Star, obwohl sie in keinem einzigen wirklich guten Film zu sehen war. Sie spielte den ersten Orgasmus fürs Kino und entwickelte eine Torpedo-Steuerung. Vor 100 Jahren wurde Hedy Lamarr geboren.

Von Katja Nicodemus | 09.11.2014
    Die amerikanische Schauspielerin Hedy Lamarr blättert in der "Eleganten Welt" (undatiert). Hedy Lamarr, die in den 30er Jahren als "exotischer Sex-Star" in Hollywood Ruhm erlangte, ist am 19.1.2000 tot in ihrem Haus bei Orlando in Florida aufgefunden worden. Die gebürtige Österreicherin starb im Alter von 86 Jahren. Lamarr bekam aus Hollywood erste Rollenangebote, nachdem sie 1933 für einen Moment fast nackt in dem tschechischen Film "Ekstase" zu sehen gewesen war. Viele Jahre war die Ehefrau eines österreichischen Waffenhändlers danach in den USA auf die Rolle der "schönen Exotin" festgelegt. Sie war aber auch als Erfinderin tätig. 1942 erhielt Lamarr das Patent für eine spezielle Funktechnik. Das Verfahren wurde später bei der Entwicklung von Handys genutzt.
    Die amerikanische Schauspielerin Hedy Lamarr blättert in der "Eleganten Welt" (undatiert). Hedy Lamarr, die in den 30er Jahren als "exotischer Sex-Star" in Hollywood Ruhm erlangte, war auch als Erfinderin tätig. (picture alliance / dpa / UPI)
    "Wie können Sie einen Menschen verstehen, der so viele Phasen hatte wie ich?"
    Vielleicht kann man sie wirklich nicht verstehen, diese Frau, die einmal als die schönste der Welt galt. Hedy Lamarr, die aus Österreich kam und in Hollywood zum Weltstar wurde, ohne in einem einzigen wirklich guten Film aufgetreten zu sein. Sie war die erste Nackte des Kinos und trug die wahnwitzigsten Hüte. Sie behauptete, Glamour bestehe darin, als Frau dümmlich dreinzuschauen – und sie erfand ein Torpedosteuerungssystem.
    Hedwig Eva Maria Kiesler wurde am 9. November 1914 in Wien geboren als Tochter jüdischer Eltern - eines Bankiers und einer Konzertpianistin. Es gab das übliche Erziehungsprogramm als Einbahnstraße zur Ehe: Ballett, Klavierstunden, Hauslehrer, das Mädchenpensionat in der Schweiz. Doch die junge Hedwig zog es in die Theaterschule von Max Reinhardt und schließlich zu einer ersten frühen Rolle – neben Heinz Rühmann in der Komödie "Man braucht kein Geld":
    - "Sie haben mich eben geküsst!"
    - "Nur aus geschäftlichem Interesse."
    Über viele Stars und Schauspielerinnen heißt es, ihr Leben sei filmreif gewesen – aber bei Hedy Lamarr, die auch eine große Legendenproduzentin in eigener Sache war, stimmte es wirklich. Mit nur 19 Jahren löst sie einen Skandal aus, der sogar den Papst beschäftigt: Durch ihre Hauptrolle in dem 1932 entstandenen Film "Symphonie der Liebe". Lamarr erzählte später, sie habe nicht gewusst, was da auf sie zugekommen sei.
    "Das war eine nette Geschichte, eine Frau war unglücklich verheiratet, und sie läuft jemandem Weg, der Straßen gebaut hat und Schluss. Und da hab ich gedacht, das ist alles. Und dann plötzlich sagen sie, ich soll mich also ausziehen und sie sind weit weg. Und ich hab das alles geglaubt. Und die waren auch weit weg."
    Patent für ihr "System für geheime Kommunikation"
    In einer Szene badet die von Hedy Lamarr gespielte Heldin in nymphenhafter Nacktheit in einem See. Dann flitzt sie - immer noch nackt - durch den Wald, ihrem Pferd hinterher, das mit den Kleidern weggaloppiert ist. Als der Film ins Kino kommt, heißt er plötzlich "Ekstase". Auch weil Hedy Lamarr darin den ersten Orgasmus der Kinogeschichte spielt. Und der – auch das ist eine der Geschichten, die ihr Leben umranken - soll so lebensecht gewirkt haben, weil der Regisseur ihr während der Aufnahme mit einer Nadel in den Hintern gestochen habe.
    Parallel zu diesem Leinwandskandal dreht sie ihren eigenen dramatischen Lebensfilm. Er handelt vom bösen Mann, der die schöne Unschuld gefangen hält. 1933 heiratet Hedy Lamarr den Österreicher Fritz Mandl, einen der größten Waffenproduzenten Europas. Sie lebt mit ihm im goldenen Käfig einer Villa. Die junge Ehefrau darf von massiven Goldtellern speisen, aber nicht mehr im Filmgeschäft arbeiten. Sie flieht. Erst nach London, dann nach New York - und Hollywood. Und sie verwandelt sich in den Mythos der "schönsten Frau der Welt". Doch in Hollywood ist Hedy Lamarr wegen ihres starken Akzents zunächst nur eingeschränkt einsetzbar. Sie spielt Exotinnen. So wie die russische Straßenbahnschaffnerin Theodora in dem Film "Comrade X".
    Clark Gable, Spencer Tracey, James Stewart – das Studio MGM stellt Hedy Lamarr einen Starschauspieler nach dem anderen zur Seite, doch ihre Filme wollen nicht zünden. Daher entsteht ein neuer Lebensfilm. Im Zentrum: die Erfinderin Hedy Lamarr. Als Lamarr mit dem Pianisten George Antheil zusammenarbeitet und für dessen Ballet mécanique 16 Klaviere mit Lochstreifen synchronisiert, entwickeln die beiden diese Technik weiter: Sie übertragen die Lochstreifen auf die Konstruktion von Torpedos, für die Synchronisation von Sender und Empfänger bei gleichzeitigen Frequenzwechseln.
    Am 11. August 1942 wird in den USA ein Patent für ein "System für geheime Kommunikation" erteilt - an Georges Antheil und Hedy Kiesler Markey. Der Autor und Filmproduzent Gene Markey war damals ihr zweiter Ehemann. Vier weitere sollten folgen. Alle Ehen scheitern.
    Ihre amerikanischen Ehemänner hätten sie nur ausgenommen, wird Hedy Lamarr behaupten. Das mag stimmen. Aber die im Januar des Jahres 2000 in Florida verstorbene Hedy Lamarr, Skandalstar, sechsfach geschiedene "schönste Frau der Welt", Erfinderin und Hauptdarstellerin ihres bewegten Lebensfilms vermochte auch diese profane Tatsache mythenreif zu formulieren.
    "Ohne Liebe kann man nicht leben, das hat ja schon wer mal gesungen. Das ist auch wahr. Und hier in diesem Land ist Geld vor Liebe."