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Hehre Ziele, falsche Partner

Nunmehr zehn Jahre währt der Einsatz der internationalen Schutztruppe ISAF in Afghanistan. Einst kamen die USA und ihre Verbündeten mit dem Ziel, die Taliban zu vertreiben und danach ein neues Afghanistan aufbauen. Doch kann diese Mission als "geglückt" bezeichnet werden?

Von Marc Thörner | 07.10.2011
    "Any news? - Good news! He will tell you."

    Kommandant Abderrauf hat alle Hände voll zu tun. Der Chef einer regierungstreuen Miliz sitzt im fahrenden Geländewagen. Auf einer Karte plant er den nächsten Einsatz seiner Truppe. Zeitgleich verhandelt er per Freisprecheinrichtung mit der Informantin, die ihn soeben angerufen hat. Die Frau ist mit einem der wichtigsten Talibanführer der Gegend verwandt. Und dieser hat signalisiert: er wolle vielleicht die Seiten wechseln. Bei einer Rast am Rand der Straße erzählt der Milizenchef, dass er etwa 80 Tadschiken befehligt – hochmotiviert zum Kampf gegen die meist paschtunischen Taliban.

    "Wir sorgen jetzt für die Sicherheit der Verbindungsroute zwischen Kundus und Baghlan. Das ist die Autobahn, auf der ISAF und die NATO ihre Transporte abwickeln. Das gehört zu unseren wichtigsten Jobs. Bei wichtigen Operationen werden wir vom deutschen Wiederaufbauteam in Kundus mit eingebunden."

    Starke Männer, Provinzherrscher statt Polizeichefs. Kriegsherren im Kampf gegen die Taliban, Stammesmilizionäre statt Polizisten. Tadschiken im Kampf gegen Paschtunen. Es ist fast wie ein Déjà-vu. Eine Konstellation, wie sie vor zehn Jahren, zu Beginn des Engagements in Afghanistan herrschte. Auslöser waren aus westlicher Sicht die Anschläge des 11. Septembers. Doch der sogenannte "afghanische 11. September" ereignete sich bereits zwei Tage vorher – am 9. 9. 2001. Fahim Dashty erinnert sich an diesen Tag so gut wie an keinen anderen seines Lebens.

    "Einige Ausländer, unter ihnen auch zwei Araber, waren kurz zuvor per Hubschrauber aus dem Pandschir-Tal gekommen."

    Fashim Dashty, ein sehniger Mann, Ende 40, mit tiefen Brandnarben im Gesicht und an den Armen. Er war bis vor kurzem Chef der Wochenzeitung Kabul Weekly. Im September 2001 gehörte Dashty zu den engsten Mitarbeitern Ahmed Shah Masuds, des legendären Führers der sogenannten Nordallianz, einem Zusammenschluss von Clanchefs und Warlords aus dem Norden des Landes – der einzigen Kraft, die der Talibanherrschaft in einigen wenigen Teilen Afghanistans noch Widerstand entgegenzusetzen imstande war.

    "Neun Tage lebten wir mit den zwei Arabern zusammen, teilten mit den beiden unser Essen, Frühstück, Mittag. Am 9. September 2001 wachte ich gegen acht Uhr morgens auf und bemerkte, dass die zwei Araber nicht mehr im Gästehaus waren. Jemand sagte mir: Sie sind schon los, um das Interview mit Ahmed Shah Masud zu machen."

    Als Verantwortlicher für Masuds Öffentlichkeitsarbeit war Dashty gehalten, den Chef der Nordallianz ständig zu begleiten, dessen Statements und Auftritte zu dokumentieren. Er griff sich seine Kamera und eilte den beiden arabischen Gästen hinterher.

    "Als ich das Gefühl hatte, nun geht das Interview los, platzierte ich mich mit meiner Kamera hinter der des einen Arabers. Aber mir fiel auf, dass zu viel Gegenlicht aus dem Fenster kam, vor dem Masud saß. Deshalb packte ich meinen Scheinwerfer aus. Das dauerte vielleicht 15 oder 20 Sekunden. Auf einmal hörte ich eine Explosion, ein ausgesprochen sanfter Knall, ungefähr so, als ob ein Fußball platzt. Meine Augen waren geschlossen. Aber ich spürte das Licht und die Verbrennungen an meinen Händen und Armen."

