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Helle Idee

Am kommenden Sonntag werden die Uhren umgestellt. Dass dies sinnvoll ist, wird inzwischen immer häufiger bezweifelt. Forscher warnen vor gesundheitlichen Folgen der Umstellung. Der Europa-Abgeordnete Herbert Reul (CDU) kämpft seit Jahren gegen die Sommerzeit.

Von Almuth Knigge | 24.03.2011
    Sehr geehrte Hörerinnen und Hörer, an dieser Stelle ein Hinweis. Montag um diese Zeit ist es gar nicht mehr um diese Zeit, sondern eine Stunde später. Ich sag' es nur rechtzeitig, damit es keinen Ärger gibt.

    Living is easy – von wegen. Seien Sie bloß vorsichtig. Selbst wenn Sie einigermaßen gut aus dem Bett kommen, achten sie mehr als sonst auf ihre Mitmenschen. Studien haben ergeben, dass es am Morgen nach der Zeitumstellung bis zu 28 Prozent mehr Verkehrsunfälle gibt.

    Und wer trägt die Verantwortung dafür? Die Suche nach dem Schuldigen gestaltet sich schwierig. Theodore Roosevelt hat 1784 ein Traktat verfasst. Darin forderte er die Menschen auf, im Sommer früher aufzustehen, um abends Lampen und Kerzenwachs zu sparen. Franklin will allerdings auch Steuern für Fensterläden erheben und die Arbeiter morgens mit Kanonendonner wecken. Alles klar? Das Papier war eine Satire!

    Und wer ist drauf reingefallen? Ein Brite. William Willet. Der Engländer reichte im Unterhaus Petitionen ein, schreibt sämtliche Mitglieder des Parlamentes, Stadträte und Wirtschaftsbosse an, um für seine Vision zu werben. Das Gleiche macht auch Herbert Reul seit Jahren. Nur mit entgegengesetzter Intention. Der Europa-Abgeordnete der CDU für das Bergische Land ist so etwas wie der Gallier im Kampf gegen die Sommerzeit.

    "Als ich anfangen habe, da haben viele gedacht, der hat nichts anderes zu tun oder einen kleinen Knall, um es mal vorsichtig zu sagen."

    Dabei ist er Vorsitzender des Industrie-Ausschusses und hat wahrlich genug zu tun. Und er hat ja auch recht. Längst ist bewiesen, dass die Sommerzeit keine Energieersparnis bringt,

    "Klang logisch, aber das Ergebnis zeigt, hat nichts gebracht."

    Im Gegenteil – haben amerikanische Forscher im letzten Jahr vorgerechnet. Man hat nämlich festgestellt, dass zwar abends weniger beleuchtet aber dafür in einer Art ausgleichendem Akt morgens länger geheizt wird. Nichts mit Energieersparnis - aber dafür Müdigkeit,
    depressive Verstimmungen, Schwankungen der Herzfrequenz, Konzentrationsschwäche, Gereiztheit, Verdauungsprobleme. Schwedische Forscher haben sogar herausgefunden, dass das Herzinfarktrisiko nach der Zeitumstellung im Frühjahr besonders hoch ist. Im Schnitt gibt es innerhalb der ersten drei Tage in der Woche fünf Prozent mehr Infarkte als im Rest des Jahres. In Russland sollen es angeblich sogar 75 Prozent sein. Überzeugt die Anhänger der Sommerzeit aber immer noch nicht.

    "Es gibt ja auch Leute, die das befürworten. Das Gegenargument ist immer der berühmte Bierabend, dass man länger im Biergarten sitzen kann. Das Argument finde ich nicht besonders rund. Das hat ja mit der Uhrzeit nichts zu tun, wie lange ich im Biergarten sitzen bleibe."

    Maßgebliche Effekte auf die Freizeitwirtschaft konnten allerdings auch noch nicht nachgewiesen werden. Ist die Sommerzeit also doch nichts als bürokratisches Teufelszeug und bringt nur Ärger? Wie zum Beispiel März 2001. Da vergaß die Telekom die Uhr in der Nacht eine Stunde vorzustellen.

    Geschäftsleute in Hamburg, Servicekräfte in Berlin oder Zeitungsausträger in München, die einen Weckruf bestellt hatten, sie alle verschliefen um eine Stunde, weil - laut Aussage des Unternehmens - ein Computer versagt hatte. Mal wieder. Denn als im Oktober zuvor die Winterzeit begann, weckte die Telekom ihre Kunden eine Stunde zu früh. Oder bei Internet-Auktionen, die früher auslaufen: 3- 2- 1- zu spät.

    "Gut, und dann hab' ich es versucht mit Anfragen an die Kommission und die Mitgliedsländer - das ist ja das mindeste, wenn man den Menschen so etwas zweimal im Jahr zumutet, dass man das begründet, dann wurde auf fehlendes Datenmaterial hingewiesen; ja wenn es kein Datenmaterial gibt, dann gibt es auch keinen Grund dafür. Also, es ist schon kurz an der Absurditätsgrenze."

    "Ich bin eigentlich fest davon überzeugt, solange mir keiner ein Argument nennt, dass es notwendig ist, dass ich dann weiter, die, die dafür zuständig sind, zwinge, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen."

    "Aber es ist eben typisch, und deswegen bin ich da relativ unnachgiebig – denn - eine Entscheidung ist getroffen, aus guten Gründen, merken, es war Unsinn, dann die Fähigkeit zu haben, die Entscheidung wieder rückgängig zu machen, das verstehe ich nicht, dass das in der Politik so schwer ist. "

    Weltweit sind die Anhänger der "Daylight Saving Time" übrigens nur knapp im Vorsprung. In 160 Ländern misstraut man dem willkürlichen Eingriff in den Ablauf der Zeit und macht den Lichtschalter lieber ganzjährig eine Stunde früher an.