Dienstag, 16. April 2024

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Helmpflicht-Debatte
Unfallchirurg pocht auf Freiwilligkeit

"Wir müssen ein gemeinsames Signal nach außen schicken: Der Helm hilft", sagte Unfallchirurg Uli Schmucker im Deutschlandfunk. Dennoch ist er gegen eine Helmpflicht, ebenso wie Joachim Schalke vom ADFC. Radfahren sei keine Risikosportart, argumentierte Schalke.

Joachim Schalke und Uli Schmucker im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 18.06.2014
    Ein Fahrradfahrer mit Helm steht am 16.06.2014 vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe (Baden-Württemberg).
    Auch ohne Fahrradhelm steht einem Radfahrer bei einem Unfall laut BGH-Urteil voller Schadenersatz zu. (dpa / Uli Deck)
    Der Bundesgerichtshof hat am Dienstag entschieden, dass Radfahrer ohne Schutzhelm bei einem Unfall nicht weniger Schadenersatz erhalten dürfen als mit Helm. Der ADFC begrüße das Urteil, weil es der Verkehrswirklichkeit entspreche, sagte Joachim Schalke vom Kreisverband Köln im Deutschlandfunk. Der ADFC empfehle das Tragen eines Helms, eine Helmpflicht halte er aber für verfehlt. Bei vielen Unfällen helfe der Helm nicht.
    Der Münchner Unfallchirurg Uli Schmucker sieht das anders: "Der Helm hilft", sagte er im Gespräch mit Schalke im DLF. Helmtragen mache Fahrradfahren aus seiner Sicht auch nicht unattraktiv. Schmucker betonte: "Ein Patient mit Schädelhirnverletzung sieht auch nicht sonderlich attraktiv aus." Diese Art der Verletzungen seien aber nicht so häufig, wie man denken könnte. Daher sieht er die Helmpflicht nicht als sinnvoll an.

    Das Interview in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: Braucht Deutschland eine Helmpflicht für Fahrradfahrer? Lassen sich Menschenleben retten, Verletzungen vermeiden, wenn man Radfahrern vorschreibt, dass sie ihren Kopf besser schützen? Viele Ärzte und Verkehrsexperten sagen ja, so was brauchen wir, aber der Bundesgerichtshof, der hat gestern anders geurteilt. Er hat entschieden: Eine Radfahrerin hat Anspruch auf vollen Schadenersatz, und zwar obwohl sie bei einem schweren Verkehrsunfall keinen Helm getragen hat. War das ein gutes Urteil, oder ein Urteil, das den Straßenverkehr unsicherer macht, zu unsicherem Verhalten verleitet?
    Wir können darüber jetzt sprechen mit dem Münchner Unfallchirurgen Uli Schmucker. Er ist Leiter der Sektion Prävention von Verletzungen bei der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie. Schönen guten Morgen nach München!
    Uli Schmucker: Guten Tag, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Und außerdem ist hier bei mir im Studio Joachim Schalke vom Kreisverband Köln des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs. Er ist dort der Vorsitzende beim Kreisverband Köln. Schönen guten Morgen auch an Sie!
    Joachim Schalke: Guten Morgen nach München auch von mir! Danke schön.
    Armbrüster: Herr Schalke, zunächst bleiben wir mal bei Ihnen. Als Sie das Urteil gestern gehört haben, keine Helmpflicht durch die Hintertür sozusagen, war das für Sie Genugtuung?
    Schalke: Genugtuung möchte ich nicht sagen, aber es hat mich persönlich beruhigt und als ADFC sind wir begeistert von diesem Urteil. Wir können nicht sagen, dass wir das erwartet haben, aber es ist für uns eine gute Sache, weil es der Verkehrswirklichkeit entspricht.
    ADFC setzt auf Freiwilligkeit
    Armbrüster: Was ist denn eigentlich gegen einen Helm zu sagen?
    Schalke: Gegen einen Helm ist gar nichts zu sagen, wenn er vernünftig benutzt wird. Aber aus meinen Erfahrungen weiß ich, dass der Fahrradhelm nicht richtig begriffen wird in der Anwendung. Es reicht nicht aus, wenn er benutzt wird. Das heißt, Helm ja oder nein ist keine abschließende Frage, sondern er muss richtig benutzt werden und nur dann kann er richtig funktionieren, und da setzen wir auf Freiwilligkeit.