    Was sich in Dashtys Ohren wie das Platzen eines Fußballs anhörte, war das Geräusch einer Bombe, das – zehn Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges - die Illusion einer friedlicheren Welt zunichte machte. Das Signal, das einen neuen Krieg einleiten sollte: den sogenannten War Against Terror. Mit Ahmed Shah Masud töteten die Selbstmordattentäter von Al Kaida einen der wichtigsten Anführer des afghanischen Widerstands gegen die Taliban. Zwei Tage später rasten die entführten Flugzeuge in den USA ins World Trade Center und ins Pentagon.

    "Der große Plan war zweifelsohne der Anschlag vom 11. September 2001. Al Kaida hatte ihn von langer Hand vorbereitet. Und der Al Kaida-Führung war klar, dass die USA und ihre Alliierten überaus hart reagieren würden. Deshalb wollten sie Masud vorher umbringen. Es ging ihnen darum, ganz Afghanistan zu kontrollieren, damit niemand sie vertreiben könnte."

    Die USA wählten einen neuen Führer und Vermittler ihrer Interessen in Afghanistan aus: Hamid Karzai. Der Sohn eines angesehenen paschtunischen Stammeschefs, in Indien ausgebildet, Berater des US-Ölkonsortiums UNOCAL, schien eine glückliche Wahl zu sein. Einerseits brauchten die USA die Truppen der tadschikisch und usbekisch geprägten Nordallianz am Boden, um die Taliban zu vertreiben. Aber ebenso nötig war für die Staatsspitze ein Paschtune, denn das Land wird traditionell von Paschtunen dominiert. Ein Paschtune an der Spitze der tadschikisch und usbekisch geprägten Anti-Taliban-Bewegung? Eigentlich die Quadratur des Kreises. Die schier unmögliche Kombination ging auf die Vermittlung des Nordallianzlers Abdullah Abdullah zurück. Er trug maßgeblich dazu bei, die US-Regierung von Hamid Karzais Wert zu überzeugen. Für den gewieften Diplomaten Abdullah war das der Schachzug des Jahrhunderts. Damals hielt er einen Neubeginn in Afghanistan für möglich – er dachte an ein Land, in dem die ethnischen Differenzen kaum eine Rolle spielen; an eine einige Nation, gestärkt durch die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft.

    "Karzais Ausgangsbedingungen waren gut, denn die Afghanen schienen sich einig. Die Weltgemeinschaft stand hinter ihnen. Kein Zweifel: Demokratie ist für uns eine neue Erfahrung. Aber auf diesen Geist der Demokratie setzten die Afghanen nun ihre Hoffnung. Sie waren damals wirklich bereit, sich auf diesen Weg zu begeben."

    Die USA und ihre Verbündeten wollten die Taliban vertreiben und danach ein neues Afghanistan aufbauen. Ein Ziel, mit dem die Bundeskanzlerin auch heute noch die Stationierung der Bundeswehr am Hindukusch begründet.

    "Wir dürfen den Terroristen Afghanistan nicht wieder überlassen. Deshalb ist es so notwendig, dass wir Afghanistan auf seinem Weg zu starken staatlichen Strukturen helfen."

    Auf der Bonner Petersberg-Konferenz einigten sich im Dezember 2001 afghanische und internationale Partner auf

    "Den Aufbau einer demokratischen afghanischen Regierung. Die Ausarbeitung einer Verfassung. Die Vorbereitung freier und demokratischer Wahlen."

    Wenig später wurde per UNO-Mandat die ISAF ins Leben gerufen, die internationale Afghanistan-Schutztruppe, der auch deutsche Soldaten angehören.

