Samstag, 20. April 2024

Archiv


Heiße Luft statt prima Klima

Der Ausfall einer Klimaanlage und die damit für den Reisenden verbundenen möglichen Schäden sind nicht gesetzlich geregelt. Das sagt Heinz Klewe von der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr. Gleichwohl empfiehlt er den Betroffenen, bei der Deutschen Bahn Beschwerde einzureichen.

Heinz Klewe im Gespräch mit Theo Geers | 19.07.2010
    Theo Geers: Es passiert vor allem bei Temperaturen von über 30 Grad, dann machen die Klimaanlagen in manchen Zügen der Bahn einfach schlapp. Zwar will die Bahn nach Aussage von Vorstandschef Grube alles versuchen, dass Bahnreisende künftig nicht mehr in überhitzten Zügen kollabieren so wie am vorletzten Samstag, aber ausschließen will und kann man so etwas nicht, zumal die Klimaanlagen in manchen ICEs nur auf Temperaturen bis 32 Grad ausgelegt sind. Nun will die Bahn die Hitzeopfer entschädigen – und genau darüber, was da möglich und angemessen ist, darüber möchte ich jetzt mit Heinz Klewe sprechen, dem Geschäftsführer der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr in Berlin. Guten Tag, Herr Klewe!

    Heinz Klewe: Ja, guten Tag, Herr Geers!

    Geers: Herr Klewe, die Forderungen, die Hitzeopfer großzügig und auch in bar zu entschädigen, die mehren sich. Der Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Gerd Billen, spricht von einigen Hundert Euro und nennt als Richtschnur 300 Euro – geht das überhaupt?

    Klewe: Also Fahrgäste haben nach den Fahrgastrechten, die gesetzlich geregelt sind, ein Recht auf Entschädigung, wenn der Zug eine Stunde oder mehr verspätet kommt, beziehungsweise ganz ausfällt. Der Ausfall einer Klimaanlage und die damit für den Reisenden verbundenen möglichen Schäden sind jedoch speziell nicht gesetzlich geregelt. Da drüber gibt es Auskunft im Anhang der EG-Verordnung über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste, das ist die 1371 von 2007. Da steht drin, dass der Beförderer für den Schaden haftet, der dadurch entsteht, dass der Reisende durch einen Unfall im Zusammenhang mit dem Eisenbahnbetrieb geschädigt wurde, sprich getötet, verletzt oder sonst in seiner körperlichen oder seiner geistigen Gesundheit beeinträchtigt wird. Es ist nur die Frage, ist der Ausfall einer Klimaanlage ein Unfall, also ein rasch wirkendes Ereignis, was unvorhersehbar war und ja. Also das wäre die erste, denke ich mal, rechtliche Frage, die zu klären wäre. Und des Weiteren regelt die Verordnung in ihrem Anhang, dass bei Verletzungen oder sonstiger Beeinträchtigung der körperlichen oder der geistigen Gesundheit des Reisenden Schadensersatz für den notwendigen Kosten, insbesondere für Heilung und Pflege, geleistet wird. Jetzt ist die zweite Frage: Sind die Kosten für Heilung und Pflege angefallen? Also wer Schadensersatz oder Schmerzensgeld verlangt, muss nachweisen, welche Schäden er erlitten hat.

    Geers: Das Ganze hört sich sehr kompliziert an, Herr Klewe, wenn es denn so weit kommt.

    Klewe: Genau.

    Geers: Nun will die Bahn ja im Grunde freiwillig eine Entschädigung leisten und zum Beispiel bei Fahrgästen, bei denen die Gesundheit beeinträchtigt wurde, wie vorletzten Samstag in Bielefeld, Reisegutscheine in Höhe des Eineinhalbfachen des Fahrpreises zahlen und so aus der Affäre kommen. Reicht denn das?

    Klewe: Also die – Sie haben es, finde ich, völlig korrekt gesagt – es ist eine sehr komplizierte Regelung, insoweit ist es auch nicht einfach, dass da ein Schaden entstanden ist und ein Schadensersatzanspruch. Die Kulanzregelung, die die DB angeboten hat – Sie haben es gesagt, 150 Prozent Erstattung des Fahrpreises, wenn gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten werden, 50 Prozent des Fahrpreises, wenn die Klimaanlage zur Komforteinbuße, der Ausfall der Klimaanlage zu Komforteinbußen geführt hat. Also wenn man das einmal an einem Beispiel ausrechnet – nehmen wir an, der Kunde hat eine Hin- und Rückfahrt gekauft, einen Fahrschein, der 100 Euro gekostet hat. Hat er jetzt gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten, werden ihm 150 Euro erstattet, wenn der Zug dazu noch eine Verspätung von mehr als zwei Stunden hatte, was er wohl in der Regel auch hatte an diesem Wochenende bei den betroffenen Zügen, käme noch mal für eine Fahrt die Hälfte drauf, also 25 Euro. Also letztendlich würde er einen Reisegutschein von 175 Euro bekommen. Kann der Reisende dann keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen nachweisen, soll er 50 Prozent des Fahrpreises bekommen, in unserem Beispiel wären das 50 Euro für die Komforteinbuße und zusätzlich 25 Euro für die Verspätung. Inwieweit die Reisenden diese Höhe der Entschädigung, die als Reisegutschein wie gesagt den Betroffenen zugesandt werden soll, als Wiedergutmachung empfinden, ich denke mal, das können die Betroffenen wirklich nur selbst zum Ausdruck bringen. Also die DB hat angekündigt Wiedergutmachung, aber ob der Reisende es als Wiedergutmachung empfindet, muss der Reisende jeweils selbst treffen. Und ich denke mal, inwieweit dann der Nachweis der Reisenden über gesundheitliche Beeinträchtigungen von der DB nachher wirklich verlangt wird oder ob es nicht sozusagen ausreicht, wenn der Reisende glaubhaft macht in seiner Beschwerde, dass er gesundheitlich sich beeinträchtigt gefühlt hat, ich denke mal, diese Kulanzregelung, die angekündigt worden ist, lässt viel Spielraum. Und ich denke mal auch, hinsichtlich der Entschädigungshöhe könnte ich mir eine Änderung noch vorstellen.

    Geers: Danke schön! Das war Heinz Klewe, Geschäftsführer der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personennahverkehr in Berlin.