    Armbrüster: Aber könnte man das den Leuten nicht erklären, wie sie ihn richtig benutzen, und dann eine Helmpflicht vorschreiben?
    Schalke: Das Erklären findet ja vielfach statt. Es gibt ganz viele Verkehrssicherheitsorganisationen, Behörden, die das nachdrücklich empfehlen. Aber aus diesen Erfahrungen reicht es eben nicht aus, eine Helmpflicht, eine Klammerfunktion einzusetzen, um das Gute zu wollen oder aufzuoktroyieren.
    "Helmtragen macht das Fahrradfahren per se nicht unattraktiv"
    Armbrüster: Herr Schmucker in München, können Sie das verstehen, dass sich Radfahrer im Straßenverkehr so skeptisch gegenüber Helmen zeigen?
    Schmucker: Klare Antwort: Ja und nein. Ich denke, das Helmtragen macht das Fahrradfahren per se nicht unattraktiv. Wir wissen, beispielsweise aus dem Bereich des Skifahrens, aber auch aus den 70er-, 80er-Jahren, als es um den Motorradhelm und die Einführung der Helmpflicht ging, dass es immer einige Jahre einer Art Übergangsphase gibt. Da scheinen die neuen Produkte unattraktiv und die Frisur sitzt nicht richtig und es wird zu warm und andere Argumente, die Herr Schalke sicher auch nennen könnte.
    Ich sage Ihnen aber ganz klar: Ein Patient mit einer Schädelhirnverletzung sieht auch nicht sonderlich attraktiv aus. Insofern kann ich es aus einem wissenschaftlichen Grund nicht nachvollziehen, dass der Helm unattraktiv ist, und aus ganz praktischen Erwägungen heraus kann ich es auch nicht nachvollziehen.
    Was ich allerdings nachvollziehen kann ist, dass wir aktuell in Deutschland noch nicht die Infrastruktur haben, die die Benutzung eines Helmes tatsächlich sicher ermöglicht. Stellen Sie sich vor, Sie fahren mit dem Helm in die Stadt – wo legen Sie ihn denn dann hin? Stellen Sie sich vor, Sie fahren mit dem Helm in die Schule – wo legen Sie ihn denn dann hin? Zahlreiche Schüler in Präventionsveranstaltungen berichten mir, die Helme werden geklaut. Da sind wir sicher noch nicht so weit, dass wir für alle – ich denke auch insbesondere an Senioren -, dass wir für alle die geeigneten Produkte, die geeigneten Schulungen und letztlich (ich spreche hier als Wissenschaftler und Arzt) auch die geeigneten Untersuchungen haben, um den Erfolg zu messen.
    Ein Plakat informiert in Münster über Kopfverletzungen bei Radunfällen.
    Ein Plakat informiert in Münster über Kopfverletzungen. Der Fahrradfahrer mit Helm geht schon auf Nummer Sicher. (dpa / picture alliance / Friso Gentsch)
    "Radfahren im Alltagsgeschehen ist keine Risikosportart"
    Armbrüster: Da haben Sie jetzt mehrere gute Argumente für Helme genannt, unter anderem – das ist ja sehr interessant, was immer wieder zu hören ist – das Beispiel Skifahren, der Helm beim Skifahren und auch die Gurtpflicht in Deutschland. Herr Schalke, das sind ja Phasen gewesen, wo ähnlich argumentiert wurde, wo sich viele Leute dagegen gesträubt haben. Hinterher hat es dann geklappt. Warum kann so was nicht auch mit einem Fahrradhelm passieren?
