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Heimat unterm Braunkohlebagger

Für den Braunkohletagebau im rheinischen Revier mussten in den letzten Jahren Tausende von Menschen ihre Häuser verlassen. Dagegen haben ein Anwohner und der Bund für Umwelt und Naturschutz geklagt.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 03.06.2013
    "Höve 2.88 bitte melden."

    Als wäre es ein schlechtes Omen, bleibt der hochhaushohe Schaufelradbagger plötzlich stehen. Maschinen aus, nichts geht mehr ...

    Gruppenleiter Günther Monschauer steht mit seinen Kollegen auf dem feuchten schwarz-grauen Sandboden am Nordrand von Garzweiler II – seit fast zwanzig Jahren ein Synonym für den umstrittenen Braunkohletagebau in Nordrhein-Westfalen. Naturschützern und umgesiedelten Anwohnern ist das Revier ein Dorn im Auge. Autobahntrassen, Viehweiden und ganze Dörfer haben dem Tagebau schon weichen müssen. Deshalb wird sich heute das Bundesverfassungsgericht mit der Beschwerde zweier Kläger aus NRW befassen. Sie sehen durch die Enteignungen ihre Grundrechte verletzt. Garzweiler II, das ist ein 48 Quadratkilometer riesiges Areal, im Städtedreieck zwischen Aachen, Mönchengladbach und Düsseldorf, auf dem sich die Schaufelradbagger seit sieben Jahren Meter für Meter voran fressen. Zurück bleiben vielerorts tiefe Krater und nackte, platte Brachflächen.

    Doch erst einmal steht der Bagger jetzt still: Wie bei einem Staubsauger hat das Stromkabel nicht gereicht, erklärt Michael Eyll-Vetter, Leiter der Bergbauplanung beim zuständigen Unternehmen RWE Power:

    "Sie sehen hier vorne, an dem Bagger ist auch eine große Kabeltrommel angebracht, rund tausend Meter Kabel ist da drauf. Und so ist das bei Absetzern auch, und wenn die abgetrommelt sind, dann muss umgeklemmt werden."

    Die Reparatur wird sich hinziehen, doch das tut der Begeisterung des Ingenieurs keinen Abbruch: Während es auf schmalen Eisengittertreppen, vorbei an Stahlträgern, Rohren und Leitungen hoch hinauf auf den Bagger geht, listet Michael Eyll-Vetter die gigantischen Ausmaße dieses Monstrums auf: 96 Meter hoch, 13.000 Tonnen schwer. Fährt auf Raupen, die groß sind wie ein Omnibus. 18 Schaufeln baggern hier normalerweise rund um die Uhr, in jeder einzelnen könnte man einen VW-Käfer parken. Einzig das Tempo wirkt bescheiden: zehn Meter pro Minute. Auf 30 Meter Höhe pfeift der Wind jetzt so stark, dass dem Ingenieur der Helm davonfliegt. Doch Michael Eyll-Vetter ist schnell wieder beim Thema:

    "Wir stehen jetzt hier an dem jüngsten Flöz, das ist das Flöz Garzweiler. Die Flözpartien sind zwischen 15 und 25 Millionen Jahre alt. Und unterhalb des Flözes Garzweiler sehen wir dann wieder Sande, auch wieder Nordseesand, und insgesamt haben wir hier im Tagebau Garzweiler drei Flöze mit einer Gesamtmächtigkeit von vierzig bis fünfzig Metern."

    Die Anfänge der Kohleförderung im Rheinischen Braunkohlerevier reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Mit den drei Abbaugebieten Inden, Hambach und Garzweiler II liegt die Gesamtförderung in Nordrhein-Westfalen heute bei rund 100 Millionen Tonnen im Jahr. Laut RWE gilt das Rheinische Revier europaweit als eine der besten und größten Lagerstätten für Braunkohle. Rund 17.000 Mitarbeiter sind allein im Tagebau Garzweiler beschäftigt. Selbst die große Zufahrt dorthin heißt Energiestraße, ringsum ragen qualmende Kraftwerke in den Himmel. Die Braunkohle ist ein bedeutender wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischer Standortfaktor in NRW, seit dem beschlossenen Ausstieg aus den deutschen Steinkohlesubventionen erst recht. Deshalb – so argumentiert die rot-grüne Landesregierung – sei die Braunkohle gerade im Hinblick auf die Energiewende unverzichtbar, trotz der Umweltzerstörung beim Abbau und trotz der miesen CO2-Bilanz bei der Verfeuerung. Landeswirtschaftsminister Garrelt Duin, ein Sozialdemokrat, lässt an seiner Haltung keinen Zweifel:

    "Ich empfinde das als eine Besonderheit, die ein sehr wichtiges Alleinstellungsmerkmal natürlich auch für Nordrhein-Westfalen ist. Dann komme ich zu dem Ergebnis, dass wir froh sein können, dass wir so einen heimischen Energieträger haben, der ganz wesentlich zur Versorgungssicherheit in Deutschland beiträgt."

