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Helmut Sachers Café
Deutsche Oase in der Mongolei

Brigitte Cummings trinkt weder Kaffee, noch mag sie Gebäck. Trotzdem führt die Deutsche in der Mongolei ein Café und das schon seit 16 Jahren. Doch der Anfang in dem fremden Land war nicht leicht.

Von Antje Hollunder | 21.04.2014
    Brigitte Cummings steht vor ihrem Café in Ulan Bator
    Brigitte Cummings vor ihrem Café in Ulan Bator (Antje Hollunder)
    Westliche Schlager ertönen im Verkaufsraum des Helmut Sachers Café in Ulan Bator. Indessen erklärt eine mongolische Angestellte einer mongolischen Kundin die reiche Auswahl an Gebäck. Das Sortiment bietet verschiedene Brotsorten, Brötchen und süße Backware wie Krapfen, Apfelstrudel sowie zahlreiche Kuchen und Torten. Ein Mongole mit Durchschnittseinkommen kann sich die exquisiten Produkte kaum leisten, weil sie fast so teuer sind wie in Deutschland. Das Geld nimmt - wann immer sie Zeit hat - die Chefin des Cafés höchstpersönlich entgegen. Brigitte Cummings:
    "Die ersten drei, vier Jahre hab ich mich geweigert, hinter einer Theke zu stehen und Brot zu verkaufen. Das war die größte Dummheit, denn es ist nichts in der Kasse liegen geblieben – sehr wenig. Man muss sehr aufpassen. Wir hatten nie verdient. Wir haben immer zu wenig gemacht, das ging Jahre so. Und dann fing ich an, an der Kasse zu stehen und das Einkommen war erheblich höher - fast das Doppelte! - und dann noch mehr und es hat mir solchen Spaß gemacht!"
    Liebevoll richtete die deutsche Geschäftsfrau in einem Hinterzimmer der Konditorei auch ein Café ein: Umgeben von Blümchentapete, sitzen dort nun, gemütlich an massiven Tiroler Fichtenmöbeln, gut situierte Mongolen und ausländische Touristen. An jedem Tisch gibt es eine Steckdose für junge Kunden mit Laptop, die bei freiem WLAN gerne Videokonferenzen ins Ausland halten. Dabei fällt in Ulan Bator oft der Strom aus. Der Kaffee kommt hier deshalb aus altmodischen Maschinen, die per Handdruck funktionieren.
    Den Tipp, besser keine modernen Kaffeemaschinen zu nehmen, bekam Brigitte Cummings vom österreichischen Kaffeeröster Helmut Sachers. Vor der Gründung ihres Cafés suchte sie ihn in Wien auf, um sich Rat vom Profi zu holen. Seitdem sie auch seinen Kaffee verkauft, darf sie nun ebenfalls seinen verkaufskräftigen Namen samt Firmenlogo mit der Kaffeekanne für ihr Geschäft verwenden:
    Ein kleines Stückchen Nicht-Mongolei
    "Dann haben die Leute verlangt, dass wir ein bisschen mehr als nur Gebäck anbieten im Café. Dann haben wir auch Suppen und Würstchen dazu, sodass es jetzt ein kleines Restaurant, eine kleine Oase, ist. Es ist hier ruhig. Ich bekomme sehr viel Studenten, die hier in Ruhe studieren können. Es ist ein kleines Stückchen Nicht-Mongolei."
    Ins wilde mongolische Geschäftsleben musste sich Brigitte Cummings erst einmal hineinfinden. Dabei kam der gebürtigen Münchnerin ihre Welterfahrung zugute. Schon mit 19 verließ sie Deutschland, lebte in England, Italien und Griechenland, heiratete einen Amerikaner in New York und ging mit ihm nach Hongkong. Die ehemalige Marketing-Spezialistin arbeitete als Übersetzerin, Fremdenführerin und Hotelleiterin, war Beraterin für Computerfirmen und übernahm nach dem Tod ihres Mannes dessen Elektronik-Unternehmen in Hongkong. Ein Geschäftsfreund aus Taiwan überzeugte sie dann davon, in die Mongolei zu investieren, die zum Wirtschaftsaufschwung 1998 neue Gewerbe gründete.
    "Und die Mongolen hatten verschiedene Ideen, haben aber dann darauf bestanden, dass eine Bäckerei hier sehr nötig sein würde."
    Noch als stille Teilhaberin einer Holding Firma, reiste Brigitte Cummings dann einmal nach Ulan Bator, um sich einen Eindruck von dem neuen Betrieb zu verschaffen.
    "Dann bin ich raufgekommen und seh: Ja, so kann man doch keine Bäckerei leiten!? Um Gottes willen, wenn die nur sechs Brötchen liefern, wie wollen die verdienen?"
    Ulan Bator boomt
    Um den Laden rentabel zu machen, zog Brigitte Cummings schließlich in die mongolische Hauptstadt und übernahm die Leitung der Bäckerei. Sie engagierte aus Deutschland für einige Wochen einen pensionierten Bäckermeister, der ihre mongolischen Angestellten schulte, steigerte die Produktion und gewann Restaurants und Hotels als Kunden. Heute beschäftigt das Helmut Sachers Café bis zu zwanzig Personen: von den Auslieferfahrern über die englischsprachige Bedienung im Café, bis hin zu den Bäckern.
    Von morgens um sechs bis nachmittags um vier wird in der Backstube des Helmut Sachers Café ununterbrochen gebacken. In den Erdgeschosswohnungen zwei kleiner Häuser mit Veranda sind Café und Backstube nach einem Wanddurchbruch miteinander verbunden. Die Wohnungen hat Brigitte Cummings vor über zehn Jahren gekauft. Als Mieterin könnte sie den Betrieb heute wohl nicht mehr aufrecht erhalten, sagt sie, denn die Mieten in Ulan Bators Innenstadt haben sich seit damals verzehnfacht. Die 73-Jährige behauptet sich mit ihrem Geschäft seit über 16 Jahren in der Mongolei. Kein anderer Deutscher hat das geschafft.
    "Es gibt verschiedene Gründe, warum ich noch da bin. Erstensmal hatte ich - Gott sei dank - nie einen mongolischen Partner. Mongolen haben andere Ideen von Gesetz und ein Vertrag bedeutet nichts. Ich hab von vornherein alles allein gemacht, meine eigenen Entscheidungen getroffen und nie mir jemanden reinreden lassen - das darfst du nicht! Es versuchten Angestellte. Aber ich bin ziemlich breitschultrig und hab einen ziemlichen Dickkopf und bin - wie man in München sagt - ein Stehaufmandln. Wenn's mal schlecht geht, dann schon gar nicht. Es war nicht immer leicht."