    "Sie, liebe Rekruten, stehen für den Schutz von Freiheit, von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Der Respekt vor der Würde des Menschen bei uns und überall auf der Welt ist für mich Kern unserer Politik. Er gilt in den Elendsquartieren dieser Welt genauso wie in den Villenvierteln. Er gilt im Umgang mit Kindern, mit Frauen, mit Andersdenkenden, mit Zuwanderern und Flüchtlingen. Er gilt in den Ländern Europa genauso wie in den Tälern von Tibet oder in den Straßen von Teheran."

    Wohlklingende Ideale. Aber wem dienen die internationalen Soldaten wirklich? Nicht der Bevölkerung, meint der renommierte afghanische Journalist Yaqub Ibrahimi, sondern von Anfang an einer Riege aus Haudegen und Drogenbossen. Die Nordallianz-Warlords seien auf Druck der USA 2001 vom Ausland zu Politikern erklärt und zu Partnern ernannt worden.

    "Es gab keine Regierung, die ausländische Truppen jemals aufgefordert hat, nach Afghanistan zu kommen. Die afghanische Regierung ist in Bonn geboren worden, auf dem Bonner Petersberg. Dann haben die Deutschen und die anderen westlichen Staaten, die USA, Kanada, Großbritannien dieses Konstrukt genommen und es nach Afghanistan verpflanzt. Ehe sie gerufen wurden, haben die Deutschen und die anderen ausländischen Mächte sich die entsprechende Regierung selbst zusammengebastelt."

    Heerführer, Mini-Diktatoren und Bandenchefs als Führungskräfte des neuen Afghanistan einzusetzen - wie Ibrahimi, halten viele weitere afghanische Beobachter dieses Vorgehen inzwischen für den schwersten Fehler des Westens, für einen nicht wieder gut zu machenden Sündenfall, der den neuen Staat von Anfang an delegitimierte. Denn damit wurde das Schicksal des Landes in die Hände genau derjenigen gelegt, die es in einem blutigen Bürgerkrieg verwüstet hatten, den Warlords.

    "Leider glaubt die internationale Gemeinschaft immer noch, die Taliban wären die Hauptfeinde der Demokratisierung in Afghanistan; westliche Politiker scheinen sich über die Rolle dieser Warlords nicht im Klaren zu sein. Sie sind zum Beispiel in Nordafghanistan weitaus gefährlicher als die Taliban. Und weil die westlichen Politiker nichts gegen sie zu sagen wagen, werden sie mit jedem Tag noch mächtiger."

    Wie recht Ibrahimi damit hat, zeigte sich bereits im Jahr 2006 – einem Wendepunkt des Afghanistan-Einsatzes. Was damals geschah, ist inzwischen durch die Internetplattform WikiLeaks dokumentiert. Im Juli 2010 veröffentlichte sie geheime US-Armeeberichte aus Afghanistan - Informationen über einen Putschversuch gegen Präsident Karzai:

    "ATTACK THREAT REPORT Kabul Summary: Mujahedeen commanders make new plans. Around 28 Nov 06 a meeting took place in KABUL city in the house of Abdul Rasoul Sayyaf. Gen Abdul Rashid Dostum, Burhanuddin Rabbani, Marshal Yunus Qanooni and Ustad Muhaqqiq participated in this meeting. The leaders agreed to join their forces led by Marshal Fahim aiming to free the country from the "foreign rulers” to change the actual government and to promote a new government of Mujahedeen. At the end of the meeting they decided that all the Mujahedeen commanders should provide weapons to their subordinates and await future orders of Marshal Fahim."

    Der Paschtune Hamid Karzai als Chef einer tadschikisch und usbekisch dominierten Regierung – diese Sollbruchstelle schien im Dezember 2006 nicht länger zu halten. Namhafte Führer der Nordallianz wie Marschall Fahim und General Dostum wollten die wachsende Unzufriedenheit der Afghanen mit der ISAF ausnutzen, sie wollten die ausländischen Truppen vertreiben – also jene, die ihnen 2001 den Weg an die Macht geebnet hatten. Die Führer der Nordallianz wollten einen heiligen Krieg ausrufen und damit die Herzen der Afghanen gewinnen. Der Vorzeige-Paschtune Karzai sollte bei dieser Gelegenheit gleich mit vertrieben werden. Dank amerikanischer Spione bekam Karzai allerdings Wind davon, wusste das Komplott zu verhindern - und seine Gegner durch Posten und Pfründe einzubinden. Doch um sich gegen die gefährlichen Nordallianzler eine Lebensversicherung zu schaffen, sucht Karzai verstärkt Unterstützung bei deren Feinden: bei den erzkonservativen paschtunischen Fundamentalisten. Eine Entwicklung, die Karsais ehemaliger Außenminister Abdullah Abdullah nicht mittragen wollte. Er ist zu einem der schärfsten Kritiker des Präsidenten geworden.