    "Wirtschaftsminister Garrelt Duin ist schon fast ein zwanghafter Braunkohle-Lobbyist","

    … erwidert Dirk Jansen, Landesgeschäftsleiter beim Bund für Umwelt und Naturschutz, BUND.

    ""Das, was er ständig äußert, das ist eine Position von vorgestern. Ich appelliere inständig auch an die konservativen Teile dieser Landesregierung, sich endlich den Realitäten zu stellen. Erneuerbare Energien, Klimaschutz, das sind die Herausforderungen, und Braunkohle ist ein Dinosaurier aus einer längst vergangenen Zeit, die wir uns schlicht nicht mehr leisten können."

    Auch Dirk Jansen ist natürlich ein Lobbyist, zumal sein Verband, der nordrhein-westfälische BUND, einer der beiden Kläger ist, die heute vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe auftreten werden. Anlass ist die Zwangsenteignung einer 10.000 Quadratmeter großen Streuobstwiese, die der BUND in den neunziger Jahren gekauft hatte. Heute klafft dort ein tiefes Loch, die Wiese fiel dem Braunkohle-Tagebau zum Opfer.

    "Wir hatten da hundert Obstbäume, alles hier ehemals heimische alte Obstsorten wie der Rheinische Bohnapfel oder die Rote Sternrenette – haben daraus unseren ‚Garzweiler Flächenbrand‘, einen Apfelbrand produziert, und es war tatsächlich in dieser zunehmend verwüsteten Landschaft eine ökologische Oase. Und die war für uns Symbol, so nach dem Motto: So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen gegen den immer näher rückenden Braunkohlebagger mit all der Vernichtung, die dranhängt."

    Der BUND bezeichnet Garzweiler II als "Wahnsinnsprojekt" und als "klimapolitischen Amoklauf". Er kritisiert die an den Privathäusern verursachten Bergschäden, die Lärm- und die Feinstaubbelastung. Bergrecht bricht Grundrecht, so der Schlachtruf. Doch zunächst half es alles nichts: Im Januar 2008 wurde die Wiese von einem Großaufgebot der Polizei zwangsgeräumt. Die Umweltschützer klagten sich durch alle Instanzen, doch ihr juristischer Widerstand blieb lange erfolglos. Dass sich nun das höchste deutsche Gericht mit der Auseinandersetzung beschäftigt, und – was nicht selbstverständlich ist – sogar eine mündliche Verhandlung anberaumt hat, wertet Dirk Jansen schon jetzt als großen Erfolg:

    "Da haben wir zwanzig Jahre drauf hingearbeitet, das ist auch ein Novum, das hat es in Deutschland noch nicht gegeben."
    Das Bundesverfassungsgericht bestätigt diese Angaben. Die zentrale Frage der heutigen Verhandlung, nämlich unter welchen Voraussetzungen eine Enteignung in Deutschland möglich ist, wurde in Karlsruhe zwar schon oft verhandelt. Aber noch nie in Zusammenhang mit dem Abbau von Rohstoffen. Ein Präzedenzfall also, allein schon das macht Dirk Jansen stolz:

    "Also insofern ist es wichtig, dass diese entscheidenden Fragen, ob denn tatsächlich für betriebswirtschaftliche Interessen so massiv in Natur, Umwelt und die Grundrechte der Betroffenen eingegriffen werden darf, dass das mal von den Karlsruher Richtern ganz klar definiert wird."

    Der zweite Kläger heißt Stephan Pütz. Interviews lehnt er ab. Doch schon 1995, als Garzweiler II gerade von der Landesregierung genehmigt worden war, beschrieb im Deutschlandfunk Herbert Beer seine Stimmung. Er stammt wie Stephan Pütz aus Otzenrath – ein Dorf, das so nicht mehr existiert. Selbst die Entschädigung durch das damalige Bergbauunternehmen Rheinbraun war Herbert Beer – damals vor 18 Jahren – kein Trost:

    "Die werden dann schon mit dem Geld weichgekloppt. Aber ich glaub, Heimat können sie nicht verkaufen."