    Schalke: Herr Schmucker und ich kennen uns ja von den Unfallkonferenzen der Hannelore Kohl Stiftung. Da sind wir uns ja mehrfach begegnet. Ich möchte einfach noch mal erwähnen, dass Radfahren im Alltagsgeschehen keine Risikosportart ist. Deshalb empfehlen wir den Radhelm ganz differenziert, aber wir halten die Helmpflicht für verfehlt. Und wenn wir uns Unfallmuster anschauen, sowohl in der Genese als auch in der Ausprägung, dann müssen wir ganz nüchtern feststellen, dass bei vielen Unfällen der Fahrradhelm schlichtweg nicht hilft, weil er überhaupt nicht wirksam ist. Die meisten Unfälle, die finden tatsächlich in Knotenpunkten statt, Abbiegeunfälle, und da hilft der Helm schlichtweg nicht. Da möchten wir einfach Sorge für tragen, dass wir über das verkehrspolitische Programm des ADFC und möglicherweise über eine Bürgergruppe – "Deine Freunde" heißen die in Köln – dieses Expertenwissen auch in die Verkehrspolitik reintragen.
    "Der Helm hilft!"
    Armbrüster: Herr Dr. Schmucker als Unfallchirurg, können Sie das bestätigen?
    Schmucker: In Teilen. Für mich ist es sehr entscheidend – und das entspricht auch der Position der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie beispielsweise, aber auch anderer wissenschaftlicher Fachgesellschaften, die sich mit dem Thema beschäftigen -, für mich ist es wichtig zu sagen, der Helm hilft. Selbstverständlich – und das ist in jedem Lebensbereich so -, selbstverständlich gibt es einzelne Situationen, in denen diese Maßnahme nicht hilft. Das kann aber der Verbraucher, der Radfahrer, der Helmkäufer natürlich in der Notfallsituation gar nicht beurteilen. Wir müssen da – und ich hoffe, dass auch die Fahrradfahrer-Lobby, sage ich mal, der Allgemeine Deutsche Fahrradclub das so sieht –, wir müssen ein klares gemeinsames Signal nach außen schicken: Der Helm hilft! Dass wir selbst auch für das freiwillige Helmtragen sind, das steht dann ganz an zweiter Stelle.
    Ich halte die gesetzliche Verpflichtung auch nicht für zielführend. Ich halte die freiwillige Maßnahme, das Fördern des freiwilligen Tragens für zielführend. Ich würde aber nicht den Sinn und Zweck verwässern, indem ich sage, an der einen Kreuzung hilft es, an der zweiten Kreuzung hilft es nicht, dem einen Menschen hilft es, dem anderen hilft es nicht. Ich würde klar sagen, der Helm hilft.
    Armbrüster: Herr Schalke, gehen Sie so bei Ihren Mitgliedern vor? Raten Sie Ihren Mitgliedern generell, tragt einen Helm, das macht euer Radfahren sicherer, oder sind Sie da liberal, mal so, mal so?
    Schalke: Wir sind sicherlich liberal. Wir erklären die richtige Nutzung des Fahrradhelms. Wir bilden natürlich auch Leute mit Fahrradhelm ab. Wir stigmatisieren das Fahrradhelmtragen natürlich nicht, weil es einfach der heterogenen Situation im Straßenverkehr entspricht. Es macht Sinn, sich damit zu beschäftigen, und ich darf noch mal betonen, wenn, dann, bitte schön, muss er richtig verwendet werden, und da stehen wir sicherlich beratend zur Seite.
    Armbrüster: Beratend. Aber Sie würden Ihren Mitgliedern nicht dringend anraten, wenn sie aufs Fahrrad steigen, im Stadtverkehr einen Helm zu tragen?
    Schalke: Ich kann damit leben. Was Herr Schmucker eben gesagt hat, dass es eine Empfehlung gibt, das ist vollkommen in Ordnung. Nur es ist nicht wirklich wichtig, was wir tatsächlich im Sinne des Unfallvermeidens im Straßenverkehr benötigen. Wir müssen ganz klar das Verhalten in den Fokus stellen. Tatsächlich ist es viel wichtiger, Unfälle zu vermeiden, als hauptsächlich darauf hinzuwirken, dass die Unfallfolgen vermieden werden. Das ist ein Riesenunterschied. Und wie gesagt, das verkehrspolitische Programm setzt da ganz klare Maßstäbe.