    "Karzai bedient sich zweier Dinge: Fremdenfeindlicher Ressentiments und des religiösen Konservatismus in der Bevölkerung. Beides instrumentalisiert er gegen die Zivilgesellschaft. In der ersten Phase seiner Amtszeit hat er die internationale Gemeinschaft, ihre Truppen gegen Teile der Bevölkerung eingesetzt. Nun macht er es umgekehrt und versucht die Bevölkerung gegen die internationale Gemeinschaft aufzubringen."

    Vor den letzten Präsidentenwahlen im August 2009 ging der afghanische Präsident ein Bündnis mit der Hizb Islami ein – dem legalen Flügel der Partei des Paschtunenführers Gulbuddin Hekmatyar, der, mit den Taliban verbündet, gegen die NATO kämpft. Abdelhad Arghandehwal, Führer der legalen Hizb Islami:

    "Karzai hat die meisten unserer Bedingungen akzeptiert. Die Scharia beispielsweise ist für uns ein ausgesprochen wichtiger Punkt. Und falls auch die afghanische Bevölkerung denkt, dass dieses Rechtssystem sie von der Korruption erlösen kann und von dem augenblicklichen System, das ja nicht funktioniert, dann sind wir die Ersten, die sich darüber freuen."

    Zwar ist die Scharia bereits qua Verfassung eine der Quellen der afghanischen Gesetzgebung – aber eben nur eine neben anderen. Was Arghandehwals Partei vorschwebt: islamisches Recht soll das einzig gültige werden. Offiziell erklärt Arghandehwal zwar, man habe sich von der im Aufstand kämpfenden Hizb Islami getrennt. Doch für viele afghanische Beobachter ist das eine Schutzbehauptung. Ahmed Hashemi, langjähriger Chefredakteur der Tageszeitung Payman Daily:

    "Die Parteioberen haben die Organisation einfach in zwei Teile gespalten, ein paar wichtige Leute sind weggegangen und behaupten seitdem: Wir gehören zur Hizb Islami, sind aber nicht mehr mit Hekmaytar zusammen. Tatsächlich werden sie von Hekmaytars Organisation unterstützt. Und Hekmatyar wiederum bekommt sein Geld vom pakistanischen Geheimdienst ISI. Vielleicht hat sich am Vorgehen etwas geändert. Früher ist Arghandehwal direkt nach Pakistan gefahren, um sich sein Geld abzuholen, jetzt fliegt er nach Dubai und holt es dort."

    Der Journalist Hashemi ist sich sicher: Nach Karzais Wahlsieg und der Einbindung der Hizb-Islami-Leute in sein Kabinett ist der pakistanische Geheimdienst de facto in der afghanischen Regierung angekommen. Selbst im Präsidialamt sitzt ein Hizb-Islami-Mann. Und Faruk Wardak, der langjährige Verteidigungsminister, ist gleichzeitig einer der wichtigsten Vertrauensleute des Widerständlers Hekmatyar. Das bedeutet: In der afghanische Regierung sitzen Leute, die das Projekt eines neuen Afghanistan torpedieren und das Land zu einem pakistanisch dominierten Pufferstaat machen wollen. Geführt von Fundamentalisten am Gängelband Islamabads. Die wachsende Macht des pakistanischen Geheimdienstes könnte eine der Ursachen dafür sein, dass Anschläge und Unsicherheit in Afghanistan zunehmen. Gerade erst hat ein ranghoher US-Militär dem pakistanischen Geheimdienst öffentlich vorgeworfen, er wolle Afghanistan aus strategischen Interessen schwächen. Dagegen will die US-Armee mit Strategien aus dem Jahr 2001 vorgehen.