    Stephan Pütz, der jetzt vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zieht, ist Polizeikommissar, 50 Jahre alt und mit dem Tagebau aufgewachsen. Er sei ein Kind der Region, sagt sein Anwalt Dirk Teßmer. In Otzenrath aufgewachsen, lebt Pütz bis heute im Nachbarort Immerath. Seit Jahren rücken die Bagger unaufhaltsam auf sein Grundstück zu. Deshalb kämpft der Beamte in Karlsruhe dafür, sein Haus und Land im Rheinischen Braunkohlerevier behalten zu dürfen. Pütz beruft sich unter anderem auf Artikel 11 im Grundgesetz und damit auf das Recht der Freizügigkeit, seinen Wohnsitz frei wählen zu dürfen. Schon die Eltern von Stephan Pütz stritten mit RWE um eine Entschädigung. Ihr Haus wurde abgerissen, genauso wie das ganze Dorf Otzenrath.

    Kirche, Supermarkt, Vereinslokal – alles weg. Nicht mal den Toten auf dem Friedhof wurde ewige Ruhe gewährt, sie wurden in Zinksärgen umgebettet. Über ein Dutzend Orte sind bereits umgesiedelt, anderen steht das erst noch bevor. Zurück bleiben Geisterdörfer, die dann Haus für Haus weggebuddelt werden. Tausende von Menschen verlieren so ihre Heimat:

    "Das heißt, sich so ein Dorf vorstellen, wo einer nach dem anderen geht, als erstes die jungen mobilen Leute. Die Älteren fangen an zu rechnen, ich bin 75, in 15 Jahren kommt der Bagger, ob ich 90 werde, weiß ich nicht. Also sie rechnen Rest Lebenslaufzeit gegen Baggergeschwindigkeit – das kann sich in Deutschland sonst gar keiner vorstellen."

    Sagt Reiner Priggen, Fraktionschef der Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag. Der Energieexperte sieht noch andere Probleme: Denn viele Anwohner, die zwar von der Umsiedlung verschont bleiben, müssen dennoch mit schweren Bergschäden am eigenen Haus rechnen:

    "Sie müssen, um die Braunkohle zu fördern, ganz, ganz großflächig das Grundwasser großflächig abpumpen. Dann gibt es Absenkungen von Häusern, wirklich in Teilen zehn, 15 Kilometer entfernt. Sie können wahrscheinlich nachweisen bis unterm Kölner Dom Auswirkungen des Tagebaus Hambach. Jeder kann sich vorstellen, wenn Sie in Ihrem Haus auf einmal Wasser haben, das unten im Keller steht, das zieht Ihnen unten in die Wände, das kann bis zum Totalverlust gehen. Und da jetzt aufzupassen, dass wir in diesen Gebieten nicht mehr siedeln, was passiert, wenn das Wasser wieder ansteigt, das hat bisher niemand beachtet."

    Reiner Priggen fährt in diesem Zusammenhang schwere Geschütze gegen RWE auf. Das Bergbauunternehmen komme seiner Entschädigungspflicht nicht ausreichend nach, es arbeite intransparent und speise die Leute ab. Der Ingenieur Michael Eyll-Vetter weist diesen Vorwurf gegen sein Unternehmen zurück. Jeder Betroffene könne sich an die zuständige Anrufungsstelle wenden. Die dort verantwortlichen Gutachter sind bislang allerdings bei RWE beschäftigt. Ein Missstand, den der Landtag mit einer Gesetzesreform beheben will – darauf weist Michael Eyll-Vetter selbst hin, während er hoch oben auf dem Schaufelradbagger steht. Für die Nöte der umgesiedelten Anwohner des Tagebaus hat er durchaus Verständnis:

    "Ich wohne seit über zwanzig Jahren in der Region und wohne in einem Ort, der umgesiedelt worden ist und Freunde, Bekannte, Nachbarn umgesiedelt worden sind. Und ich kann sehr wohl nachvollziehen, dass für den Menschen auch eine Belastung darstellt."