    Mit ihren nagelneuen Fahrradhelmen auf dem Kopf stehen am Mittwoch (15.08.2012) Erstklässler auf dem Gelände der Grund- und Regionalschule Einfeld in Neumünster. Unterstützt von der Polizei haben Unternehmer und Firmen das Geld für die Helme bereitgestellt. So können alle ABC-Schützen künftig gut geschützt auf ihren Rädern unterwegs sein.
    Grundschüler präsentieren ihren neuen Fahrradhelme. (dpa/ picture alliance / Carsten Rehder)
    Unfälle vermeiden ist die beste Prävention
    Armbrüster: Herr Schmucker, können Sie so was verstehen?
    Schmucker: Wiederum in Teilen. Ich sehe als jemand, der sich tagtäglich mit der Prävention von Unfällen beschäftigt, ich versuche, das weniger eindimensional zu sehen. Prävention kann versuchen, die Unfallursache zu minimieren oder gar auszumerzen. Aber Prävention bedeutet auch, dass wir die Folgen eines Unfalls – und den werden wir niemals hundertprozentig ausschließen können; der wird passieren in Deutschland, der Radverkehrsunfall -, dass wir auch die Folgen abmindern. Und dazu gehört der Helm! Dazu ist der Helm eine ideale Möglichkeit. Deswegen würde ich nicht ausschließlich auf die Vermeidung des Unfalls setzen, zweifellos eine wichtige Beschäftigung, eine wichtige Maßnahme, aber ich kann mich nicht allein darauf stürzen. Ich muss auch schauen, was passiert mit denen, bei denen ein Sturz unausweichlich ist, bei denen eine Kollision unausweichlich ist, und da kann der Helm zweifelsohne helfen. Das hat man vielfach in Laboruntersuchungen, aber auch in realen Untersuchungen auf der Straße nachweisen können.
    Schalke: Mit der Fahrradakademie habe ich hervorragende Auslandsexkursionen absolviert. Nächste Woche steht wieder eine an nach Belgien und den Niederlanden. Ich war in Kopenhagen gewesen, in verschiedenen Regionen der Niederlande, aber auch in der Schweiz in Basel und Bern. Da hat es mir geholfen, diesen Horizont zu erweitern, und es geht um Kultur. Es geht um Mobilitätskultur und es geht um Fahrradkultur. Im Moment gibt es ganz erstaunliche Ereignisse auf den Straßen, Critical Mass, Fahrrad-Sternfahrten haben wir gehabt, Radverkehr boomt, Radverkehr ist in den Medien und da kann der Fahrradhelm natürlich eine Rolle spielen. Nur insgesamt ist das wesentlich umfangreicher und vielschichtiger, das Thema, und deswegen setzen wir uns auch für diese Möglichkeiten der Verkehrsunfall-Prävention in vielfacher Hinsicht ein. Da ist der Helm ein Teil davon, zweifellos
    Schmucker: Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Sie sprechen ja das Thema der Infrastruktur im weiteren Sinne an. Auch das ist uns als Unfallchirurgen sehr wohl ein Anliegen. Prävention bedeutet nicht, dass wir ausschließlich die Verletzungen vermeiden sollen. Prävention heißt natürlich, dass wir den Unfall vermeiden sollen, dass wir für ein Miteinander im Verkehr sorgen, das tatsächlich die Kollision vermeidet.
    Ich habe beispielsweise in verschiedenen Städten in Deutschland den Aufbau sogenannter Fahrrad-Highways begleitet, wo man in einer recht geschützten Umgebung unter Fahrradfahrern auf breiten Straßen quer durch die Stadt fahren kann. Das gibt es ja verschiedentlich, beispielsweise in der Fahrrad-Hauptstadt Münster, aber auch in Greifswald, an der Ostsee beispielsweise. Dort sind die bisherigen Untersuchungen sehr ermutigend. Man hat A einen sehr hohen Fahrkomfort, man hat B eine, dem Autoverkehr bei weitem überlegene Fahrgeschwindigkeit, wenn wir jetzt über die Innenstadt reden, und wir haben C – und das ist natürlich besonders ermutigend – nahezu keine schweren Unfälle. Natürlich kommt es immer zu Kollisionen zwischen Fahrradfahrern, das ist überhaupt nicht tragisch. Wir reden jetzt hier ja vor allem von schweren Schädelhirnverletzungen und die sieht man doch recht selten in einer solchen geschützten Infrastruktur.
