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Heiße Wahlkampfphase in Holland
Vorsprung für Wilders

Es wird der erste Showdown in diesem Jahr bei der Frage, wie weit Europa nach rechts rückt: Mitte März wird in den Niederlanden ein neues Parlament gewählt. Und zu Beginn der heißen Wahlkampfphase liegt der Rechtspopulist Geert Wilders klar vorne. Bekommen die Niederlande in fünf Wochen den ersten rechtspopulistischen Regierungschef Westeuropas?

Von Malte Pieper | 08.02.2017
    Der Vorsitzende der niederländischen Freiheitspartei (PVV), Geert Wilders, spricht am 21.01.2017 in Koblenz (Rheinland-Pfalz)zu Beginn der Tagung der rechtspopulistischen ENF-Fraktion.
    Laut Umfragen derzeit auf Platz eins: Geert Wilders, der Vorsitzende der niederländischen Freiheitspartei (PVV) (picture alliance / dpa / Thomas Frey)
    Sie starren alle wie das berühmte Kaninchen auf die Schlange, in diesem Fall auf die blondierte Schlange: "Genug ist genug", ist der Standard-Slogan von Geert Wilders, mit dem der Rechtspopulist die etablierten Parteien vor sich hertreibt und sich selbst an die Spitze der Meinungsumfragen setzt:
    "Viele Menschen haben Angst zu sagen, was sie denken. Frauen haben Angst, ihr blondes Haar zu zeigen."
    Bei Wilders sind junge muslimische Einwanderer dann "Testosteron-Bomber", die es aufzuhalten gilt, damit sie nicht über holländische Mädchen herfallen. Er fragt, fast schon im Goebbels-Stil seine Anhänger: "Wollt Ihr mehr oder weniger Marokkaner?" und muss deshalb vor Gericht erscheinen. Er warnt vor dem "Multikulturellen-Einheitsbrei" und findet damit auch in Deutschland begeisterte Fans bei der AfD. Als die ihn dann aber einladen, fordert Wilders genauso:
    "Die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Meinungs- und Redefreiheit, die Toleranz von Homosexualität, all das ist jetzt im Rückzug. Und ich sage Ihnen: Wir wollen das nicht", ruft er erst vor wenigen Wochen der AfD-Basis zu und erntet besonders mit seinem Eintreten für Homosexuelle erst Überraschen und dann bei manch einem eisige Blicke.
    Wilders liberaler als die AfD
    "Wilders ist wesentlich liberaler als die AfD", stellt Erica Meijers fest. Sie arbeitet bei der grünen-nahen "De Helling"-Stiftung in Holland:
    "Das sind für ihn aber keine internationalen, demokratischen Werte, sondern typisch holländische Werte. Wenn Migranten reinkommen, die damit Mühe haben und die aus einer Kultur kommen, wo sie das nicht gewohnt sind, die gehören für ihn dann nicht dazu."
    Womit der rechtspopulistische Bogen wieder rund wird. Platz eins in fast allen Umfragen holt Wilders derzeit mit seinem Programm. Regieren wird er trotzdem nicht nach dem 15. März, denn auch der letzte Wackelkandidat, Ministerpräsident Mark Rutte, hat für seine Rechtsliberalen ausgeschlossen, es noch einmal, wie schon 2010, mit Wilders zu versuchen:
    "Die Chance, dass die VVD mit der PVV regiert, ist gleich Null! Das wird nicht passieren."
    Rechtskonservative rücken noch mehr nach rechts
    Trotzdem hat Rutte als Reaktion auf Wilders seine eigen Partei nach rechts gerückt. Setzt nun vor allem auf Law and Order:
    "Es gibt sehr viele Menschen in den Niederlanden, die das Gefühl haben, Politik wird nicht mehr für sie gemacht. Mit denen will ich ins Gespräch kommen, um ihnen zu zeigen, dass Geert Wilders nicht der Anführer ist, der die Probleme lösen kann. Ich schließe die Wähler nicht aus, aber ich kann mit seiner Partei nicht zusammenarbeiten!"
    Holland erwartet ein zersplittertes Parlament
    Und so geht es in den nächsten Wochen vor allem um die beste Ausgangsposition für die anstehende Koalitionsverhandlungen. Der Regierung droht dabei ein wahres Desaster. Der kleinere Koalitionspartner, die Sozialdemokraten von Finanzminister Dijsselbloem, könnten zwei Drittel ihrer Wähler verlieren und unter zehn Prozent fallen. Die Rechtsliberalen von Regierungschef Mark Rutte bleiben wohl zweistärkste Kraft hinter Wilders, erreichen momentan aber auch nur um die 15 Prozent.
    Mit anderen Worten: Holland erwartet ein zersplittertes Parlament. Das künftige Kabinett könnte nicht mehr von zwei sondern von sechs Parteien abhängen. Und das müsse unbedingt in der jetzigen Lage eine "Regierung der Mitte" sein, fordert der Linksliberale Alexander Pechtold mit seiner Partei D66, einer der Senkrechtstarter dieses Wahlkampfes:
    "Ich finde es wichtig, dass wir in den kommenden vier Jahren ein stabiles Kabinett bekommen, das weder allein von Links noch von Rechts gestellt wird. Das würde bedeuten, dass die Polarisierung noch mehr zunimmt und gleichzeitig die Enttäuschung. Weil die jeweils andere Hälfte sich nicht wiedererkennt in der Regierung."
    Von daher könnte es, wenn es in den nächsten Wochen bei der jetzigen Stimmung bleibt, eine Art Pyrrhussieg für Geert Wilders geben. Der Rechtspopulist landet zwar auf Platz eins, gestärkt wird durch seinen Sieg aber vor allem die Mitte. Holland erwarten aufregende Zeiten.