    Eine Belastung, die Mensch und Natur noch jahrzehntelang begleiten wird. Bisher läuft die Genehmigung für den Tagebau Garzweiler II bis zum Jahr 2045. Wenn die Bagger irgendwann fertig sind mit ihrer Arbeit, soll das gesamte Areal rekultiviert werden: über 4000 Hektar Landwirtschaft, Wald- und Grünflächen und ein sogenannter Restsee mit einer Fläche von 23 Quadratkilometern. Die Pressestelle von RWE spricht in blumigen Worten von einer "attraktiven Landschaft, die zukünftigen Generationen als Ausflugsziel dienen" soll. Grünen-Politiker Reiner Priggen kann da nur mit dem Kopf schütteln.

    "Wir kriegen bei Hambach einen See, der hat acht mal acht Kilometer. Der ist bis zu 500 Meter tief. Dagegen sind die Seen in Ostdeutschland, wo die Erdrutsche kamen, wirklich Pfützen. Und ob solche Seen stabil zu kontrollieren sind, ob die Uferböschungen stehen, ob es große Abbrüche gibt, ob es nicht zig Jahrzehnte dauert – also 2080 plus noch mal zwanzig, dreißig Jahre, bis man wieder an den Ufern was machen kann … Die ganzen Probleme kommen alle noch auf uns zu. Man muss immer wissen, eine Braunkohleplanung dauert vom Beginn bis zum Ende, wo sich der See einstellt, über einhundert Jahre. So lange arbeitet keine Verwaltung."

    "Das, was jetzt läuft, was die Grünen uns versauen, sag ich mal, das können wir nicht akzeptieren!"

    Frühjahr 1995: Zu Tausenden ziehen wütende Bergarbeiter in jenen Tagen gegen Rot-Grün auf die Straße. Schon damals polarisierte die Braunkohle die Öffentlichkeit und sorgte für heftige Erschütterungen in der Landeshauptstadt Düsseldorf. Der Ärger der Bergleute richtet sich natürlich gegen die Öko-Partei, aber auch gegen die SPD, die sich von den Grünen beim Thema Braunkohle über den Tisch ziehen lasse. Enttäuschte Gewerkschafter schicken den Genossen gleich reihenweise ihre Parteibücher zurück.

    "Das können wir nicht akzeptieren, denn die wollen unseren Plan ja zurückwerfen und nicht die SPD. Aber die Verärgerung sitzt wirklich so tief. Ich bin selber auch ausgetreten, also ich kann das nicht mehr akzeptieren, was Johannes mit uns macht."

    Wenige Wochen zuvor hat die SPD bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen erstmals ihre absolute Mehrheit verloren. Tief getroffen muss sie fortan die Grünen mit ins Boot nehmen. Schon die Feuertaufe misslingt gründlich: Die Koalitionsverhandlungen drohen am Konflikt um Garzweiler II zu scheitern. Ministerpräsident Johannes Rau besteht auf dem Tagebau, die Grünen lehnen ihn ab. Reiner Priggen, damals Sprecher des grünen Landesvorstands, blickt zurück:

    "Ich kann mich noch erinnern, dass wir wirklich weinend auf der Wiese in Bonn gestanden haben und verzweifelt waren, weil wir nicht verhindern konnten, dass da weitere Menschen vertrieben werden. Wir hatten neunzig Prozent im Parlament gegen uns, wir hatten die Gewerkschaften gegen uns, das Unternehmen gegen uns und die Genehmigung war schon erteilt worden. Das war schon politisch eine sehr bittere Stunde."

    Am Ende gelingt ein Kompromiss: Die Genehmigung für Garzweiler II, die die allein regierende SPD wenige Wochen vor der Landtagswahl 1995 noch eben erteilt hatte, bleibt bestehen. Künftige Planungen zur Braunkohle sollen hingegen überprüft werden. Heute, 18 Jahre später, haben sich die Wogen zwischen den jetzt wieder gemeinsam regierenden Koalitionspartnern geglättet. Zwar habe sich an den entscheidenden Problemen des Braunkohletagebaus nichts geändert und außerdem verfüge Deutschland über gewaltige Stromüberkapazitäten, aber, so stellt Grünen-Politiker Priggen selbstbewusst fest:

    "Wir haben jetzt einen anderen Umgang, beide haben gelernt, und die SPD träumt nicht mehr von absoluten Mehrheiten. Wenn ich manchmal Sigmar Gabriel trompeten höre, das ist wie Benjamin Blümchen. Der trötet auch, und dann geht die Arbeit trotzdem weiter."