    Wieder nutzt sie Warlordstrukturen: Die US-Armee baut irreguläre Kräfte auf. Dorfschützer, bewaffnete Gruppen, die oft den altbekannten Kommandeuren aus Zeiten des Bürgerkrieges unterstehen. Sie agieren als Hilfspolizisten unter dem Dach des afghanischen Innenministeriums und bilden die ALP, die Afghan Local Police – eine Parallelstruktur zur regulären Polizei. Zu den Führern dieser Hilfsverbände gehört in der Region um Kundus auch Kommandant Abderrauf. Ohne ihn, betont er, bekäme die Bundeswehr gegen die Taliban keinen Fuß auf den Boden.

    "Die deutschen oder amerikanischen Soldaten sind doch nur kurz im Land, sie brauchen erst mal drei Monate, um sich in der Situation zurechtzufinden. Dann bleiben ihnen vielleicht noch drei Monate, um das Gelernte anzuwenden. In dieser kurzen Frist kann man nicht viel erreichen. Deshalb können sie weder für die Al Kaida, noch für die Taliban das richtige Gespür entwickeln. Aber wir Afghanen leben hier, wir sind mit den Verhältnissen vertraut, wir wissen, wie man kämpfen muss. Die ausländischen Soldaten machen doch bloß Urlaub in Afghanistan."

    Unter dem Titel "Just Don't Call it a Militia" – "Nenn es bloß nicht Miliz" hat die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch im September eine alarmierende Bilanz dieser neuen Lokalpolizisten veröffentlicht. Die tadschikischen und usbekischen Milizen der ehemaligen Nordallianz verüben demnach schwere Menschenrechtsverletzungen.

    "In Kundus weiten die Milizen ihre Macht zusehends aus. Human Rights Watch sind zahlreiche Anschuldigungen zugegangen. Sie umfassen Tötungen, Vergewaltigungen und körperliche Misshandlungen. In den meisten Fällen ist gegen die Verantwortlichen nichts unternommen worden."

    Die Katze scheint sich in den Schwanz zu beißen. Denn das oft brutale und willkürliche Vorgehen der Milizen gibt denen Auftrieb, die sie bekämpfen sollen: den Taliban, der Hizb Islami – und ihren Verbündeten im Geist, den erzkonservativen Religionsgelehrten, die zu Karzais wichtigsten Stützen geworden sind. Vor kurzem noch konnte Bundeskanzlerin Merkel Gegnern des Afghanistan-Einsatzes Paroli bieten. Indem sie auf eine Errungenschaft verwies, die anscheinend über alle Kritik erhaben war:

    "Fünfmal so viele Schüler wie vor sechs Jahren gehen heute in die Schule, darunter viele Mädchen. Das sind die guten Beispiele eines zivilen Wiederaufbaus."

    Doch auch dieser Erfolg währt womöglich nicht mehr lange, wenn man die Rede anhört, die Maulana Khodadad unlängst hielt. Der Vorsitzende des religiösen Rates von Herat gehört zum Pool erzkonservativer Religionsgelehrter um den Bin-Laden-Weggefährten Abdul Rasul Sayyaf. Sollte Sayyaf, wie geplant, im Jahr 2012, zum Oberrichter ernannt werden, dürften Hardliner wie Khodadad freie Fahrt erhalten. Vor einem Gremium ausgewählter geistlicher Würdenträger erklärte er:

    "Möchten Sie als Mullahs etwa Ihre Kinder zur Schule schicken? Sind alle etwa damit einverstanden, ihre Kinder zur Schule zu schicken? Gut: Bestimmt schicken auch viele religiöse Führer ihre Kinder zur Schule. Sie können das natürlich selbst entscheiden. Was mich betrifft, ich möchte, dass alle meine Kinder Mullahs werden. Ich habe nicht ein einziges meiner Kinder in die Schule geschickt. Afghanistan ist ein muslimisches Land, also ist jeder, der Muslim ist, automatisch auch ein Lehrer."