    "Prävention nicht eindimensional begreifen"
    Armbrüster: Und Helme braucht man dann auf solchen speziellen Fahrradwegen auch nicht?
    Schmucker: Das braucht man sicher. Meine Idee ist, dass wir Prävention nicht eindimensional begreifen. Prävention betrifft oder zu Prävention gehört der Helm quasi als vorletztes Glied der Kette. Das allerletzte Glied der Kette wäre dann eine optimierte medizinische Notfallversorgung, rund um die Uhr an jedem Ort in Deutschland, jeder Zeit mit hoher Qualität. Der Helm wäre quasi das vorletzte und davor wiederum kommen alle Maßnahmen, die die Kollision per se vermeiden.
    Armbrüster: Herr Schmucker, jetzt haben Sie schon gesagt, dass Sie auch als Unfallchirurg gegen eine Helmpflicht sind. Ich kann mir vorstellen, dass sich da viele Hörer die Frage stellen, wieso eigentlich. Dieser Unfallchirurg, denken wahrscheinlich jetzt viele, der sieht doch wahrscheinlich jeden Tag Opfer auf seinem OP-Tisch, die Opfer wurden von schweren Verkehrsunfällen, die man möglicherweise hätte vermeiden können. Was spricht dagegen, eine Helmpflicht einzuführen in Deutschland, möglicherweise nicht jetzt sofort, auch nicht nächstes Jahr, sondern langfristig, eben dann, wenn die nötige Infrastruktur dafür geschaffen ist?
    Schmucker: Ich gebe Ihnen Recht, das mag seltsam erscheinen, dass jemand, der tagtäglich mit den Opfern konfrontiert ist, tatsächlich gegen eine Helmpflicht spricht. Ich kann nur empfehlen, das Ganze nicht emotional zu sehen, sondern anhand von Fakten wissenschaftlich zu analysieren und dann die richtigen Schlüsse zu ziehen, und da kommt man ganz klar zu der Überzeugung, dass das verpflichtende Helmtragen vermutlich keine sinnvolle Alternative ist, und zwar weder kurz- noch langfristig. Sie hatten angesprochen, ob man das vielleicht jetzt mittelfristig nicht umsetzen könnte. Tatsächlich ist es so: Die Wissenschaft kann das Thema nicht allein und vollständig aufklären. Wir wissen, dass der Helm hilft im Falle eines Unfalles.
    Zirka 60 bis 70 Prozent schwerer Schädelhirnverletzungen können in ihrer Schwere vermindert, wenngleich auch nicht in jedem Einzelfall komplett vermieden werden. Wir wissen aber tatsächlich nicht, wie das in der Praxis ist, und Herr Schalke hatte das auch schon angesprochen. Es ist unklar, ob wirklich, wenn wir das gesamte Verkehrssystem betrachten, es zu einem positiven Effekt kommt. Die Wissenschaft allein kann es nicht klären.
    Wenn ich nun tatsächlich mal auf die Verletztenzahlen schaue – die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (vielleicht wissen Sie das) betreibt eines der weltweit größten Register, Patientenregister für schwerverletzte Patienten; da sind wir auch wissenschaftlich in einer besonders guten Situation und wir können relativ gut sagen und belegen, dass die schwere Schädel-Hirn-Verletzung weitaus seltener ist, als man vielleicht annimmt. Die weitaus häufigsten Verletzungen nach einem Radverkehrsunfall sind eher Armverletzungen, Beinverletzungen, und wir schätzen oder wir sagen, dass zirka ein Viertel der Patienten nur eine schwere Kopfverletzung hat. Insofern muss ich Herrn Schalke Recht geben, der gesagt hat, primär ist Radfahren eine sehr sichere Sportart.
    Armbrüster: Herr Schmucker, ich muss hier leider dieses interessante Gespräch zwischen uns dreien beenden. Es wird Zeit, wir haben noch einen weiteren wichtigen Beitrag im Programm. – Das war der Münchner Unfallchirurg Uli Schmucker und außerdem war hier bei mir im Studio Joachim Schalke vom ADFC. Besten Dank an Sie beide für das Gespräch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.