    Enttäuschte Anhänger verurteilen die Haltung der Grünen zur Braunkohle allerdings als wackeligen Spagat. Denn einerseits kritisiert die Ökopartei die Auswirkungen für Umwelt und Anwohner, andererseits erklärt sie den Tagebau für unbedingt notwendig. Reiner Priggen argumentiert hier ähnlich wie SPD-Wirtschaftsminister Garrelt Duin:

    "Also zurzeit hat die Braunkohle am Energiemix in Nordrhein-Westfalen einen Anteil von rund 45 Prozent. Und natürlich wird es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten einen massiven Aufwuchs bei den erneuerbaren Energien geben, aber wir werden bis dorthin nicht die Speichermöglichkeiten haben, die dann, wenn Wind und Sonne nicht zur Verfügung stehen, auch dafür sorgen, dass der Strom zur Verfügung steht. Und ich glaube, dass in den nächsten Jahren eben auch noch neue Kraftwerke gebaut werden, und insofern wird es immer in den nächsten Jahrzehnten einen großen Bedarf an Braunkohleverstromung geben."

    Duin, der vor seiner Berufung nach NRW Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD war, könnte sich sogar vorstellen, dass die Abbaugenehmigung für Garzweiler II noch einmal verlängert wird:

    "Ich sehe 2045 nicht als Endpunkt, sondern bis dahin ist es auf jeden Fall so, dass der Abbau stattfindet."

    Da glüht es wieder, das viel zitierte "Kohle-Gen" der nordrhein-westfälischen SPD. Bei manchen Grünen erhitzt es bis heute die Gemüter. Zwar ist der Konflikt deutlich entschärft seit dem 2007 bundesweit beschlossenen Ausstieg aus der Steinkohleförderung, doch die Düsseldorfer Energiepolitik bleibt für Rot-Grün ein möglicher Zankapfel. Die Koalition fährt derzeit einen Sowohl-als-auch-Kurs. Erst im Januar hat die Landesregierung ein ambitioniertes Klimaschutzgesetz zur langfristigen Reduktion der CO2-Emissionen verabschiedet. Zugleich aber betont Ministerpräsidentin Hannelore Kraft bei jeder Gelegenheit, dass neue fossile Kraftwerke an Rhein und Ruhr noch Jahrzehnte gebraucht würden. Ein Fall von landespolitischem Protektionismus: Für die NRW-SPD geht es um die Zukunft des Industriestandortes Nordrhein-Westfalen, Energiewende hin oder her. Ohnehin, so nörgelt die Landesregierung nun seit über einem Jahr, habe der Bund für den Umstieg auf die Erneuerbaren noch immer keinen Masterplan. Dirk Jansen vom nordrhein-westfälischen BUND hält von dieser Kritik nichts: Hannelore Kraft sitze im Glashaus und werfe mit Steinen:

    "Genauso ist es. Es ist natürlich wohlfeil, die Verantwortung nach Berlin zu schieben. NRW ist weitgehend Schlusslicht beim Bereich Erneuerbare Energien. Wir haben erst einen kläglichen Anteil von sieben Prozent aller Brutto-Stromerzeugungen aus erneuerbaren Energien. Ich habe den Eindruck, dass die SPD, Hannelore Kraft, ihr Wirtschaftsminister immer noch im letzten Jahrhundert verankert sind energiewirtschaftlich. Denn gerade Stein- und Braunkohle-Kraftwerke sind die Klimakiller Nummer eins."

    Der Schaufelradbagger am Nordrand von Garzweiler II steht noch immer still, als Michael Eyll-Vetter sich in seinen Jeep setzt und über die Sandpiste zurück Richtung Büro rumpelt. Die Verhandlung heute am Bundesverfassungsgericht möchte er nicht groß kommentieren. Dass Tausende Anwohner für den Braunkohletagebau enteignet werden, ist für den Ingenieur nur eine Seite der Medaille:

    "Das Stichwort Steinkohlesubventionen kennt, glaube ich, jeder Bundesbürger. Die Braunkohle ist weniger bekannt. Hier in der Region spielt sie natürlich eine sehr große Rolle. Und die Menschen im rheinischen Revier identifizieren sich auch in einem hohen Maße mit der Braunkohle."